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Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, nimmt an einer Landespressekonferenz im Düsseldorfer Landtag teil.

© dpa/Thomas Banneyer

Nouripour warnt vor deren Aufwertung : Wüst pocht auf Gespräche mit Taliban 

Nach den Messerangriffen durch Afghanen fordert der NRW-Ministerpräsident Gespräche über Abschiebungen. Doch das klinge einfacher, als es in Wahrheit sei, warnt Grünen-Chef Omid Nouripour.

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In der Debatte um Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan hat sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) für die Aufnahme von Kontakten mit den radikalislamischen Taliban ausgesprochen. Die Bundesregierung werde „in den sauren Apfel beißen“ und mit den Taliban „Kontakt aufnehmen“ müssen, um eine Rückkehr von Straftätern „zu gewährleisten“, sagte Wüst am Donnerstag in Düsseldorf.

„Das ist eine Zumutung, das ist mir völlig klar“, fügte Wüst hinzu. „Aber bevor es uns hier unsere Gesellschaft auseinanderhaut, weil die Menschen kein Verständnis dafür haben“, müsse die Bundesregierung sich „dem stellen und das machen“.

Die Anerkennung als Regierung wäre ein gigantischer Erfolg für eine islamistische Terrororganisation.

Omid Nouripour, Co-Vorsitzender Bündnis 90/Die Grünen

Er wolle Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Blick auf dessen Ankündigung zur Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan „gern beim Wort nehmen“, sagte Wüst. Es sei „kein leichtes Thema, was man fair anerkennen muss – aber die Aussage ist gemacht, und ich finde, das ist gut, auch für den inneren Frieden unserer Gesellschaft“.

Vorsichtig äußerte sich in Berlin ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Zwar gebe es auch jetzt schon „punktuelle Kontakte“ zu den Taliban, aber „nicht in dem Zusammenhang“, um den es hier gehe. Was mögliche Abschiebungen von Straftäterinnen und -tätern angehe, so werde dies derzeit geprüft. Es stellten sich hinsichtlich von Gesprächen mit den Taliban „eine ganze Reihe von praktischen, rechtlichen, inhaltlichen Fragen“.

Grundsätzlich für Abschiebungen auch nach Afghanistan plädierte erneut SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Es gebe „die berechtigte Erwartungshaltung, dass diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten oder keinen Asylgrund haben, das Land wieder verlassen müssen“. Daher solle der grundsätzliche Abschiebestopp nach Afghanistan gelockert werden. „Wer Kapitalverbrechen begeht, muss unser Land verlassen“, sagte der SPD-Politiker. „Unser Sicherheitsinteresse geht vor.“

Nouripour warnt vor Folgen

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour dämpft die Erwartungen, afghanische Straftäter aus Deutschland in ihr Heimatland abschieben zu können. „Man muss auch reinen Wein einschenken und sagen, dass es zahlreiche Hindernisse gibt“, sagte er dem „Spiegel“ (Freitag): „Sie können nicht einfach mit den Taliban verhandeln. Die Anerkennung als Regierung wäre ein gigantischer Erfolg für eine islamistische Terrororganisation.“

Nouripour fügte hinzu, geordnete Rückführungen setzten ein Mindestmaß an diplomatischen Gesprächen voraus, etwa bei der Anerkennung der Staatsbürgerschaft. Dass die Taliban mit einigen Ländern in der Region Deals abgeschlossen hätten, sei nur gegen Geld gegangen, aber: „Wollen wir wirklich eine Terrororganisation finanzieren? Das ist keine gute Idee.“

Seit der neuerlichen Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Kabul im August 2021 gilt in Deutschland ein Abschiebestopp für Afghanen. Als Konsequenz des tödlichen Messerangriffs in Mannheim vor rund zwei Wochen kündigte Scholz an, Straftäter auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben.

Wüst fordert vom Kanzler Führung bei Steuerung der Migration

Für die Bund-Länder-Gespräche kommende Woche hat Wüst zudem konkrete Vorschläge für eine geordnete Migration nach Deutschland gefordert. „Es ist die letzte Ausfahrt für den Bundeskanzler, zu zeigen, dass er wirklich Vorschläge macht für eine wirksame Steuerung und Ordnung beim Thema Migration“, sagte Wüst am Donnerstag vor Journalisten in Düsseldorf.

Migration müsse nicht nur gesteuert werden. „Wir müssen irreguläre Migration beenden“, betonte der CDU-Politiker. Wüst forderte eine Beschleunigung der Pläne für Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU. „Wir können nicht erst mit den Asylverfahren anfangen bei den Menschen, die es über das Mittelmeer geschafft haben.“ Es gehe ihm dabei nicht um Ruanda, sagte Wüst und spielte auf den Asylpakt Großbritanniens mit Ruanda an. Es kämen auch Länder auf dem europäischen Kontinent außerhalb der EU in Betracht.

Für die Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni erwarte er, dass die Berichte aus dem Expertenaustausch der Bundesregierung den Ländern vorgelegt werden und man einen Schritt weiterkomme. „Wir brauchen da wirklich eine Linie der Bundesregierung zu diesem Thema“, so Wüst. (dpa, AFP)

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