zum Hauptinhalt
Schlechte Aussichten. Vehement wurde in Brandenburg gegen die Kürzungspläne der rot-roten Landesregierung bei der Bildung demonstriert. Am Donnerstag lehnte der Bildungsausschuss des Landtages zudem die Volksinitiative für mehr Freiheit von Schulen ab.

© dapd

Brandenburg: 37 600 Unterschriften im Papierkorb

Bildungsausschuss im Landtag lehnt die Volksinitiative für mehr Freiheit von Schulen und eine bessere Finanzierung der freien Schulen im Land ab

Stand:

Potsdam - Rückschlag für die Volksinitiative „Schule in Freiheit“ in Brandenburg: Das Potsdamer Parlament wird die Volksgesetzgebungs-Initiative für eine größere Selbständigkeit aller Schulen und eine finanzielle Gleichstellung freier Schulen mit staatlichen Einrichtungen wohl ablehnen, obwohl sie mit 37 600 in kurzer Zeit gesammelten Unterschriften eine der erfolgreichsten in der Landesgeschichte ist. Eine Vorentscheidung für das Nein fiel am Donnerstag, als die Volksinitiative im Bildungsausschuss mit der Mehrheit der rot-roten Regierungskoalition gegen die Stimmen von CDU, FDP und Grünen abgelehnt wurde. Seine Empfehlung ist maßgeblich für das spätere Votum von Hauptausschuss und Landtag. Allerdings sicherten Vertreter von SPD und Linken wie die Vize-Landtagspräsidentin und Bildungsexpertin Gerrit Große zu, dass insbesondere Vorschläge für mehr Eigenverantwortung von Schule aufgegriffen werden sollen. Aber der Forderung nach völligen Verzicht auf die aktuellen, mittlerweile etwas verringerten Kürzungen der Zuschüsse für die freien Schulen - gestrichen jetzt 13 statt 20 Millionen Euro bis 2014 - erteilte die SPD/Linke-Koalition eine Absage. Und für eine Erhöhung der Zuwendungen sehe man in den kommenden Jahren keinen Spielraum, so die Botschaft von Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp. Ob die Volksinitiative jetzt die nächste Stufe startet, nämlich ein Volksbegehren mit dann rund 80 000 nötigen Unterschriften, ist offen.

Vorher hatten in einer mehrstündigen Anhörung deren Vertreter - und zwar nicht nur der freien Schulen im engeren Sinne, sondern auch der Landesschülerrat und der Paritätische Wohlfahrtsverband - vergeblich für das doppelte Anliegen geworben, Autonomie und Gleichberechtigung. Freie Schulen fühlen sich benachteiligt, weil sie unterm Strich nur 65 Prozent der Kosten einer staatlichen Schule vom Land erstattet bekommen, nämlich 95 Prozent der Personalkosten, aber keinerlei Sachkosten. Die Differenz wird über Schulgeld gedeckt. In einem ersten Schritt sollte man diese Zuschüsse auf 85 Prozent der Gesamtkosten anheben, sagte Kurt Wilhelmi vom Verein Omnibus für direkte Demokratie, der die in Berlin und Brandenburg fast gleichen Initiativen unterstützt hatte.

Das lehnte Bildungsstaatssekretär Burkhardt Jungkamp mit dem Argument ab, dass die freier Schulen gar nicht benachteiligt würden: Für öffentliche Schulen, die von knapp 200 000 Kindern besucht werden, gebe das Land jährlich knapp 900 Millionen Euro aus - für die 20 000 freien Schüler aber mit derzeit 130 Millionen Euro überproportional mehr. Die Volksinitiative fordere damit „70 Millionen Euro“ mehr, so Jungkamp. Niemand wolle freie Schulen in der Existenz gefährden, was auch nicht geschehe.

Breiten Raum nahm die Debatte der letzten Tage ein, ob freie Schulen in dünnbesiedelten Regionen auch die schulische Grundversorgung als einzige Schule vor Ort übernehmen können. Im Gegensatz zu SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher hat dies Bildungsministerin Martina Münch (SPD) trotz der demografischen Umbrüche im Land rundweg ausgeschlossen, was prompt das Verhältnis zu den freien Schulen zusätzlich belastet. „Freie Schulen sind schon jetzt eben keine Ergänzungsschulen“, widersprach Christoph Schröder, Landeschef der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen und langjährige Direktor des evangelischen Hoffbauer-Gymnasiums Hermannswerder. Wer so argumentiere, schüre eine Neiddebatte. Schon jetzt gebe es freie Schulen, die die Grundversorgung absichern. Verzicht auf Schulgeld, freier Zugang für alle Kinder ließen sich vertraglich klären, ebenso, dass an evangelischen oder katholischen Schulen dann der Religionsunterricht eben nicht Pflicht sondern freiwillig sei. Klar sei, dass es dann eine Erstattung für das nicht erhobene Schulgeld geben müsse. Schröder wies darauf hin, dass bei behinderten Kindern das Land keine Probleme mit der Übertragung der Grundversorgung an freie Träger habe. Andreas Kazcynski, Vorsitzender des paritätischen Landesverbandes, äußerte sich überrascht angesichts der „reflexhaften“ Reaktion von Münch, zumal die Gleichberechtigung von öffentlichen und freien Einrichtungen „in der frühkindlichen Bildung“ längst usus sei. „Warum soll bei Schule nicht möglich sein, was in der Kita gewollt ist?“ Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist die aktuelle Debatte zu sehr auf die freien Schulen konzentriert, sagte Landeschef Günther Fuchs. „Das Problem in Brandenburg ist aber die chronische Unterfinanzierung aller Schulen, betroffen sind davon staatliche wie freie. Ich bin gegen jede Kürzung im System.“ Zudem seien freie Schulen oft entstanden, weil das Land seine Schulen geschlossen hatte, „sich seiner Verantwortung in der Fläche entzogen hat.“ Thorsten Metzner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })