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ADHS-Diagnosen in Brandenburg steigen: Frauen besonders betroffen und häufig unerkannt
Immer mehr Brandenburger erhalten ADHS-Diagnosen, besonders jüngere Frauen. Krankenkassen sprechen von einem „heller werdenden Dunkelfeld“ und betonen die Notwendigkeit frühzeitiger Erkennung.
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In Brandenburg werden immer mehr Menschen mit ADHS diagnostiziert. Das ergeben Daten der Krankenkasse AOK. Während 2013 nur 0,11 Prozent der AOK-versicherten erwachsenen Menschen in Brandenburg eine ADHS-Diagnose hatten, waren es 2023 bereits 0,29 Prozent.
„Unsere Datenanalyse zeigt vor allem eines: Das Dunkelfeld bei ADHS wird in Brandenburg heller“, sagte die Psychotherapeutin Sylvia Böhme. Ärztlich diagnostiziertes ADHS sei ausdrücklich keine „Modediagnose“. „Wir begrüßen, dass mehr Betroffene – insbesondere jüngere Frauen – sich Unterstützung suchen.“
ADHS galt lange als Krankheit, die nur Kinder und Jugendliche betrifft und sich dann „auswächst“. Doch durch viele Forschungsarbeiten sei inzwischen gesichert, dass rund drei von vier Betroffenen auch im Erwachsenenalter weiterhin Symptome zeigten.
„Bei Mädchen wird ADHS viel seltener diagnostiziert, weil sie mit den klassischen, eher Jungen zugeschriebenen Symptomen – Hyperaktivität und Impulsivität – seltener auffallen“, sagte die Berliner Psychotherapeutin Lenka Staun. „Viele wirken nach außen ruhig, sind dann eher unaufmerksam oder ‚verträumt‘.“ Bei einem Mädchen, das den Unterricht nicht stört, werde oft nicht erkannt, dass dieses Mädchen ADHS haben könnte.
Bei Verdacht auf ADHS an Praxis wenden
Bei erwachsenen ADHS-betroffenen Frauen, die noch keine Diagnose haben, würden Probleme häufig bei Lebensumbrüchen sichtbar – Studienwechsel, Berufseinstieg oder Schwangerschaft. Ohne Diagnose und Therapie hätten Betroffene ein signifikant höheres Risiko, psychisch oder an einer Sucht zu erkranken. Wer den Verdacht auf ADHS hat, sollte das nach Angaben der AOK in einer hausärztlichen Praxis ansprechen. Dort könne eine erste strukturierte Einschätzung und bei Bedarf die Überleitung in eine fachärztliche oder psychotherapeutische Diagnostik erfolgen.
Die Landtagsabgeordnete und BSW-Fraktionsmitglied Melanie Matzies, die als Psychologin selbst Erfahrung mit ADHS-Betroffenen hat, sprach sich gegenüber dieser Zeitung für Maßnahmen zu einer besseren Versorgung von Betroffenen aus. „Besonders am Herzen liegt mir die frühe Prävention von Folgebelastungen, beginnend in Kita, Schule und Familie“, sagte Matzies. So ließen sich psychosoziale Belastungen für jeden einzelnen und die Familien früh abfangen.
„Als große Herausforderung sehe ich auch den zunehmend kritischen Umgang mit digitalen Medien und damit eine Verschlechterung der mentalen Gesundheit.“ Nötig seien Handyverbote an Schulen und Kitas und ein zurückhaltender Umgang mit Digitalisierung.
„Insgesamt brauchen wir mehr Aufklärung zum Thema AD(H)S und den Umgang damit“, sagte Matzies. ADHS ist in vielen Fällen eine Bereicherung für Kreativität, innovatives Denken und Ideenreichtum. „Viele soziale Herausforderungen könnten vermieden werden, wenn Betroffene sich anderen gegenüber öffnen könnten, ohne stigmatisiert zu werden“, so Matzies. „Wir benötigen mehr Offenheit im Umgang mit ADHS und Autismus.“
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