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In Lagern wie diesem in Dabancheng werden Uiguren interniert – und wohl auch als Zwangsarbeiter ins ganze Land gebracht.

© REUTERS/Thomas Peter

Zwangsarbeiter aus Xinjiang: Wie Politik und betroffene Unternehmen auf die Vorwürfe reagieren

Deutsche Firmen profitieren womöglich von Zwangsarbeit in chinesischen Fabriken. Die Unternehmen reagieren verhalten. Politiker fordern Lieferketten-Kontrollen.

Turnschuhe, Haushaltsgeräte und Autos, die von Zwangsarbeitern produziert werden: Die Vorwürfe gegen große deutsche Unternehmen, von uigurischen Zwangsarbeitern aus Xinjiang zu profitieren, wiegen schwer. Das Australian Strategic Policy Institute (ASPI) geht davon aus, dass zwischen 2017 und 2019 mehr als 80000 Uiguren aus der Provinz Xinjiang in Fabriken in ganz China verlegt wurden – auch in Unternehmen, die deutsche Firmen wie Adidas, Bosch, VW, BMW oder Siemens beliefern.

Zwar beruhen die von der Studie gezogenen Verbindungen der Zulieferer zu deutschen Unternehmen größtenteils auf der Selbstpräsentation der Zulieferer. Diese haben ein Interesse, mit großen Marken zu werben – womöglich auch dann, wenn keine tatsächliche Zusammenarbeit stattfindet. Doch dass Menschenrechte von Uiguren in China verletzt werden, ist bekannt. Auch über die Verlegung der uigurischen Gefangenen innerhalb Chinas ist berichtet worden.

Deutsche Firmen weisen die Verbindungen zurück. Ein Sprecher von Bosch sagte dem Tagesspiegel, man habe „keine Kenntnis“ über ein Kooperations- oder Lieferantenverhältnis mit Firmen, die uigurische Zwangsarbeiter einsetzen – weder aktuell noch in der Vergangenheit. Auch Adidas kommentiert: „Uns lagen diesbezüglich keine Erkenntnisse vor.“ Mit keinem der in der Studie genannten Unternehmen habe man ein Vertragsverhältnis gehabt.

Sowohl Adidas als auch Bosch teilten dem Tagesspiegel mit, die Einhaltung von Menschenrechten werde stichprobenhaft überprüft. Volkswagen bekräftigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP seine Verantwortung in allen Bereichen, in denen der Konzern über „direkte Autorität“ verfüge.

Deutsche Firmen können nicht definitiv ausschließen, dass Zulieferer Zwangsarbeiter einsetzen

Definitiv ausschließen, dass auch Zwangsarbeiter für ihre Zulieferer arbeiten, können deutsche Firmen, die in China tätig sind, aber offenbar auch nicht. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sagte dem Tagesspiegel, es sei schwierig, Zulieferketten erschöpfend zu überprüfen: „Je weiter weg Zulieferer in allen nächsten Stufen sind, umso schwieriger ist es für unsere Unternehmen, deren Prozesse nachzuvollziehen.“

Mehr als eine Million Uiguren kamen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen seit 2017 in Umerziehungslager in Xinjiang. Die Regierung in Peking leugnete die Existenz dieser Lager zuerst, mittlerweile spricht sie von „Berufsbildungszentren“ zur Deradikalisierung. Sie wirft uigurischen Gruppen Separatismus und Terrorismus vor. Recherchen wie die „China Cables“ belegen die systematische Unterdrückung und Verfolgung der muslimischen Minderheit in China.

FDP-Abgeordnete fordert „menschenrechtliche Sorgfalt“ von Unternehmen

Gyde Jensen, FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte, sieht jetzt vor allem die betroffenen Firmen in der Verantwortung: „Unternehmen haben eine ethische Verantwortung, die menschenrechtliche Sorgfalt in den eigenen Lieferketten zu untersuchen.“

Gyde Jensen (FDP) sieht Unternehmen in der Pflicht, ihre Lieferketten sorgsam zu prüfen.
Gyde Jensen (FDP) sieht Unternehmen in der Pflicht, ihre Lieferketten sorgsam zu prüfen.

© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Auch Margarete Bause, Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der Grünen-Bundestagsfraktion, fordert eine strengere Überwachung der Lieferketten und ein Lieferkettengesetz. Eckpunkte für ein solches Gesetz werden derzeit zwischen Bundesentwicklungsministerium und Bundesarbeitsministerium verhandelt.

Bause forderte die Bundesregierung auf, mit den betroffenen deutschen Unternehmen in Kontakt zu treten: „Diese müssen nachweisen, dass sie weder direkt noch indirekt von Zwangsarbeit profitieren“, sagte sie. Der Industrieverband BDI appellierte an die Bundesregierung, „etwaige Mängel im Schutz der Menschenrechte in China politisch zu adressieren“.

Uiguren-Vertretung: „China muss endlich zur Verantwortung gezogen werden“

Der Weltkongress der Uiguren, der das Volk im Ausland vertritt, teilte dem Tagesspiegel mit: „China muss endlich für seine gravierenden Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden.“ Zudem fordert er von der Politik, dass diese sich „in der UN für die Entsendung einer unabhängigen Fact Finding Mission“ in die chinesische Provinz Xinjiang einsetze. Die Region Xinjiang ist isoliert. Menschen, die sich in der Region aufhalten, werden engmaschig kontrolliert und überwacht.

Ein Sprecher der chinesischen Regierung wies die Vorwürfe, die sich aus der Studie ableiten, zurück. Das Institut ASPI werde von der US-Regierung und Waffenhändlern finanziert, die Studie habe das Ziel, „unsere Antiterrorismus- und Deradikalisierungs-Bemühungen herabzuwürdigen.“ Das australische Forschungsinstitut finanziert sich teilweise aus Zuwendungen des australischen Verteidigungsministeriums.

Eine weitere in der Studie genannte Firma ist die französische Kleidungsmarke Lacoste. Laut Associated Press hat sie Handschuh-Lieferungen aus einer der betroffenen Fabriken gestoppt, nachdem sie von dem Bericht erfuhr. 95 Handschuh-Paare seien bereits in Frankreich verkauft worden, der Rest sei in ein Depot gebracht worden.

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