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Zerreißprobe in Schweden: Linke und Rechte nach Parlamentswahl gleichauf
Das offizielle Ergebnis steht noch aus, aber politisch scheint Schweden ein gespaltenes Land. Die Rechtspopulisten gewinnen deutlich dazu.
Stand:
Noch zählen die Wahlhelfer die letzten Stimmen aus, in der schwedischen Öffentlichkeit aber steht fest: Welches der aus je vier Parteien bestehenden Lager auch immer die Wahl gewinnt, absehbar ist Schweden ein gespaltenes Land. Der von den Sozialdemokraten geführte linke Block erreichte, so der Stand am Montag, etwas weniger als 49 Prozent der Stimmen.
Der von den konservativen Moderaten geführte Block lag zuletzt bei leicht über 49 Prozent. Sollte das Lager um die Moderaten, geführt von Ulf Kristersson, die Wahl gewinnen, dann wegen der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die deutlich zulegten und deren Basis anfangs Neonazis bildeten.
Wegen des knappen Resultats rechnet die Wahlkommission erst am Mittwoch mit dem Endergebnis. Bislang regiert in Stockholm eine sozialdemokratische Minderheitsregierung unter Ministerpräsidentin Magdalena Andersson. Sie wird vom einst bäuerlichen Zentrum, der Linkspartei und den Grünen gestützt.
Im traditionell konsensorientierten, sozialliberalen Schweden aber wuchs in den letzten Jahren der Unmut: Das Land hat eine der höchsten Mordraten Europas, in den Vorstädten gehören Schusswaffen unter jungen Männern offenbar oft dazu, und zuletzt wurden mehrfach Gruppenvergewaltigungen durch Einwanderer bekannt. Dazu kam, dass Schulen und Gesundheitswesen nicht mehr so funktionierten, wie viele Schweden das noch kennen.

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Premier Andersson griff die Sorgen vieler Schweden vor Verwahrlosung, Clan-Kriminalität und einem erodierenden Staat auf – wie die Sozialdemokraten im benachbarten Dänemark setzte die Regierungschefin im Wahlkampf auf Law-and-Order von links.
Erfolgreich: Die Sozialdemokraten gewannen dazu und sind mit 30,5 Prozent die stärkste Kraft. Wenn Andersson ihr Amt verlieren sollte, dann wegen der Schwäche der sie unterstützenden Parteien. Die Linke und das Zentrum sacken auf je rund 6,6 Prozent ab, Grünen verbesserten sich minimal auf zirka 5 Prozent.
Im Vergleich zu 2018 am stärksten gewannen aber die Schwedendemokraten; um 3,1 Prozentpunkte auf 20,6 Prozent. Zwar sollen die Rechtspopulisten nun nicht regieren, sondern das mögliche Rechtskabinett nur dulden – das jedenfalls ist Wunsch der drei konservativen bis liberalen Parteien im rechten Lager. Doch eine von den mit 19,1 Prozent gewählten Moderaten geführte Regierung wird den Schwedendemokraten entgegen kommen müssen.

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Den Staat die Vorstädte zurückerobern zu lassen, dürfte nur wenige Schweden stören. Die Rechtskoalition aber ventilierte auch andere Maßnahmen. Dazu gehört, die Sozialausgaben und die Arbeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu prüfen. Einzelne in den Journalistenverbänden fürchten, der rechtskonservative Block werde öffentliche Sender beschneiden.
Während die Schwedendemokraten in Kleinstädten reüssierten, trat in den Vorstadt-Siedlungen der Großstädte eine muslimisch geprägte Partei an, deren Gründer sich als Anwälte der Einwanderer verstehen: die „Nyans“, die „Neuen“. Der Staat wolle muslimischen Familien die Kinder entreißen, verbreiteten Aktivisten der „Neuen“.

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In den Vororten von Göteborg, Malmö und Stockholm stammen viele Familien aus der Türkei, vom Balkan, dem Nahen Osten und Nordafrika. Einzelne Anhänger in Göteborg sprachen davon, dass „Juden“ hinter der Regierung in Stockholm steckten: Die Partei will die Verschleierung in Schulen erlauben und in Schwimmbädern Zeiten für Frauen einführen.
Während im Landesparlament, dem Reichstag, vier Prozent Sperrklausel gilt, sind es in den Kommunen drei Prozent. In Malmö-Rosengård, einem der bekanntesten Einwandererviertel, lagen die Neuen bei 2,9 Prozent.
Erstaunlich nebensächlich waren der noch vor Monaten umstrittene Nato-Beitritt und der Ukraine-Krieg. Über steigende Energiepreise wurde debattiert, aber weniger heftig als in Deutschland. Am Ende wird jenes Lager die Regierung bilden, das 176 der 349 Mandate im Parlament vereinen kann.
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