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Brandenburg: Abstieg in die deutsche Geschichte
Die große Bunkeranlage in Wünsdorf ist ein Ausflugsziel mit Gruseleffekt – nicht nur in der Ferienzeit
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Wünsdorf – Es könnte ein romantischer Waldspaziergang sein, Botaniker hätten ihre Freude in der fast unberührten Natur. Dann ragen unvermittelt meterdicke Betonwände aus dem Unterholz, liegen gefährlich kreuz und quer – auf dem Areal der Bunkerstadt Wünsdorf sollte man nicht vom Wege abkommen. Und doch ist es einen Ausflug wert: Wo schon der Kaiser Manöver abhielt und bis in die 1990er das Oberkommando der Westgruppe und der 16. Sowjetischen Luftarmee stationiert waren, ist heute ein großes Freilandmuseum, oberirdisch als auch unter der Erde. Täglich finden hier Führungen statt, interessant nicht nur für Historiker
Vor allem die Hinterlassenschaften der Nationalsozialisten sind beeindruckend: Strategisch günstig, unweit Berlins, aber unauffällig in der Pampa war dort das Oberkommando des Heeres der Wehrmacht untergebracht: ein riesiger, geheimer Kommandostab in zwölf relativ komfortablen, doch massiven Bunkerhäusern. Im Kreis angeordnet und mitten im Wald sollten sie aus der Luft wie Landhäuser aussehen. Das Austrocknen des Betons dauerte Jahre. Als man die Maybachbunker später wegsprengen wollte, gelang das nur teilweise, man ließ die Reste einfach liegen und die Natur eroberte die Ruinen zurück – eine gruselige Idylle blieb übrig.
Ende der 1930er kam der unterirdische Bunker „Zeppelin“ dazu, der Generalstabs- und Nachrichtenbunker des Oberkommandos des Deutsches Heeres, über drei Etagen, mit geheimen, getarnten Eingängen, selbst LKW konnten dorthinein verschwinden. Mehrere Hundert Meter lang sind die Gänge, die alles miteinander verbinden. Der Besucher gelangt über Treppenfluchten hinein, erstaunlich gut ist erhalten, was unter der Erde lag. Wo damals Nachrichtentechniker und Telefonfräuleins in Schichten arbeiteten, fliegen heute Fledermäuse. Reste von Equipment und alte Wandinschriften lassen die Nutzung erahnen. Geflieste Schleusen-Räume, fette Rohrleitungen und Lüftungsschächte sorgen für Gruseleffekte.
Bei den Führungen geht es zunächst an den Maybach-Häusern vorbei, dann hinab in die Unterwelt. Wer eine Taschenlampe hat, darf sie benutzen, es gibt aber auch elektrisches Licht. Die Besucher-Führer kennen sich in dem Labyrinth bestens aus, und man sollte sie nicht verlieren. Es gibt auch Tage, an denen der Bunker auf eigene Faust erkundet werden darf, heißt es, insbesondere Hobbyfotografen nutzen diese Termine. Unten geblieben sei aber noch keiner.
Am morgigen Freitag findet im Bücherstall auf dem dortigen Gelände ein militärgeschichtlicher Abend statt: „Bunker, Blindgänger und Entartete Kunst – die unterirdischen Relikte des Nationalsozialismus“. Ab 19 Uhr referiert Niko Rollmann, Herausgeber des Buches „Reise durch den Untergrund: Architektur, Geschichte und Konstrukt“, über Luftschutzbunker, den Führerbunker in Berlin, Folterkeller der SA, Giftgasfunde in der Spandauer Zitadelle und die NS-Bunker-Diskussion der 90er-Jahre. Steffi Pyanoe
Bis Sonntag täglich „Fünf-Bunker-Tour“ für Familien, Beginn 10 Uhr im Haus Oskar, Zernsdorfer Straße 12. Bücherstall ebenfalls auf dem Gelände Waldstadt in 15806 Zossen. www.buecherstadt.com
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