
© imago/Seeliger
Zukunft der Bahn: Was werden die wichtigsten Baustellen für die neue Spitze?
Noch ist der oder die neue Bahnchefin nicht gefunden. Vielleicht auch deshalb, weil die Aufgaben immens sind. Drei Experten sagen, wo es besonders brennt.
- Maria Leenen
- Christian Böttger
- Mario Reiß
Stand:
Bisher hat Verkehrsminister Patrick Schnieder noch keinen Nachfolger oder Nachfolgerin für den geschassten Bahnchef Lutz präsentiert. Möglicherweise liegt es auch daran, dass die Aufgaben, die auf die neue Spitze der Deutschen Bahn zukommen, alles andere als einfach sind.
Der oder die neue Chefin steht im Fokus von Politik und höchst kritischer Öffentlichkeit, sollte die Branche und das System Eisenbahn kennen und Führungserfahrung in einem großen Konzern haben. Schnieder will am 22. September eine neue Strategie für den kriselnden Konzern vorstellen. In diesem zeitlichen Rahmen solle auch das entsprechende Personal präsentiert werden, sagt der Verkehrsminister - „vielleicht ein bisschen früher, vielleicht ein bisschen später“.
Für unsere Rubrik „3 auf 1“ wollen wir nicht so lange warten und haben jetzt schon einmal drei Experten um ihre Meinung gebeten, welche Baustellen die neue Bahnspitze am drängendsten wird angehen müssen.
Mutig und klar auch gegenüber dem Bund
Die neue Bahnspitze ist nicht zu beneiden: Jede Verspätung wird ihr zugerechnet werden, die Erwartungen sind immens. Hier braucht es eine Führungspersönlichkeit, die unternehmerisch konsequent denkt und nach innen wie außen mutig Klartext redet – fachlich und politisch.
Es braucht ein neues Mindset bei Bahn wie Bund. Die Chance dazu ist jetzt da.
Maria Leenen, Geschäftsführende Gesellschafterin SCI Verkehr
Gelingen müssen Gewinnmaximierung und Daseinsvorsorge. Für die eigenwirtschaftlichen Töchter der Bahn wie die DB Cargo gelten die Regeln des Wettbewerbs. Wo der Bund erwartet, dass auch defizitäre Strecken gefahren werden, braucht es eine rechtssichere und langfristige Finanzierung.
Mit den größten Veränderungsdruck gibt es bei InfraGO, der gemeinwohlorientierten Tochter der Bahn. Sie soll das lange vernachlässigte Eisenbahnnetz modernisieren. Der Bund gibt hier Finanzrahmen und Infrastrukturziele vor. Die neue Bahnspitze muss diese möglichst effektiv und effizient erfüllen. Gleichzeitig muss sie vom Bund eine Priorisierung knapper Mittel über die Legislatur hinaus sowie gemeinsame Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen einfordern. Dazu braucht es fair ausgehandelte, belastbare Verträge mit engmaschigem Monitoring.
Es braucht also ein neues Mindset bei Bahn wie Bund. Die Chance dazu ist jetzt da.
Mitarbeitende vor Ort tragen die Hauptlast
Die neue Bahnführung braucht ein stabiles Arbeitsverhältnis zum Eigentümer Bund, die stetigen Zielverfehlungen haben das Verhältnis beschädigt. Die Bahn muss vom Bund klare Reformvorgaben fordern, der Bund wiederum muss diese verbindlichen Ziele mit entsprechenden Finanzzusagen absichern. Zudem gibt es Reformbedarf bei der absurden Überregulierung technischer und betrieblicher Prozesse, bei den Trassenpreisen, den Ausschreibungen im Nahverkehr und dem defizitären Einzelwagensystem im Güterverkehr.
Zur kurzfristigen Stabilisierung des Betriebs muss der Fahrplan, besonders in den Knoten, verschlankt werden. Der Engpass beim operativen Personal, von den Lokführerinnen bis zu den Zugbegleitern, muss mit Hochdruck angegangen werden.
Zentraler Reformbaustein ist die Restrukturierung des Konzerns. Die aufgeblähten zentralen Verwaltungsstrukturen sind zu reduzieren, Entscheidungen sollten, soweit möglich, von Fachleuten vor Ort getroffen werden.
Die Mitarbeitenden vor Ort, besonders die mit direktem Kundenkontakt, tragen die Hauptlast der desolaten Lage. Eine der wichtigsten Aufgaben für die neue Führung besteht darin, bei diesen das Vertrauen wieder aufzubauen, dass die Bahn besser wird und dass alle Beschäftigten wieder stolz sein können auf ihr Unternehmen.
Schluss mit Personalabbau
Durch das Missmanagement der DB erfahren die Eisenbahner Überlastung, Personalabbau und fehlende Wertschätzung. Das muss endlich ein Ende haben! Daher sind die größten Herausforderungen der neuen Bahnspitze die Sanierung der Finanzen, die dringend benötigte Modernisierung der Infrastruktur und eine grundlegende Reform der Unternehmensstruktur, um die Bahn zukunftsfest aufzustellen.
Das jetzt reichlich zur Verfügung gestellte Steuergeld darf nicht für Leuchtturmprojekte verbrannt werden, sondern muss zielgerichtet für die Zukunftsfähigkeit der Eisenbahn verwendet werden.
Zudem muss auch die Ausrichtung der DB als Aktiengesellschaft auf den Prüfstand – der Bund als Eigentümer trägt hier die Verantwortung, endlich im Sinne der Fahrgäste und der Beschäftigten zu handeln. Jetzt müssen die Weichen für eine grundlegende Neuaufstellung des Eisenbahnsystems gestellt werden.
Die GDL begleitet den neuen Bahnchef auf diesem Weg gerne kritisch und konstruktiv. Fakt ist: Die Arbeit der Eisenbahner ist das Herz der Bahn – ohne ihre Arbeit steht das Land still. Die Menschen, die Tag für Tag den Laden am Laufen halten, kommen an erster Stelle!
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: