Von Thorsten Metzner, Peter Tiede und Alexander Fröhlich: Ahnungslos und vollmachtslos: Ministerium verzichtete auf Kontrolle
Skandal um den Millionen-Deal in Krampnitz: Die Opposition will nun alle Verkäufe überprüfen und Anwalt Danckert sich von seinem Sozius trennen
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Potsdam - Nicht einmal eine Vollmacht wollten die Vertreter des Landes Brandenburg von ihm sehen. Als der Hannoveraner Anwalt Ingolf Böx im Jahr 2007 Kaufverträge im Wert von 4,1 Millionen Euro für das Kasernen-Gelände in Potsdam-Krampnitz unterschrieb, wurde ihm einfach geglaubt, dass er das darf. Ob er irgendwie mit den Käufern, vier britischen Limited-Gesellschaften, verbandelt war und ob es diese Firmen überhaupt gibt, interessierte niemanden. „Vollmachtslos“ seien die Verträge, die Brandenburgs damaligem Finanz- und jetzigen Innenminister Rainer Speer (SPD) das Amt kosten könnten, von Böx unterschrieben, teilte das jetzt vom Linken Helmuth Markov geführte Ministerium am Freitag mit.
Als Böx seine Unterschriften in fremdem Namen unter die Kaufverträge setzte hatte das Land schon alles falsch gemacht, was man im Geschäftsverkehr falsch machen kann. Wie die PNN am Freitag enthüllt hatten, waren selbst einfachste Bonitätsprüfungen nicht erfolgt.
Beim Landesrechnungshof, der die Prüfung des Kasernen-Deals aufgenommen hat, wundert man sich über so viel Blauäugigkeit ebenso wie die Prüfer der Staatsanwaltschaft Potsdam. Selbst bei kleinsten Geschäften sei es eigentlich Standart, Handelsregisterauszüge einzuholen. Die zuständigen Fachabteilungen könnten dies online tun, hätten einen direkten Zugang etwa zu der Auskunftei Creditreform.
Angesichts des von den PNN offenbarten Versagens im Finanzministerium forderte die CDU am Freitag die Überprüfung aller ähnlichen Geschäfte des Landes. Der Wirtschaftsexperte der Fraktion, Dierk Homeyer, sagte den PNN: „Es müssen alle Veräußerungen einstiger Militärflächen durch das Land und die inzwischen privatisierte Brandenburgischen Bodengesellschaft aus den letzten Jahren überprüft werden.“ Denn angesichts des „Totalversagens des Finanzministeriums unter Speer“, stellten sich entscheidende Fragen, so Homeyer: „Entweder war Krampnitz ein Einzelfall – dann ist zu klären warum ausgerechnet hier so geschlampt wurde. Oder aber, der Fehler hat System und es ist auch bei anderen Geschäften so gehandelt und Schaden für das Land verursacht worden.“
Homeyer sprach von „offenbar grob Fahrlässigem Fehlverhalten der Beamten“ und forderte dienstrechtliche Konsequenzen. Speer habe die politische Verantwortung dafür zu tragen, dass er den Landtag über die tatsächliche Käufer falsch informiert hat. Homeyer: „Ohne diese Falschinformationen hätte es die Zustimmung des Haushaltsausschusses zu dem Krampnitzer Millionen-Deal nie gegeben.“ Homeyer sprach von „einem Stück aus dem Tollhaus“.
Homeyers CDU und die Grünen und die FDP wollen im Untersuchungsausschuss, den die Landtags-Opposition zu dem Fall einsetzen will, neben Speer (SPD) auch den SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Danckert ins Visier nehmen. Danckert soll als Zeuge vor den Ausschuss, weil er mit Anwalt Böx eine gemeinsame Kanzlei in Hannover betreibt.
Böx hatte sich und sein Firmengeflecht als Vertreter der dänischen Thylander-Gruppe ausgegeben, deren Chef die Grünen ebenfalls aus Dänemark nach Potsdam vor den Ausschuss zitieren wollen. Finanzministerium und Landtag waren 2007 von einem Verkauf an Thylander-Tochterfirmen ausgegangen – bis in dieser Woche Thylander gegenüber den PNN klar stellte, dass sie das Grundstück nie gekauft hat.
Die Opposition vermutet „SPD-Filz“. Danckert aber hat jedwede Beteiligung und jede Kenntnis von den Krampnitzer Geschäften des Hannoveraner Partners strikt bestritten. Die Kanzleien seien bis auf den gemeinsamen Briefkopf „völlig getrennt“. Er kündigte gestern gegenüber dem Tagesspiegel an, dass jetzt „den anderen Partnern der Sozietät empfehlen wird, die restlichen Verbindungen zu Herrn Böx fristlos zu beenden“. Er gehe davon aus, dass „die anderen das genauso sehen“, sagte Danckert.
Dabei hat sein Noch-Sozius Böx in Hannover schon seit längerem einen zumindest anrüchigen Ruf. Gegen Ende des Jahres 2006 – also Monate vor dem Krampnitz-Deal in Potsdam – verließen acht Anwälte das Büro der Kanzlei Danckert Böx Meier in Hannover. Sie waren, wie es damals Beteiligte nun den PNN sagten, in Sorge um ihren eigenen guten Ruf in Branche und bei Kunden.
Offiziell wurde damals als Grund für die Abspaltung „unterschiedliche Auffassungen über die weitere strategische Ausrichtung der Sozietät“ angegeben. Tatsächlich war den Advokaten Böx zu unberechenbar geworden, „extrem unseriös“, wie es den PNN in Hannover von mehreren Seiten gesagt wurde. Böx mit Geldern „herumgejubelt“ und fragwürdige Investments getätigt.
Von Finanzproblemen ist unter den einstigen Mitarbeitern die Rede. Von Pfändungen und Forderungen, die nicht beglichen werden konnten. Für einen Notar und Anwalt könnte das den Verlust der Zulassung bedeuten. Die Notarkammer wollte zu einem Verfahren zu Böx aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft geben.
Für eine Stellungnahme zu allen Vorwürfen war Böx auch am Freitag nicht erreichbar. Ebenso wenig wie Petra Lill, die in Böx'' Büro Sekretärin und in den meisten am Krampnitz-Deal beteiligten Firmen auch Geschäftsführerin ist. Lill ist inzwischen mit Böx verheiratet.
Der ist inzwischen selbst für seine Kanzleipartner nicht da. Danckert sagt, er mache unter dem Eindruck der neuen Entwicklung „alle Kreuze“, dass damals Böx nie wegen Krampnitz bei ihm aufgetaucht sei. „Wenn er mich gefragt hätte, ob ich ihm einen Termin bei Herrn Speer vermittle, hätte ich es wahrscheinlich getan.“
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