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35 Jahre nach der Wiedervereinigung: Evangelische Kirche will eigene DDR-Geschichte aufarbeiten
Die evangelischen Kirchen der DDR machten Demokratie möglich. Doch unter dem Dach der Kirche geschah auch Unrecht. Das soll jetzt aufgearbeitet werden.
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Sie waren Wegbereiter der Deutschen Einheit: Unter dem Dach der evangelischen Kirchen in der DDR trafen sich Friedens- und Umweltgruppen. Im Schutzraum der Kirche war die freie Rede möglich. Synoden galten als Lernorte der Demokratie. Die Sozialdemokratische Partei der DDR wurde in einem Pfarrhaus gegründet.
Dieses Bild ist korrekturbedürftig. Das ist das Ergebnis einer Tagung der evangelischen Nordkirche, die in Schwerin über ein Expertenpapier zur Aufarbeitung diskutierte. „Die Erfahrungen aus der DDR-Zeit sind kein Sonderfall einzelner ostdeutscher Landeskirchen, sondern Teil der gemeinsamen Geschichte aller evangelischen Kirchen in Deutschland“, sagte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt.
Das Papier der Expertenkommission unter Leitung der Berliner Pröpstin Christina-Maria Bammel machte deutlich, dass die deutsche Geschichte in der Zeit der Teilung fast immer nur aus der bundesdeutschen Perspektive erzählt wird. Die sowjetische Besatzungszone und die DDR bildeten eine „Sondergeschichte“, die für die Mehrheit der Deutschen nicht zur eigenen Geschichte gehöre. Deutlicher wurde der Außenminister der einzigen freigewählten DDR-Regierung, Markus Meckel (SPD): Selbst in der Pressemitteilung zum 80-jährigen Jubiläum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sei die Zeit der Kirchen in der DDR nicht vorgekommen.
Pfarrer fühlte sich verkauft
Bei der Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur sei die Perspektive der Betroffenen einzubeziehen, heißt es in dem Papier. „Manche von ihnen wurden nicht nur durch die SED-Politik in ihrem Leben beeinträchtigt, sondern auch durch Kirchen, wo diese sich nicht solidarisch verhielten oder sogar selbst durch eigenes Verhalten und Handeln für Unrecht verantwortlich waren.“
Ein Beispiel ist die Geschichte des Ruhestandspastors Eckhart Hübener. Sein Interesse an Demokratie und der Solidarność-Bewegung brachten ihn ins DDR-Gefängnis. Die Kirchenleitung wollte ihn im Rahmen der Häftlingsfreikäufe in den Westen bringen – doch das wollte Hübener nicht. Er fühlte sich verkauft. Von den Kirchen fordern die Autoren des Papiers deswegen die Schaffung von Ombudspersonen für Betroffene von Unrecht. Auch finanzielle Anerkennungsleistungen sollten im Einzelfall gezahlt werden.
Und die Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte sollte nicht nur eine Aufgabe für die Kirche im Osten sein: Auch die ehemaligen West-Kirchen sollten sich die Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter mit dem Ministerium für Staatssicherheit aufarbeiten.
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