Brandenburg: 48 Grad im Sommer
Klimaforscher Schellnhuber sagt dramatische Folgen der Erderwärmung für Brandenburg voraus: Hohe Temperaturen und Sandstürme werden sich künftig mit Monsunregen abwechseln / Potsdamer Experte wirbt vor Politikern für einen Politik
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Frankfurt (Oder) - Sommerhitze von 45 bis 48 Grad Celsius, Sandstürme, Bodenverhältnisse wie in der Sahara und heftige Monsunregen in anderen Jahreszeiten – die Aussichten für Berlin und Brandenburg sind nicht gerade rosig. Schon ab dem Jahr 2050 werden sich Brandenburger auf solche Wetterextreme einstellen müssen. Schreitet der Klimawandel in dem jetzigen Tempo voran, werden Sandsturm und Monsunregen normale Klima- und Wetterbestandteile in der Region.
„Wir müssen unter allen Umständen den weiteren Anstieg der Durchschnittstemperaturen stoppen“, sagte der Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie Berater von Bundesregierung und EU-Kommission, Hans-Joachim Schellnhuber, am Samstag in Frankfurt (Oder).
Schellnhuber, der auch in Oxford lehrt und in aller Welt als Klimaexperte gefragt ist, hielt seinen Vortrag vor dem Brandenburger Landesparteirat von Bündnis 90/Die Grünen. Er sei zwar ein parteiloser Wissenschaftler, aber die Grünen hätten ihn schon immer wegen deren Einmischung in aktuelle Fragen erfreut. Allerdings habe er während der rot-grünen Bundesregierung nie die Chance erhalten, mit ihr über den Klimaschutz zu reden. Deren Chef Gerhard Schröder hätte daran überhaupt kein Interesse gezeigt, ganz im Unterschied zur Bundeskanzlerin Merkel.
Die dramatischen Aussichten für Berlin und Brandenburg und viele andere Regionen basieren laut Schellnhuber auf einer Zunahme der weltweiten Durchschnittstemperaturen um 5 bis 6 Grad Celsius bis zum Jahr 2200. „Für die nördliche Halbkugel bedeutet das aber 10 bis 12 Grad“, sagte der Mathematiker und Physiker. „Extreme Temperaturen bis zu 48 Grad gehören dazu.“ Da sich die Kontinente viel stärker als die Meere erwärmten, müsse sich Westeuropa auf Monsune wie in Indien einstellen. Das heiße Land ziehe die feuchte Luft an.
Viel haben wird nach Ansicht der Klimaforscher die Region aber nicht: Die trockenden märkischen Sand-Böden, die wärend der Trockenzeiten immer weiter ausdörrten, könnten dann die monsunartigen Regenmengen nicht halten, das Wasser würde größtenteils abfließen. Brandenburgs Probleme mit dem schon heute teils dramtisch sinkenden Grundwasserspiegel würden sich dann trotz der „Regenzeiten“ verschärfen (siehe unten).
Trotz der angelaufenen Diskussionen sei der Öffentlichkeit die Dramatik der Veränderungen nicht bewusst, beklagte Schellnhuber. So betrage der Unterschied zur letzten Eiszeit vor 15 000 Jahren und heute nur fünf Grad Celsius. Der Meeresspiegel sei damals um 120 Meter niedriger gewesen. Gehe das Abschmelzen von Grönland, der Antarktis und anderer Eisgegenden weiter so voran, würden die Meeresspiegel in den nächsten 90 Jahren um 40 bis 150 Zentimeter höher liegen – mit schlimmen Konsequenzen für Städte an Küsten und Flüssen, während Regionen wie Brandenburg unter Wasserknppheit leiden würden.
„Wenn wir unser Verhalten nicht ändern und vor allem das Amazonas-Gebiet weiter austrocknen lassen, haben wir schon im Jahr 2100 eine um vier Grad höhere Durchschnittstemperatur“, sagte Schellnhuber vor den Grünen.
Bärbel Höhn, die ehemalige Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen und heutige Bundestagsabgeordnete, forderte am Samstag vor ihren brandenburgischen Parteifreunden von Brandenburg ein Ende der Braunkohlekraftwerke. Pro Kopf liege in der Mark die jährliche Kohlendioxid-Emission bei 23,8 Tonnen. Das sei mehr als in den USA und mehr als doppelt so viel wie im Bundesdurchschnitt (zehn Tonnen). China komme auf eine Pro-Kopf-Emission von drei Tonnen, Indien auf eine Tonne. Mit den Kraftwerken in Jänschwalde (Platz 3) und Schwarze Pumpe (Platz 12) sei Brandenburg gleich zweimal auf der Lise der Umweltorganisation WWF der „weltweit schädlichsten Kraftwerke“ vertreten. Die Verbrennung der Braunkohle sei ökonomisch bedenklich, deren Abbau sei nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch bedenklich zerstöre die Landschaft und damit den natürlichen Wasserkreislauf.
Lob erhielt Brandenburg sowohl von Schellnhuber als auch von Höhn für die Förderung alternativer Energiequellen wie Wind, Sonne und Biomasse. Schon jetzt entspreche die aus Windkraftanlagen produzierte Energie 28 Prozent des Nettoverbrauchs aus dem öffentlichen Netz. In Deutschland bedeute das Platz zwei hinter Niedersachsen.
Dennoch müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich stärker vorangetrieben werden, sagte Schellnhuber. Sie seien die wichtigste Maßnahme zum Klimaschutz. Die Forschungsausgaben in diesem Bereich müssten verzehnfacht werden. Überdies solle Deutschland über eine Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke nachdenken – unter der Bedingung, dass die Gewinne in erneuerbare Energien investiert würden.
Der besuch bei den märkischen Grünen wr nur eine Station auf Schellenhubers Politik-Tournee, auf der er gerade Landespolitiker zum konkreten Handeln für den Klimaschutz gewinnen will. Am morgigen Dienstag wird der PIK-Chef der brandenburgischen Landesregierung einen Vortrag halten. Heute ist er Gast der umweltpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen von CDU und CSU, die in Potsdam eine Erklärung zum Klimaschutz präsentieren wollen.
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