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Verständigung möglich? Kanzler Olaf Scholz (SPD) und CDU-Chef Friedrich Merz.

© Imago/Photothek/Florian Gaertner

Zuspitzungen und Stillosigkeiten: Der Wahlkampf darf kein Qualkampf werden

Der D-Day der FDP, SPD und CDU gehen aufeinander los – doch Politik darf jetzt nicht das Vorurteil fördern, sie werde gemacht von einer unseriösen, selbstbezogenen Gruppe.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Gut, dass der Wahlkampf nicht ganz so lange dauern wird. Wer zählt die Tage? Denn wenn das so weitergeht mit gegenseitigen Beschuldigungen und Unwahrheiten, wird er zum Qualkampf.

Was das am Ende für die Demokratie bedeutet, kann sich jeder selbst ausrechnen. Es kann einem bange werden.

Nehmen wir den Kanzler. Er liegt bisher weit zurück. Die Leute werden sich noch wundern, sagt Olaf Scholz gerade voraus. Weil er Wahlkampf könne. Die jüngsten Zuspitzungen geben eine Ahnung davon, wie er das meint.

Dass zum Beispiel Gegenkandidat Friedrich Merz den Senioren an die wohlverdiente Rente will, um seine Politik zu bezahlen, trommeln Scholz und seine SPD. Der wehrt sich, aber klar, irgendwas bleibt immer hängen. Zu befürchten ist, dass Merz und seine Union sich noch revanchieren. Gelegenheit macht Hiebe.

Wenn nun diese beiden, Union und SPD, so aufeinander losgehen, dann erreicht das auch alle anderen. Einfallstore sind das, vor allem für die, die man vielleicht mal Undemokraten nennen sollte. Jeder weiß, wer gemeint ist, oder?

Die können dann damit werben, nach dem Motto reden: Seht hin, die da sind nicht besser, weder noch. Aber Inhalt mit Stil – ist das zu viel?

Wer das erhofft, wirkt schon fast wie aus der Zeit gefallen. Womit wir bei der FDP wären. Mit der hat das Ganze zwar nicht angefangen, aber sie hat es auf ein neues Niveau gebracht. Ein niedriges.

In Umfragen hat sich der Koalitionsbruch für die Freidemokraten nicht bezahlt gemacht – was Wunder. Denn ausgerechnet die Partei demonstrativer Bürgerlichkeit hat sich geradezu anti-bürgerlich verhalten.

FDP-Chef Christian Lindner und seine Partei stehen unter Druck.

© IMAGO/Frank Ossenbrink/IMAGO/Frank Ossenbrink

Das „D-Day“-Papier und der Umgang damit: ein Lehrstück, wie es eben nicht geht. Der einzige, der bisher einigen Anstand zeigt, ist der Generalsekretär, der gewesene.

Der gegangen ist, weil Wahlkampf ist. Denn das ist es auch, was den Parteichef Christian Lindner retten soll. Einstweilen jedenfalls gilt das. Noch.

In der FDP denken sie, dass sie keinen besseren Wahlkämpfer in ihren Reihen hätten. Noch.

Nicht, dass die deutsche Politik bei Trump landet

Stephan-Andreas Casdorff

Reue, Bedauern, Ernsthaftigkeit: Wo alles das nicht glaubhaft stattfindet, wenden sich die Wähler ab. Von der FDP, aber – gut möglich – auch von den anderen. Die werden nämlich schnell mit in Haftung genommen.

Zumal, wenn es bei denen auch nicht nur staatstragend zugeht, um es vorsichtig auszudrücken. Angriffe mit Halbwahrheiten, persönliche Attacken: Dieser Weg ist abschüssig. Nicht, dass die deutsche Politik bei Trump landet.

Politik darf jetzt hierzulande ganz unbedingt nicht das Vorurteil fördern, sie habe nichts verstanden. Der Eindruck darf sich nicht einnisten, Politik insgesamt werde gemacht von einer unseriösen, selbstbezogenen Gruppe. Von Menschen, denen es fern der Realität vor allem um sich und die Macht geht. Die Gefahr besteht.

Will sagen: Der Bruch einer Koalition, die brüchig ist, ist kein Vergehen. Ein Frevel ist aber, selbstsüchtig damit umzugehen. Deshalb ist Fall der FDP so relevant – weil er etwas aussagt fürs ganze Land.

Sich um Vorhaltungen und Vorwürfe drumherum zu schlängeln, ist keine Strategie. Verantwortung als „Gesamtverantwortung“ zu verbrämen, ohne sie dann selbst für sich wahrzunehmen, ist kein Stil, der auf Dauer trägt.

Wenn die Zahlen stimmen, dann geht es doch um viel, viel mehr: um das Schicksal des Landes. In wirtschaftlicher Hinsicht, in sicherheitspolitischer, in jeglicher. Da müssen übergeordnete Überlegungen die Hauptrolle spielen.

Parteien – vom Lateinischen „pars“, Teil – sind in dieser Hinsicht mehr denn je Teil des Ganzen. Sind vor allem der Demokratie verpflichtet. Die Gutmeinenden müssen dem Ausdruck verleihen, in Wort und Tat.

Ein „Neuanfang“ wäre nötig, sagt der Altliberale Gerhart Baum. Für die FDP, das ganz sicher, aber weiter darüber hinaus, weil er so viel mehr für die politische Kultur bedeuten würde. Auch die der anderen.

Es ist Wahlkampf! Der Kampf mit einem Ideal ist die Qual wert. Jeden Tag. Gerade jetzt.

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