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Untersuchungsbericht zum BER-Chaos: 1269 Seiten Drama
Am Skandal um Milliardenkosten und Terminverschiebungen am unvollendeten Flughafen sind alle Beteiligten Schuld. Die wichtigsten Erkenntnisse des Untersuchungsberichts zum BER-Debakel.
Stand:
Persilschein und Anklage zugleich: Am Mittwoch hat der Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zum BER-Desaster seinen Abschlussbericht veröffentlicht – insgesamt 1269 Seiten, Drucksache 17/3000. Wir dokumentieren die wichtigsten Inhalte aus dem SPD/CDU-Mehrheitsbericht – und den Voten der Opposition von Grünen, Linken und Piraten.
WER BELOG DEN AUSSCHUSS?
Der unvollendete Hauptstadtflughafen in Schönefeld könnte erneut ein Fall für die Staatsanwaltschaft werden. Und zwar diesmal wegen der möglichen Falschaussage eines prominenten Zeugen vor dem BER-Untersuchungsausschuss. In dem Bericht wird explizit der Verdacht geäußert, dass der langjährige frühere Flughafenmanager Rainer Schwarz den Untersuchungsausschuss und vorher das Landgericht Berlin im Prozess gegen um seine Kündigung belogen haben könnte.
Der frühere Aufsichtsratsvorsitzende und ehemalige Berliner Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) – wie auch der gesamte Aufsichtsrat, seit 2011 ist dort auch Innensenator Frank Henkel (CDU) Mitglied – kommt hingegen zumindest im von SPD/CDU-Koalitionären beschlossenen Ausschussbericht (578 Seiten) glimpflich davon. Die Grünen und der Ausschussvorsitzende Martin Delius werfen in ihren Sondervoten der Koalition vor, politisch Verantwortliche zu decken, die Linken sind zurückhaltender.
Der brisante Passus findet sich, etwas versteckt, im Mehrheitsbericht. Es geht um ein länger bekanntes Schreiben der am Probetrieb beteiligten Unternehmensberatung McKinsey, die am 15.März 2012 den Flughafenchef vor der gefährdeten BER-Eröffnung gewarnt hatte. Als die am 8. Mai 2012 tatsächlich abgeblasen wurde, hatte Wowereit wie alle Verantwortlichen erklärt, davon überrascht worden zu sein. Nun heißt es dazu im Untersuchungsbericht: „Die Aussage des Zeugen Prof. Dr. Rainer Schwarz, er habe den Aufsichtsratsvorsitzenden über das Schreiben von McKinsey unterrichtet, steht in offenem Widerspruch zur Aussage des Zeugen Wowereit.“
Verwiesen wird darauf, dass Schwarz im Abgeordnetenhaus am 18. Mai 2012 den Umstand, der ihn entlastet hätte, nicht erwähnt hatte. Die Schlussfolgerung: „Hieraus folgt, dass Prof. Dr. Schwarz die Unterrichtung des Aufsichtsratsvorsitzenden entweder zunächst bewusst verschwiegen, oder vor dem Untersuchungsausschuss ebenso wie vor dem Landgericht Berlin wahrheitswidrig behauptet hat.“ Eine endgültige Klärung habe „offenbleiben“ müssen, „da eine Konfrontation des Zeugen Wowereit mit der Aussage des Zeugen Prof. Dr. Schwarz nicht mehr erfolgte.“
WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG?
Der 2012 eingesetzte Untersuchungsausschuss hatte den Auftrag zur „Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER)“, wie das Dokument offiziell heißt. Es waren 70 Zeugen vernommen worden.
In seiner „zusammenfassenden Bewertung“ kommt der SPD/CDU-geprägte Bericht nun zum Fazit, dass keiner klar verantwortlich gemacht werden kann. Darin heißt es unter der Überschrift „Geteilte Verantwortlichkeiten“: „Angesichts des katastrophalen Projektverlaufs ist sich der Ausschuss bewusst, dass ein großes öffentliches Interesse an einer klaren Benennung von Verantwortlichen besteht. Seriöserweise kann jedoch in einem derart komplexen Projekt nur von einer Verflechtung geteilter Verantwortlichkeiten gesprochen werden. Es ist den Projektbeteiligten nicht gelungen, die Terminverschiebungen zu verhindern oder den Projektverlauf geordneter zu gestalten. Zugleich wäre es einseitig, die Hauptverantwortung einem einzelnen Beteiligten aufzubürden “
Ursachen der Terminverschiebungen und Bauprobleme seien etwa viele Planungsänderungen: „Die Anlässe, die jeweils zur Aufhebung der Inbetriebnahmetermine 30. Oktober 2011 und 3. Juni 2012 führten, sind daher lediglich als Auslöser vor dem Hintergrund eines insgesamt gestörten Planungs- und Bauablaufs zu sehen.“ An anderer Stelle ist vom „Verantwortungsvakuum“ die Rede. Ein weiteres Fazit hat diese Überschrift: „Kollektiver Wirklichkeitsverlust“. Darunter ist zu lesen: „Losgelöst von den jeweiligen Einzelverantwortlichkeiten lässt sich die Häufung von Fehlentscheidungen und Fehlinformationen nur unter Berücksichtigung einer Unternehmens- und Projektkultur erklären, die Anzeichen für Fehlentwicklungen und teils alarmierende Warnungen externer Stellen systematisch ausblendete. Insbesondere im Vorfeld des zweiten Inbetriebnahmetermins 3. Juni 2012 ergibt sich das Bild eines Kollektivs, das trotz aller kritischen Anzeichen den unbedingten Glauben an eine rechtzeitige Fertigstellung teilte, und die Möglichkeit einer Verfehlung des Inbetriebnahmetermins konsequent ausgeblendet hatte.“
FEHLER DER GESCHÄFTSFÜHRUNG
Wenn es Versäumnisse gegeben habe, dann aus Sicht von SPD und CDU vorwiegend bei der Geschäftsführung, also bei den früheren Flughafenmanagern Rainer Schwarz und Manfred Körtgen. „Bereits aus rechtlichen Gründen ist bei der Geschäftsführung eine übergeordnete Verantwortung für den Gesamtverlauf des Projektes anzusiedeln.“ Deren Versagen wird so begründet: „Die Geschäftsführung verantwortet unternehmerische Abwägungsentscheidungen.“ Hierzu zählten „der fehlgeleitete Umgang mit Planungsänderungen, die unzureichende Beauftragung von Projektsteuerungs- und Bauüberwachungspersonal, die mangelhafte Risikoabwägung bei Terminfestlegungen“ sowie mit der Kündigung der Planungs- und Überwachungsgesellschaft pg bbi. „Die Geschäftsführung informierte den Aufsichtsrat insbesondere im Zeitraum bis Mitte 2012 nicht angemessen, sowohl was den Bauverlauf als auch was die Kosten angeht. Im Fall des für die Aufsichtsratssitzung am 20. April 2012 erstellten Controllingberichts konnte der Untersuchungsausschuss eine klare Täuschungsabsicht der Geschäftsführung – bzw. des Technischen Geschäftsführers Manfred Körtgen – nachweisen. Es erfolgte ein systematisches Ignorieren und Unterdrücken von negativen Informationen.“ Ein weiteres Versagen der Geschäftsführung bestehe darin, „dass das Klima innerhalb der Geschäftsführung geprägt war von fehlender Kollegialität und von Machtkämpfen“.
UND DER AUFSICHTSRAT?
Im Gegensatz zum Management kommt der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft glimpflich weg – anders als voriges Jahr im Prüfbericht des unabhängigen Brandenburger Landesrechnungshofes, der dem Kontrollgremium Versagen attestiert, dies auf die Dominanz von Regierungsmitgliedern im Gremium zurückgeführt und eine Wiederholung der Haftungsprüfung angeregt hatte. Der Untersuchungsausschuss kommt mit der Koalitionsmehrheit zum Ergebnis, dass die Kontrolleure ausreichend kontrolliert haben.
KRITIK AN BRANDENBURG
Kritisiert wird aber BER-Miteigner Brandenburg: „Dem Ausschuss ist nicht bekannt, dass die Gesellschafterversammlung eine bessere Informationslage gehabt hätte als der Aufsichtsrat. Fraglich ist, weshalb der Gesellschafter Brandenburg die übrigen Gesellschafter nicht über die kritischen Hinweise des Bauordnungsamts in der Task Force Brandschutz informiert hat.
UND WOWEREIT?
Am Aufsichtsrat, vor allem am damaligen Vorsitzenden Klaus Wowereit, wird nur sparsam Kritik geübt – etwa an der zu kurzfristigen Festsetzung des 3. Juni 2012 als Eröffnungstermin durch den Aufsichtsrat, nachdem die Inbetriebnahme 2011 verschoben werden musste. Oder, dass Wowereit eine Umplanung bei Fluggastbrücken durchsetzte, damit der Großflieger A 380 andocken konnte, obwohl dies nach Warnungen für die nächsten eineinhalb Jahrzehnte völlig unrealistisch war.
WAS LEHRT UNS DAS?
Der Bericht enthält auch Empfehlungen und Schlussfolgerungen für Großprojekte wie den BER. Empfohlen werden die „Schaffung solider Projektstrukturen zu Beginn von Bauprojekten“, ein „Realistischer Umgang mit Planungsänderungen“ und „Kostenehrlichkeit“. Wichtig sei auch die Zusammensetzung des Aufsichtsrates: „Dabei ist es unerlässlich, dass die politischen Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat vertreten sind, da sie die politische Verantwortung für das Projekt tragen. Es ist sicherzustellen, dass ausreichend qualifizierter Sachverstand im Aufsichtsrat vorhanden ist, um die Arbeit der Geschäftsführung fachgerecht einschätzen zu können.“ Berlin ist aktuell im Kontrollgremium allein mit Regierungsmitgliedern vertreten.
In diesen Wochen, wo die nächste, die fünfte Verschiebung einer Eröffnung bevorsteht, liest sich manche Passage im offiziellen Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses sehr aktuell. Zum Beispiel diese: „Nichteinhaltung von Meilensteinen - Eckdaten der Baufertigstellung waren in den Rahmenterminplänen der Projektsteuerung als sogenannte Meilensteine abgebildet. Diese wurden mehrfach nicht eingehalten.“
Der Rahmenterminplan der Projektsteuerung wies für die Bauausführung der Halle im Fluggastterminal als Meilenstein die Fertigstellung der Bereiche für den Basisprobebetrieb den 24. November 2011 aus. Dieser wurde nicht erreicht, sondern musste mehrfach eingeschränkt und verschoben werden.
Ein weiterer dieser Meilensteine war etwa die Herstellung der vollautomatischen Steuerung der Entrauchungsanlage durch die Brandmeldeanlage. Die Arbeiten an der Entrauchungsanlage kamen im Dezember 2011 endgültig zum Stillstand, da sich die von der pg bbi gelieferte Brandfallsteuermatrix als fehlerhaft erwies. Die Nichteinhaltung des Meilensteins „Vollautomatik“ stand daher nach Aussage des Zeugen und Ex-Projektleiters Joachim Korkhaus vor Weihnachten 2011 fest.
Weitere Meilensteine waren die Baufertigstellung des Mainpiers Nord bis 30. November 2011, die Baufertigstellung des Fluggastterminals bis 31. Januar 2012 und der inbetriebnahmerelevanten Systeme für den Integrationsprobebetrieb bis 6. Februar 2012. Die Projektsteuerung bestätigte mit Schreiben vom 14. März 2012 gegenüber der Bereichsleitung Planung und Bau in der Flughafengesellschaft, dass diese Meilensteine sämtlich nicht eingehalten wurden. „Dasselbe gilt für die auf den 13. März 2012 verschobene Bereitstellung von Teilen der Infrastruktur für den Probebetrieb.“ Am BER sind seit einem halben Jahr alle relevanten Meilensteine gerissen worden.
FORDERUNG NACH SCHADENERSATZ
Schärfere Kritik vor allem an den politisch Verantwortlichen findet sich in den Sondervoten der Oppositionsvertreter im Ausschuss. Im Sondervotum der Linken wird gefordert, die früheren Manager und Aufsichtsräte doch noch in Regress für das Milliardendesaster zu nehmen. „Das Land Berlin sollte eine Haftungsprüfung für noch nicht verjährte Sachverhalte und Verfehlungen der Geschäftsführer Schwarz und Körtgen vornehmen und die Ergebnisse dem Parlament zur Kenntnis geben. Insbesondere kollektive Gesamtverantwortung der Geschäftsführer sollte überprüft werden.“ Und: „Eine Haftungsprüfung sollte auch für die Tätigkeit des AR hinsichtlich der Absage des Eröffnungstermins 03. 06. 2012, der Kündigung der pg bbi und der Festsetzung der Eröffnungstermine auf den 17. 03. 2013 bzw. 27. 10. 2013 vorgenommen werden.“
Die Passagen zum Ex-Vorsitzenden Klaus Wowereit (SPD) sind allerdings noch zurückhaltend formuliert. „In der Person des Regierenden Bürgermeisters Wowereit flossen alle Verantwortlichkeiten und Pflichten als Regierungschef, Gesellschafter, Vorsitzender des Aufsichtsrats, Vorsitzender des Präsidialausschusses und Mitglied im Projektausschuss des Aufsichtsrats sowie als Sitzungsleiter der Gesellschafterversammlung zusammen. Sein hohes Engagement für den BER und die Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters gegenüber Senatoren, die politische Rangfolge von Staatssekretären und insbesondere die dienstrechtliche Unterordnung von Referenten der Verwaltung führten zu einer Dominanz der persönlichen Meinung Wowereits, die nicht mehr kritisch infrage gestellt wurde. Wowereit selbst entwickelte in dieser Konstellation nur unzureichende Sensibilität zu Mechanismen der Kontrolle und Selbstkontrolle.“
Insbesondere seine Rolle bei Personalien wie das lange Festhalten an Manager Schwarz werden gerügt. Dem Aufsichtsgremium selbst, in dem die Linken bis 2011 mit Senator Harald Wolf vertreten waren, und aus Brandenburg von 2009 bis 2014 die Linke-Ministern Ralf Christoffers und Helmuth Markov, stellt das Sondervotum folgendes Zeugnis aus: „Die Tätigkeit des Aufsichtsrats ist trotz seiner hochrangigen Besetzung als kritikwürdig zu bezeichnen. Er ließ es jahrelang zu, dass wichtige Aufsichtsratsvorlagen nicht rechtzeitig, als Tischvorlagen oder gar nicht durch die Geschäftsführung geliefert wurden. In mehreren Fällen übernahm der Aufsichtsrat die Verantwortung für Entscheidungen, die eindeutig der Sphäre der Unternehmensführung durch die Geschäftsführung zuzuordnen wären (1. Verschiebung, Kündigung pg bbi, Festlegung der Eröffnungstermine 17. 03. 2013 bzw. 27. 10. 2013).
Wichtige und folgenreiche Entscheidungen erfolgten auf einer unzureichenden Informations- und Entscheidungsgrundlage (z.B. die Umsetzung der EU-Sicherheitsrichtlinie). Und: „Der Aufsichtsrat unterließ es in wesentlichen Punkten, seinen eigenen Beschlüssen zu folgen und diese regelmäßig zu kontrollieren“
„Der Aufsichtsrat ließ es zu, dass der Geschäftsführer Schwarz sich in seinem Selbstverständnis einer Gesamtverantwortung für das Unternehmen FBB und damit auch für den Bau des BER als einem wesentlichen Unternehmenszweck zu entziehen versuchte.“ Der Aufsichtsrat habe es auch hingenommen, dass Geschäftsführer Körtgen wesentliche Aufgaben eines Geschäftsführers auf ihm nachgeordnete Personen übertrug.
„Der Aufsichtsrat unterließ es, die Informationswege innerhalb der FBB und die darauf aufbauende Berichterstattung an den Aufsichtsrat, trotz vorhandener Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen (...) einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen. Er war damit auf das bloße Vertrauen in die von der Geschäftsführung dargelegten Informationen angewiesen.“
RUF NACH DEM RECHNUNGSHOF
Auch die Grünen fordern in ihrem Sondervotum als eine Konsequenz aus dem BER-Fiasko, frühere Geschäftsführung und Aufsichtsrat in Regress zu nehmen und den Rechnungshof einzuschalten, der den BER bislang nicht geprüft hat: „Haftungsfrage prüfen: Für mögliche Fehlentscheidungen der Vergangenheit, insbesondere das Krisenmanagement von 2012, die Bewilligung von Beschleunigungsmitteln, als es bereits zu spät war, und die Festlegung unrealistischer Eröffnungstermine des Flughafens, muss erneut eine mögliche Haftung der verantwortlichen Geschäftsführer und Aufsichtsrate geprüft werden.“
Bei künftigen Projekten müssten Umplanungen vermieden werden. Defizite sehen die Grünen in der Kontrolle und Steuerung des Projektes, die bis heute nicht abgestellt sind. „Nach wie vor verfügt der für Überwachung des BER-Projekts zuständige Aufsichtsrat über zu wenige Mitglieder mit der erforderlichen Kompetenz, Erfahrung und fachlichen Unterstützung durch kompetente Mitarbeiter. Gleiches gilt für die Gesellschaftervertreter und das Bürgencontrolling. Selbst Informationen an das Parlament werden durch den Senat nur unter Vorbehalt gegeben. Möglicherweise kann der Senat die Richtigkeit, etwa der Beantwortung schriftlicher Anfragen von Abgeordneten zum BER-Projekt, nicht selbst beurteilen. Diese Struktur ist kurzfristig verbesserungsbedürftig.
Scharf kritisieren die Grünen, dass der Abschlussbericht durch die Regierungsmehrheit bestimmt und verabschiedet wird. „Im vorliegenden Abschlussbericht BER, aber auch im parallel dem Parlament vorgelegten Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses Staatsoper, fuhrte dies zu politisch motivierten Veränderungen der Berichtsentwurfe.“
Und: „Dies betraf in erster Linie Hinweise, die im weitesten Sinne als Kritik am Handeln von Mitgliedern des Senats, insbesondere des damaligen Regierenden Bürgermeisters und FBB-Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Wowereit gewertet werden konnten. Weil aus Fehlern nur lernt, wer sie auch benennt, haben wir einige kritische Punkte aufgelistet, die im Ausschussbericht fehlen oder zu knapp wegkommen. Z.B. die mangelnde Sitzungsvorbereitung der Mitglieder des Aufsichtsrates, die Probleme der Gesellschafterversammlung oder auch die Kritik von Transparency International an der Praxis der vielen Nachträge von Firmen am BER.“
Die Frage, ob der Senat versagt habe, beantworten die Grünen so: „Dem Senat sind schwere Fehler unterlaufen. Die fehlende Kritik- und Fehlerkultur in der Flughafengesellschaft, die die aufgetretenen Probleme letztlich massiv verschärfte, fand ihre Fortsetzung bei Parlamentariern der Regierungskoalition, die die Aufarbeitung des BER-Debakels mit einem persönlichen Angriff auf den ehemaligen Regierenden Bürgermeister Wowereit verwechselten. Einer Sachaufklärung im Sinne von präventiv Ursachen und Zusammenhänge zu identifizieren, damit vergleichbares vermieden werden kann, war dies nicht dienlich.“
BRISANTE DETAILS DES VORSITZENDEN
Der frühere Piraten-Abgeordnete Martin Delius hat den BER-Untersuchungsausschuss geleitet und maßgeblich geprägt. Sein Sondervotum fällt am kritischsten aus und kommt mit 300 Seiten einem eigenständigen Abschlussbericht gleich.
Das Deckblatt zeigt die Airportbaustelle, die Überschrift „1462 Days later“. Das Votum enthält brisante Details, die im offiziellen Bericht nicht enthalten sind. Mit dem Versagen von Aufsichtsrat und Geschäftsführung wird schonungslos abgerechnet. Delius kritisiert in seinem Sondervotum, dass SPD und CDU im Mehrheitsbericht versuchen, die „offizielle Lesart“ von Wowereit und Flughafengesellschaft zu verfestigen. Die Koalition habe zudem verhindert, dass mit dem Sondervotum das Haftungsgutachten zum früheren Aufsichtsrat veröffentlicht wird.
„Diese Entscheidung der Koalition ist aus zweierlei Sicht skandalös: Zum einen nimmt sie Einfluss auf den Inhalt eines oppositionellen Votums, sie zensiert dessen Inhalt und nimmt dadurch Einfluss auf einen Bereich, der ihr vor dem Hintergrund demokratietheoretischer und parlamentarischer Überlegungen nicht zusteht. Zum anderen ist es ein mehr als deutlicher Beleg dafür, dass es den Vertretern von SPD – Ole Kreins, Frank Zimmermann und Renate Harant – und denen der CDU – Stefan Evers und Oliver Friederici – im Untersuchungsausschuss nicht um Aufklärung des BER-Debakels ging, sondern darum, die Verantwortlichen zu decken. Dass diese Koalitionsvertreter dabei auch noch in die Rechte der Opposition eingreifen, ist ein Armutszeugnis sondergleichen.“
Der frühere Flughafengeschäftsführer Schwarz sei „eines der einprägsamsten Beispiele für die von uns in der Einleitung angeführte Unfähigkeit, Arroganz und Uneinsichtigkeit. Nicht nur, dass sein lautes und dreistes Auftreten vor dem Untersuchungsausschuss völlig unangemessen war. Auch der von ihm an verschiedenen Stellen immer wieder vorgetragene Hinweis, als Sprecher der Geschäftsführung sei er für den Bau des Flughafens nicht verantwortlich gewesen, ist, vorsichtig ausgedrückt, verlogen und lächerlich“, heißt es. „Als Geschäftsführer ist Schwarz neben Körtgen einer der Hauptverantwortlichen für das Desaster. Allerdings blieben sein Versagen und seine Pflichtverletzungen für ihn ohne weitreichende Folgen.“
So habe das Haftungsprüfungsgutachten Pflichtverletzungen der Geschäftsführung festgestellt, „für die diese bis heute nicht belangt wurde.“
Als fatal rügt Delius die überstürzte Kündigung des Generalplaners pg bbi durch Geschäftsführung und den damaligen Aufsichtsrat. „Die Risiken, die durch eine Trennung von der pg bbi im Mai 2012 geschaffen wurden, waren innerhalb der Gremien der Flughafengesellschaft auch schon zum Zeitpunkt der Trennung bekannt. Es lag sogar eine deutliche schriftliche Warnung der von der Flughafengesellschaft mit dem Trennungsprozedere beauftragten Rechtsanwaltskanzlei hierzu vor.“ Eine dokumentierte Folge sei ein monatelanger Stillstand auf der BER-Baustelle, „der durch diese verhängnisvolle Entscheidung des Aufsichtsrates unter Klaus Wowereit herbeigeführt wurde“.
Die Entscheidung des Aufsichtsrats erweise sich in der Rückschau als „äußerst schädlich für das gesamte Projekt“. Dass Wowereit die Trennung von der pg bbi dennoch im Nachhinein als richtig bezeichnet habe, deute „auf einen deutlichen Realitätsverlust hin“.
Zugleich werden schwere Kontrolldefizite angeprangert. „Die von der Senatsverwaltung für Finanzen herausgegebenen Hinweise für die vom Land Berlin in Unternehmen entsandte Aufsichtsratsmitglieder lassen eine tiefer gehende Aufsicht und Kontrolle über die Flughafengesellschaft eindeutig zu.
Die Aufsichtsratsmitglieder Klaus Wowereit und Frank Henkel nutzten diese gegebenen Möglichkeiten offensichtlich nicht. So wäre die Hinzuziehung externer Sachverständiger, die den Aufsichtsrat bei seiner Tätigkeit bzw. einzelne Mitglieder des Gremiums unterstützen, jederzeit möglich gewesen“, heißt es. „Dabei hätte insbesondere Frank Henkel die Begleitung durch externe Sachverständige für seine Aufsichtsratstätigkeit benötigt. Wie schlecht die Vertreter des Landes Berlin im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft zusammen arbeiteten, wird durch die dokumentierten wiederholten Klagen aus der Senatsverwaltung für Inneres deutlich. Wowereit und Henkel kamen den Hinweisen der Senatsverwaltung für Finanzen für vom Land Berlin entsandte Aufsichtsratsmitglieder offenbar nicht nach, sich über eine gemeinsame Auffassung über die Unternehmensaufsicht zu verständigen.“
Miserable Noten bekommt auch das Krisenmanagement seit 2012. „Das von Hartmut Mehdorn im Verbund mit der Unternehmensberatung Roland Berger ins Leben gerufene Projekt Sprint erweist sich in der Rückschau als wenig erfolgreich. Dokumentiert ist, dass selbst im Aufsichtsrat und seinen Ausschüssen nicht vollständig nachvollzogen werden konnte was mit diesem Projekt letztlich bezweckt werden sollte.“
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