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Gedenken schwer gemacht. Am 27. Januar, als anlässlich des Holocaust-Gedenktages in Zossen ein Bürgerbündnis die Namen von örtlichen NS-Opfern verlas, wurde die Veranstaltung von rund 30 Neonazis gestört. Die Polizei griff nicht ein.

©  Rio Freibeuter

Von Alexander Fröhlich: 16-Jähriger gesteht Brandstiftung

Zossen: Mit dem Feuer „Haus der Demokratie“ wollte sich der Jugendliche bei Neonazis beliebt machen

Stand:

Zossen – Er wollte dazugehören, zu den Neonazis von Zossen (Teltow-Fläming). Dafür zündete der 16-jähriger Daniel S. vor einer Woche das „Haus der Demokratie“ an, eine Baracke aus DDR-Zeiten, wo die Initiative „Zossen zeigt Gesicht“ Projekte gegen braune Umtriebe anbot und eine Ausstellung über das jüdische Leben in der Stadt zeigte. Seit Freitag sitzt Daniel S. in Untersuchungshaft, er hat ein Geständnis abgelegt und auch die rechtsextreme Motivation für die Brandstiftung eingeräumt.

Bis auf die Grundmauern war das „Haus der Demokratie“ in der Nacht zum 23. Januar niedergebrannt. Schon beim Eintreffen der Feuerwehr hatten einschlägig bekannte Rechtsextremisten vor dem brennenden Gebäude posiert und sich gegenseitig johlend fotografiert. Die Ermittler haben sie erst als Zeugen vernommen, später als Verdächtige. Schließlich stießen sie auf Daniel S., der sich dem Neonazi-Trupp anschließen wollte. Mit rund 70 Mitgliedern sind die „Freien Kräfte Teltow-Fläming“ aus der Gegend um Zossen eine der aktivsten Gruppierungen im Land, die als extrem gewaltbereit gelten. Gegenwehr gibt es in Zossen bislang nur durch Mitglieder der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“. Innenminister Rainer Speer (SPD) sagte, dass rechte Brandstifter gefasst werden, sei „ein Stück Ermutigung für alle, die wie in Zossen Gesicht gegen den Rechtsextremismus zeigen“.

Das Feuer ist dennoch der vorläufige Höhepunkt in einer ganzen Reihe von Drohungen und Attacken gegen die Initiative. Und auch sonst ist in Zossen mit seinen 17 000 Einwohnern vieles anders. Migranten haben hier Angst vor offener Straße, sagt Nadja Hitzel-Abdelhamid vom Verein Opferperspektive. Und während im Land das Leitbild „Tolerantes Brandenburg“ und der Kampf gegen die Extremisten von Rechts in den meisten Städten zum guten Ton gehört, ist Zossen tief gespalten. Hier gibt es Morddrohungen gegen aktive Bürger, verwüstete Räume im „Haus der Demokratie“ und kaum Hilfe aus dem Rathaus für die Initiative.

Gegründet hatte diese sich vor einem Jahr: Neonazis hatten im Dezember 2008 eine Kundgebung für Zossener Juden gestört, im Januar 2009 marschierten sie am Gedenktag für die Holocaust-Opfer über den Marktplatz. „Das war ein schockierendes Erlebnis für uns“, sagt Jörg Wanke (43). Er ist Sprecher der Initiative und ist selbst schon bedroht worden. Am Büro des Versicherungsmaklers stand im Sommer in brauner Farbe „Volksverräter“ und „linke Sau“, auch Aufkleber der Freien Kräfte fand er. Ein anderes Mal schmierten sie „Zossen bleibt braun“ und „Jörg Wanke wird bald sterben“ an einem anderem Haus. Erst vor zwei Wochen klebten Unbekannte einen Böller an die Fensterscheibe. „Ermittelt hat die Polizei bislang niemanden“, sagt Wanke. Auch nicht, wer das „Haus der Demokratie“ schon kurz nach der Eröffnung im September verwüstet hat. Auch auf verschiedenen Internetseiten hetzten Rechtsextremisten gegen die Initiative. Unterstützung von der Bürgermeisterin gibt es bislang nicht. Das Transparent „Tolerantes Brandenburg“ wollte sie am Rathaus nicht sehen, als das „Haus der Demokratie“ öffnete. Und als am Mittwoch 130 Bürger zum Holocaust-Gedenktag am Abend auf dem Marktplatz an die Schicksale der von den Nationalsozialisten ermordeten Zossener erinnerten, verweigerte Schreiber den Strom für Licht und Lautsprecher. Zudem hat sie der Initiative mehrfach vorgeworfen, zu linkslastig zu sein und daher erst Ärger mit den Neonazis zu provozieren. Trotz mehrerer Anfragen äußerte sich die Bürgermeisterin bislang nicht zu den Vorwürfen. „Deutlicher kann deutlich man nicht zeigen wie man dazu steht“, lautet der bissiger Kommentar von Teltow-Fläming-Landrat Peer Giesecke (SPD), auch Mitglied bei der Zossener Initiative. „Das ist einfach nur noch peinlich. So wird man zum Handlanger der Rechten.“ Auch die Polizei hielt sich zurück. Als die Zossener am Mittwoch die Namen der Nazi-Opfer laut verlesen haben, riefen 30 Neonazis „Lüge“, einige zeigten den „Hitlergruß“. Die Beamten schritten jedoch nicht ein, „mangels Rechtsgrundlage“, sagte ein Sprecher. Landrat Giesecke hat dafür kein Verständnis: „Holocaustleugnung ist strafbar.“

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