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Polizeireform in Brandenburg: 15 zusätzliche Streifenwagen für das Land

Die Zahl der Autodiebstähle steigt rasant. Jetzt sollen 200 Kriminalbeamte Streife fahren – der Aufwand ist groß, der Effekt gering

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Potsdam - Aufgeschreckt durch die steigende Zahl von Autodiebstählen und Einbrüchen in diesem Jahr, versucht Brandenburgs Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) nun mit mehr Streifenwagen und 200 zur Schutzpolizei abgeordneten Kriminalbeamten gegenzusteuern. Denn Bemühungen im Kampf gegen Grenzkriminalität, Autoschieberbanden und Wohnungseinbrüche haben offenbar wenig gebracht. Trotz personell aufgestockter Sonderkommission „Grenze“ und ständig drei Hundertschaften im Einsatz an der Grenze zu Polen geht das Innenministerium für 2013 von einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen aus.

Doch Holzschuhers Pläne, rund 200 Kriminalbeamte in den Streifendienst zu schicken, dürften nach PNN-Recherchen nur für geringfügige Entlastung bei der Schutzpolizei sorgen. Die ursprüngliche Zielmarke von 150 bis 160 Streifenwagen pro Tag auf Brandenburgs Straßen – die trotz Personalabbau und neuen Organisationsstrukturen zugesichert worden war – würde auch trotz des umstrittenen Abzugs von Kriminalbeamten zur Schutzpolizei nicht erreicht werden.

Nach der internen Berechungsformel des Polizeipräsidiums für den Personalbedarf, aber auch aus Kreisen der Polizeiführung bestätigten PNN-Informationen kämen durch den Einsatz der Kriminalbeamten als uniformierte Beamte im Wach- und Wechseldienst nur 15 zusätzliche Streifenwagen pro Tag hinzu. Bislang sind es, wie aus Polizeikreisen verlautet, im Schnitt zwischen 100 und 120 Fahrzeuge – also deutlich weniger, als vor der Polizeireform versprochen worden war. Mit den 200 Kriminalpolizisten wären es nach dem Berechnungsschlüssel der Polizei zwischen 115 und 135 Streifenwagen am Tag auf Brandenburgs Straßen.

Nach der internen, bereits knapp bemessenen Formel sind 6,5 Stellen nötig, um pro Tag über drei Schichten trotz Urlaub und Krankheit einen Beamten im Streifendienst zu gewährleisten. Weil in den Streifenwagen stets zwei Beamte unterwegs sind, wären dann 13 Beamte nötig. Hochrechnet auf 200 Kripo-Beamte im Wach- und Wechseldienst könnten dann 15 Streifenwagen zusätzlich auf die Straßen geschickt werden. Das wäre pro Polizeiinspektion ein zusätzlicher Streifenwagen.

Innenminister Holzschuher hatte – wie PNN berichteten – in der vergangenen Woche erstmals öffentlich eingeräumt, dass im Wach- und Wechseldienst Personal fehlt und dass im Land zu wenige Streifenwagen unterwegs sind, was in bestimmten Regionen zu Defiziten führe. Es müsse geprüft werden, ob das Personal überall an der richtigen Stelle eingesetzt sei, sagte Holzschuher. „Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es im operativen Bereich – also insbesondere beim Streifendienst – Probleme gibt.“ Nach seiner Ansicht muss dieser Bereich nun deutlich gestärkt werden. „Das Polizeipräsidium hat dazu einen klaren Auftrag von mir bekommen“, sagte Holzschuher. Seine konkreten Pläne will Holzschuher in Kürze vorstellen.

Dass ausgerechnet Beamte der Kriminalpolizei nun Streife fahren sollen, sorgte bei Polizei und Staatsanwaltschaften für blankes Entsetzen. „Jetzt werden die Personalreserven zusammengekratzt“, sagte ein hoher Polizeibeamter den PNN. Um die Kriminalität zu bekämpfen, brauche man keine Streifen, sondern eine ausreichend ausgestattete Kriminalpolizei, heißt es unisono in den Anklagebehörden. Die sind schon jetzt mit den neuen Polizeistrukturen und der Polizeiarbeit höchst unzufrieden.

Der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamten, Riccardo Nemitz, warnte vor einem weiteren personellen Aderlass bei der Kriminalpolizei. Allein die Zahl der zivilen Fahnder sei in den vergangenen fünf Jahren nahezu halbiert worden. Die einseitige Fokussierung auf die uniformierte Präsenz sei ein Irrweg, der sich wie ein roter Faden durch die Polizeireform ziehe, sagte Nemitz. Die Streifentätigkeit könne nur bei der Straßenkriminalität und damit bei etwa 25 Prozent der Straftaten wirken (siehe Interview).

„Es gibt kein Verteilproblem, sondern ein generelles Problem mit unterbesetzen Dienststellen bei der Schutz- und Kriminalpolizei in Brandenburg“, kritisierte der Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion, Björn Lakenmacher. Man könne keine Personallöcher stopfen, indem man in anderen Dienststellen neue Löcher aufreiße. Der Innenminister müsse den geplanten Stellenabbau stoppen.

Tatsächlich hat die Polizei mit erheblichen Problemen zu kämpfen: Die Anzahl der Autodiebstähle in Brandenburg steigt weiter. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden laut Polizei knapp 1900 Fahrzeuge gestohlen, im ersten Halbjahr 2012 waren es 1818. Das entspricht einem Anstieg von 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, teilte ein Sprecher mit. Die meisten Autos wurden südlich von Berlin im Landkreis Dahme-Spree (221) gestohlen. Aber auch in der Landeshauptstadt Potsdam (191) und Frankfurt (Oder) (167) schlugen die Diebe häufig zu. Setzt sich der Trend des ersten Halbjahres fort, sind in diesem Jahr deutlich mehr Fälle zu verzeichnen als im Vorjahr, 2012 waren es insgesamt 3355. Die Zahl würde dann an die von vor zwei Jahren heranreichen. 2011 waren es 3963.

Auch die Kennzeichen-Diebstähle nehmen laut Statistik weiter zu. Hier hat die Polizei im ersten Halbjahr 2013 knapp 1690 Fälle erfasst. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (2012: 1626) seien dies 3,8 Fälle mehr, so der Sprecher. Schwerpunkte seien die Kreise Barnim (195), Potsdam-Mittelmark (137) und Teltow-Fläming (143). (mit dpa)

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