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Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Bundesfinanzminister.

© dpa/Jörg Carstensen

Zwei, die sich lieben?: Wenn Christian Lindner mit der SPD flirtet

An diesem Mittwoch ist Koalitionsausschuss. Bei einem Auftritt unter Sozialdemokraten gibt sich der FDP-Chef zuvor freundlich, aber auch freiheitlich. Und redet über grünes Licht.

Wenn zwei sich mögen, haben Dritte ein Problem. In der Ampel sind es die Grünen, die sich mittlerweile in der Rolle wiedergefunden haben. An diesem Mittwochabend geht der nächste Koalitionsausschuss über die Bühne, gut drei Wochen nach der dreitägigen Langenstreckenversion nun also Nachklappsitzung. Man will sich abermals verständigen bei alten wie neuen Konfliktthemen, heißt es.

Da traf es sich gut für Christian Lindner, dass er am Dienstag einen Auftritt hatte beim Wirtschaftsforum der SPD. Der „unternehmerische Berufsverband an der Seite der Sozialdemokratie“ (Eigenbezeichnung) ist weltanschaulich eher anschlussfähig an die FDP als an die Grünen. Nicht ganz Heimaterde für den Finanzminister zwar, aber reizvoll genug, die derzeit engere Nähe zur SPD in die neuen Koalitionsgespräche hinein auf diesem Weg zu dokumentieren.

Lindner machte es philosophisch. Sozialdemokraten und Liberale hätten eine wichtige Gemeinsamkeit, historisch betrachtet, bei allen Gegensätzen: Sie seien Materialisten. Oder in Lindners Worten: „Sozialdemokraten und Liberalen ist klar, dass eine Gesellschaft eine materielle Grundlage hat.“ Sie beschäftigten sich nicht so sehr mit „übernatürlichen Fragen oder dem Jenseitigen“.

Die Wirtschaft will keine Subventionen, sondern grünes Licht.

Christian Lindner, FDP-Chef

Freilich ist Lindner das Predigen auch nicht ganz fremd. So nah ist er der Sozialdemokratie dann doch nicht, dass er die deutlich marktwirtschaftlichere Herleitung der materiellen Grundlagen in seiner FDP weggelassen hätte bei der Freundschaftsbekundung, die zudem auch Wirkung bei den Dritten haben sollte. Ohne Wachstum läuft nichts, so sein Credo, denn eine „stagnierende Gesellschaft“ könne ihre materielle Situation nicht verbessern.

Mehr Freiheit, mehr Offenheit

Was aber behindert Wachstum? Bei Arbeitskräftemangel und zu wenig Investitionen hat er die Ampel-Partnerinnen hinter sich. Investitionen durch höhere Staatsverschuldung? Da beansprucht die FDP das exklusive Nein. So wie sie beim Fördern der Wirtschaft auch jene Haltung allein für sich reklamiert, die freundlich „laisser faire“ genannt wird, in der SPD und bei Grünen aber auch „Manchesterkapitalismus“.

„Die Wirtschaft will keine Subventionen“, weiß Lindner, „sondern grünes Licht, um ihre Vorhaben realisieren zu können.“ Also weniger Bürokratie, weniger staatliche Vorgaben und Hindernisse. „Grünes Licht kostet nichts“, gibt der Finanzminister zu bedenken. Man fühlt fast, wie er sich freut, diesen Merksatz auch im Koalitionsausschuss vorzutragen. Gerade der Grünen wegen.  

Mehr Freiheit also. Daher Technologieoffenheit. Lindner ist sicher, dass es richtig sei, den Verbrennermotor nicht „verfrüht“ zu verbieten. Transformation – auch gut, aber nicht so, dass die Unternehmen nicht mitkommen. Ein integrierter Kapitalmarkt in der EU, befreiend für die Kreditversorgung im globalen Wettbewerb.

Und Verbriefungen lobt Lindner auch, also jenes Finanzvehikel, dass ein Auslöser der Finanzkrise 2008 war, weil auf diesem Weg toxische US-Immobilienkredite im Huckepackverfahren ihren Weg in die ganze Welt fanden. Ein „eigentlich sinnvolles Instrument“, so Lindner, der es wohl gern wieder stärker genutzt und weniger reguliert sähe.

Geld sei im Übrigen genug da, er fürchte die Konkurrenz des „Inflation Reduction Act“ der amerikanischen Regierung gar nicht so. Die dort vorgesehenen 369 Milliarden Euro seien weniger als das, was in der EU für Klimaschutzförderung in den kommenden Jahren geplant sei. Bei den Grünen ist das US-Projekt dagegen Vorbild und Anlass, mehr Geld für den besagten Zweck zu verlangen.

Lindner überließ es seinem Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer, im SPD-Wirtschaftsforum zu erklären, wie viel Geld tatsächlich vorhanden ist: Im Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung seien im vorigen Jahr wieder nur 48 Prozent der Planmittel abgeflossen, sagt der Spitzenbeamte. Es bleibt also viel Geld ungenutzt liegen und wartet quasi aufs nächste Jahr. Der Grund? Mangel an grünem Licht, hätte Lindner gesagt. Der Staatssekretär formuliert es so: Förderzwecke seien schnell gefunden, aber das Ausarbeiten der Förderrichtlinien brauche eben Zeit.

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