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Brandenburg: Aggressive Schüler, hilflose Lehrer

Rektoren fühlen sich ohnmächtig gegenüber immer mehr auffälligen Kindern Problemfälle werden in Berlin derzeit nur von Schule zu Schule weitergereicht

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Berlin - Angesichts der zunehmenden Gewaltvorfälle an Berliner Schulen wird der Ruf nach schärferen Gesetzen lauter. Bildungssenator Klaus Böger und Justizsenatorin Karin Schubert (beide SPD) plädierten gestern dafür, das Erziehungsmonopol der Eltern einzuschränken, wenn sie nicht in der Lage sind, auf ihre gewaltbereiten Kinder einzuwirken, und sich der Zusammenarbeit mit den Jugendämtern entziehen. CDU-Fraktionschef Nikolas Zimmer forderte eine Verschärfung des Jugendstrafrechts. FDP-Schulexpertin Mieke Senftleben sprach sich dafür aus, den Familiengerichten mehr Kompetenzen einräumen, um Eltern und Kinder mit Zwangsmaßnahmen in die Pflicht zu nehmen. Mehrere Berliner Schulleiter berichteten dieser Zeitung, dass sie nicht genügend Handhabe hätten, um schwierige Schüler in den Griff zu bekommen.

Bislang haben Schulleiter als äußerstes Mittel nur den Schulverweis. Dies führt dazu, dass hunderte Schüler als so genannte „Wanderpokale“ durch Berlin irren, ohne dass sich jemand speziell um sie kümmert. Meist schwänzen sie oder stören das Schulleben und driften völlig ab. Jüngstes Beispiel ist der 16-jährige Amokläufer, der nach der Eröffnung des Hauptbahnhofs 41 Passanten verletzte: Er war von mehreren Schulen verwiesen worden, ohne dass dies zu einer Disziplinierung beigetragen hätte. Auch der Mörder des siebenjährigen Christian aus Berlin-Zehlendorf war zuvor von mehreren Schulen verwiesen worden und galt als typischer „Wanderpokal“.

Vielen Schulleitern ist klar, dass der Verweis nichts bringt, aber oft bleibt ihnen keine andere Wahl. „Man muss ja auch an die übrigen Schüler denken“, sagt Hannelore Weimar von der Werner-Stephan-Hauptschule in Berlin-Tempelhof. Als Alternative zum Verweis käme zwar auch die Unterbringung in einer speziellen Therapieeinrichtung oder in der Klinikschule des Tempelhofer St. Joseph-Krankenhauses infrage. Dazu brauche man allerdings die Einwilligung der Eltern. Ralf Schiweck, Leiter der Schöneberger Waldenburg-Hauptschule, bedauert es, dass nur noch so wenig Schulplätze für verhaltensauffällige Schüler zur Verfügung stehen. Laut Bildungsverwaltung hat sich die Zahl der emotional und sozial gestörten Schüler in den vergangenen zehn Jahren von 800 auf rund 3000 erhöht, aber nur ein Zehntel besucht entsprechende Sonderschulklassen. Die übrigen werden in Regelschulen integriert, was bedeutet, dass sie nur für ein paar Stunden pro Woche einen Sozialpädagogen an die Seite bekommen.

Wohin es führt, wenn extrem gestörte Schüler ohne sozialpädagogische Intensivbetreuung bleiben, zeigt auch der Fall des Zwölfjährigen, der am Montag eine Lehrerin verprügelt hatte. Dem Vernehmen nach soll er bereits als Achtjähriger auffällig gewesen sein und Mitschüler verprügelt haben, wobei er seinen vielen älteren Brüdern nachgeeifert haben soll. Stets habe der libanesische Vater eine Kooperation mit dem Jugendamt abgelehnt und die Vorfälle heruntergespielt, wobei auch er aggressiv geworden sein soll.

Um die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Jugendämtern zu erleichtern, haben sich die Senatsverwaltung für Bildung und Jugend und die Jugendstadträte jetzt auf eine neue Organisation der Jugendämter verständigt. So erhalten die Schulen jetzt feste Ansprechpartner in den Jugendämtern und Nottelefonnummern, um immer Hilfe zu bekommen.

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