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Brandenburg: Abschied mit Misstönen
Brandenburgs dienstältester Landrat geht: Burkhard Schröder hat seit 26 Jahren das Havelland regiert. Mit Erfolg und Sturheit, bis zuletzt. Ausgerechnet er, ein SPD-Urgestein, ist der AfD-Türöffner geworden
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Ribbeck - Alle sind sie gekommen, um ihn zu verabschieden, aus dem Havelland sowieso, Prominenz aus Brandenburg oder auch Helmut Kleebank, der SPD-Bezirksbürgermeister aus „Spandau bei Berlin“. Im Festsaal auf Schloss Ribbeck bleibt an diesem Donnerstag kein Stuhl unbesetzt, als jener Mann in den Ruhestand versetzt wird, der wie kein anderer die Entwicklung des Havellandes in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten prägte. Einem Landstrich, in dem es unübersehbar aufwärts geht.
Die zumeist lobenden Reden, von ein paar kritischen Seitenhieben abgesehen, sind vorbei, als er selbst das Wort ergreift: Burkhard Schröder, 65 Jahre, graues Haar, einst Werkzeugmacher und Mathematiker, nunmehr seit 1990 Landrat in Brandenburg. Keiner ist so lange im Dienst gewesen wie er, durchsetzungsstark, und umstritten. Ein „Kreisfürst“, im Guten wie im Fragwürdigen, was sich auch in dieser würdigen wie verstörenden Abschiedsstunde zeigen wird.
„Ich werde mich hüten, in diesen Zeiten meinem Nachfolger eine Botschaft zu hinterlassen.“ So beginnt Schröder, was sich dann ein paar Sätze weiter so anhört: Natürlich müsse an den Zielen der Entwicklung des Kreises festgehalten werden. „Es wäre dumm, es nicht zu tun.“ Und allen, die glauben sollten, dass er von der Bildfläche verschwindet, was im Havelland sowieso niemand glaubt, gibt er schon mal auf den Weg: „Ich werde nicht der Bauer Schröder und auch nicht der Angler Schröder.“ In diversen Aufsichtsräten will der Ex-Landrat bleiben, der sich offenkundig um sein Lebenswerk sorgt.
Die Laudatio hat vorher Dietmar Woidke gehalten, Brandenburgs Ministerpräsident und SPD-Parteichef, der Schröders Lebensleistung würdigte. Er habe das Havelland zur Blüte gebracht, das heute 30 000 Einwohner mehr habe als 1993, in dem sich viele Firmen angesiedelt hätten. Und dann lobte Woidke, was sich in der offiziellen Pressemitteilung der Staatskanzlei zum Auftritt des Regierungschefs nicht finden wird, Schröder so: „Ihm war immer der Dialog mit allen Gruppierungen wichtig“, sagte Woidke. „Ja, in demokratisch organisierten Gemeinwesen brauchen wir diesen Dialog, auch das Auseinandersetzen mit abweichenden Meinungen.“ Die rechtspopulistische AfD, deren Landtagsfraktion ausgerechnet Schröder als Landrat offiziell besuchte und damit die Linie von SPD, Linken, CDU und Grünen im Landtag aufbrach, erwähnt Woidke nicht. Nur vorher, als er vom rbb-Fernsehen darauf angesprochen wird, sagte Woidke: „Man sollte diesen Fehler nicht überbewerten.“ In der Laudatio sagt er noch, dass „eine weitsichtige Leitung“ wie unter Schröder für eine „wohlgeführte Verwaltung und ein gutes Team“ sorge.
Anfang April wird im Havelland ein neuer Landrat gewählt, der Nachfolger Schröders. Von den Kandidaten waren viele im Saal. Schröders Vizelandrat Roger Lewandowski (CDU) aus der Kreisverwaltung, SPD-Staatssekretär Martin Gorholt aus Potsdam und AfD-Kreischef Kai Gersch, der auch dank Schröders Umgang mit der AfD gute Chancen hat, es im Nachbarkreis zu Sachsen-Anhalt in die Stichwahl zu schaffen.
Bei der Festveranstaltung im Schloss Ribbeck ergriff Kreishandwerksmeister Michael Ziesecke das Wort. Er dankte dem scheidenden Landrat „aufrichtig im Namen von 2226 Betrieben mit mehr als 10 000 Mitarbeitern „dafür, dass Schröder „immer autark“ war, dass er dem Handwerk zur Seite stand. Und zwar auch, so der Kreishandwerksmeister, in Zeiten des EU-Beitritts von Polen, „der für unser Land nicht gut war“ und der schlimme Folgen für ganze Landstriche gehabt habe. Schröder habe ihm damals erklärt, dass das Kollateralfolgen seien, um die EU voranzubringen.
Und da saßen sie, all die Honoratioren aus dem Havelland, aus dem toleranten Brandenburg im Festsaal zu Ribbeck. Da saß der Ministerpräsident, der auch Polenbeauftragter der Bundesregierung ist. Da saß Altministerpräsident Manfred Stolpe, Vize-Landtagspräsident Dieter Dombrowski, der im Havelland CDU-Kreischef ist. Da saß Christian Görke, der Finanzminister und Parteichef der Linken, der auch aus dem Havelland kommt. Und niemand widersprach. Auch Ex-Landrat Burkhard Schröder in seinen letzten Worten als Amtsperson nicht.
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