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Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter.

© Bernd Settnik/dpa

Abschiebepraxis in Brandenburg: „... um die Quote zu erreichen“

Abschiebezoff im rot-roten Brandenburg: Bei einer Debatte im Landtag sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Donnerstag nur die halbe Wahrheit.

Stand:

Potsdam - Es war eine Antwort des Ministers nach dem rot-roten Abschiebezoff der letzten Tage, am Rednerpult im Plenarsaal des Landtages, die nahe an einer Lüge war. Zumindest sagte der Innenminister der rot-roten Landesregierung Brandenburgs, Karl-Heinz Schröter (SPD) nur die halbe Wahrheit, als er sich am Donnerstag im Parlament erstmals selbst zu dem umstrittenen Abschiebeschreiben seines Ministeriums an die Landkreise vom 17. März geäußert hat. In einer dringlichen Anfrage hatte die Linke-Abgeordnete Andrea Johlige gefragt, wie eine solche Quote mit dem jüngsten Landtagsbeschluss vereinbar sei, wonach bei Abschiebungen jeder Einzelfall sorgfältig zu prüfen sei und die Behörden ihre Ermessensspielräume nutzen sollen.

In der Antwort tat Schröter so, als ob das Schreiben – die PNN berichteten mehrfach – keine solche Abschiebe-Aufforderung enthalte. Er sprach von „ein paar Missverständnissen“. Er habe mit dem Schreiben die Ausländerbehörden lediglich darauf hinweisen wollen, dass es keine Grundlage für erhöhte Vergütungen für Abschiebungen durch das Land gebe, weil nicht einmal die vor 20 Jahren für die Kostenerstattungssätze kalkulierten Zahlen erreicht würden. Es habe Forderungen aus den Kreisen an das Land gegeben, zuletzt von Elbe-Elster, mehr Geld für Abschiebungen zu bekommen.

Hier können Sie das Schreiben auszugsweise lesen >>

Von dem Schreiben wollte Schröter nichts zurücknehmen

Und Schröter sieht, wie er im Plenum sagte, auch keinen Widerspruch zum Landtagsbeschluss. Er könne versichern, dass all die Dinge, die dort gefasst wurden, selbstverständlich getan werden – vor Abschiebungen. Er verwies auf die Praxis bei Asylverfahren, wonach es „zunächst die gründliche Prüfung des Falls, danach die Entscheidung und danach die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit gibt“. Wenn der Asylantrag dort ebenfalls abgelehnt werde, folge die freiwillige Ausreise. „Und wenn das alles durchgeprüft und nicht möglich ist, bleibt als Ultima Ratio die Abschiebung“, sagte Schröter, und wandte sich direkt an Johlige: „Sie müssen also keine Angst haben, dass hier irgendjemand den Ausländerbehörden eine Quote ins Gepäck legen will.“ Die Kollegen in den Kreisen müsse man aber gelegentlich daran erinnern, wie die Refinanzierung geregelt sei.

Während seines Auftritts nahm Schröter von dem Schreiben nichts zurück. Und er sieht auch keinen Grund, wie er auf Nachfrage Johliges betonte, gegenüber den Kommunen irgendetwas klarzustellen. „Wer den Brief gelesen hat, außer er will damit Klamauk produzieren, der weiß zweifelsfrei, worum es geht. Deswegen muss man nicht einen erklärenden Brief nachschicken.“ Johlige gab sich damit zufrieden, obwohl Schröter mit keinem Wort auf die entscheidende Passage des Schreibens eingegangen war. Er tat so, als gäbe es sie nicht. Es war der CDU-Abgeordnete Björn Lakenmacher, der wörtlich den Schlussabsatz des Schreibens zitierte, bei dem es im Gegensatz zum Auftritt Schröters eben nicht allein um Kostenerstattungen für Abschiebungen ging. Zitat: „Es ist gleichzeitig festzustellen, dass die Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber an Bedeutung gewonnen hat“, heißt es darin. „Vor diesem Hintergrund bitte ich dringend darum, neben der Beratung zur freiwilligen Rückkehr auch die Anstrengungen zur zwangsweisen Rückführungen zu intensivieren, um die seinerzeit errechnete Quote zu erreichen.“ Der CDU-Abgeordnete lobte den Minister für das Schreiben. „Vielen Dank! Weiter so!“

Kürzlich war ein Afghane aus Brandenburg/Havel abeschoben worden

Zu dem Schreiben mit der Abschiebeaufforderung passte die jüngste Abschiebung eines jungen Afghanen, der am Montag vergangener Woche von seinem Arbeitsplatz in Brandenburg/Havel abgeholt und zu einem Sammeltransport nach München gebracht worden war. Im Landtag musste sich Schröter dazu ebenfalls rechtfertigen. Auch in diesem Fall habe es eine intensive Prüfung gegeben, antwortete Schröter auf Fragen von Johlige und der Grünen-Abgeordneten Ursula Nonnemacher. Auch das Verwaltungsgericht habe in einem Eilverfahren keinen Grund für eine weitere Duldung des abgelehnten Asylbewerbers festgestellt. Gegen die Abschiebung aus dem rot-roten Brandenburg nach Afghanistan hatte auch die Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Doris Lemmermeier, protestiert. Vor Schröter gab es in Brandenburg schon einmal einen Innenminister, der nach solchen Fällen in die Kritik geriet. Das war Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). (mit dpa)

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Mahmood Amiri floh mit seiner Familie aus Afghanistan. Jetzt sollen sie abgeschoben werden - der Fall aus Potsdam steht exemplarisch für eine heftige Debatte.

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