Rechnungshofbericht: Akte der Verschwendung
Alle Jahre wieder rügt Brandenburgs Rechnungshof Schlamperei und Misswirtschaft – diesmal etwa bei geförderten Luxus-Jachten und in den Gefängnisbetrieben. Der Hof fordert auch ein Umsteuern bei der Förderung der freien Kulturszene, bei Frühpensionierungen und bei geheimen Derivatgeschäften in Milliardenhöhe.
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Es geht um viel Geld, um brandenburgische Millionen. Doch stattdessen schippern vom Land geförderte Luxus-Jachten auf der Ostsee und der Müritz. Und in Gefängnisbetrieben der Mark werden Ladenhüter produziert oder die Privat-PKWs der Bediensteten zu Spottpreisen repariert. Neben diesen zwei krassen Fällen von verschwendeten Geldern enthält der am Freitag veröffentlichte 190-seitige Jahresbericht des Landesrechnungshofes weitere Rügen zum Umgang mit öffentlichen Geldern durch die Landesregierung.
Luxus-Jachten für Müritz und Ostsee
Eigentlich wollte das Wirtschaftsministerium im mit 700 Quadratkilometern gewässerreichsten Bundesland den Wassertourismus ankurbeln, als es von 2007 bis 2010 rund 18,3 Millionen Euro für Charterboote bewilligte. Gefördert wurden Unternehmen, die die Motor- und Segeljachten hierzulande vermieten sollten. Stattdessen stellten die Prüfer fest, dass die Jachten weitgehend in Mecklenburg oder Schleswig-Holstein schippern. Es geht um einen Fall aus der Region, bei dem inzwischen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden ist. Die Investitionsbank (ILB) hatte Anfang 2010 einem Unternehmen mit Hauptsitz in Mecklenburg-Vorpommern 1,249 Millionen Euro für eine Betriebsstätte in Werder (Havel) bewilligt, um hier die Boote zu verchartern. Die 1,249 Millionen Euro sollten danach fast ausschließlich zur Mitfinanzierung von 21 - hochseetauglichen - Jachten eingesetzt werden. Doch schon bei einer Vor-Ort-Kontrolle im Herbst 2010 hatte die ILB festgestellt, dass es „keine Anzeichen“ für unternehmerische Tätigkeit der Firma in Werder gab, die von Brandenburg geförderten Boote bereits für Standorte in Mecklenburg und Schleswig-Holstein zum Chartern angeboten wurden. Obwohl die ILB vorgewarnt sein konnte, gab sie danach das Gros der Summe frei, im Oktober 2010 rund 373 000 Euro und im Februar 2011 weitere 746 000 Euro. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle im Sommer 2011 stellte der Rechnungshof fest, dass sich keine der geförderten Jachten in Werder befand, dass die Räume dort keinen Geschäftsbetrieb mit fünf Arbeitsplätzen zuließen - ebenfalls eine Bedingung der Förderung. Die Firma selbst erklärte den Prüfern, dass Büro in Werder werde so lange nur bedarfsweise besetzt, bis man langfristig gesicherte Einnahmen habe.
Die festgestellten Verstöße bei der Jachtcharter-Förderung waren insgesamt so gravierend, dass das von Minister Ralf Christoffers geführte Ministerium das Programm sofort stoppte. In einem anderen Fall waren geförderte Boote bereits verkauft worden, sodass nach Interventionen des Rechnungshofes noch während der laufenden Prüfung wegen Unregelmäßigkeiten die Staatsanwaltschaft wegen Fördermittel-Betruges eingeschaltet wurde. „Die Förderung erwies sich als missbrauchsanfällig“, heißt es im Bericht. Die Wirkung des Programms sei generell „unbefriedigend“, denn „mit einem auffallend hohen Fördermitteleinsatz wurden nur wenige Arbeitsplätze geschaffen“. Pro Arbeitsplatz im Jachtcharter zahlte das Land danach 127 000 Euro, dagegen sind bei Förderungen der gewerblichen Wirtschaft im Schnitt nur 16 300 Euro fällig. Entstanden seien zudem lediglich Billig-Jobs „am unteren Ende der Einkommensskala.“ In zehn Fällen habe man insgesamt 125 000 Euro für aufwendige Sonderausstattungen der Boote gezahlt, etwa „Teakholz für das Cockpit, hochwertige TV-Geräte ... in Salon und Cockpit.“
Flops aus Knast-Werkstätten
Das Justizministerium wird wegen Schlamperei und Misswirtschaft in Brandenburgs Gefängnissen gerügt. Und zwar in den Anstaltsbetrieben, in denen Häftlinge arbeiten - sie stellen Kleidung, Bürogegenstände oder Weihnachtsschmuck her. Doch die Produkte sind laut Rechnungshof in den Preisen „teilweise deutlich zu niedrig“, teilweise Ladenhüter. Und das zentrale Online-Portal (www.meisterhaft-brandenburg.de), in denen sie angeboten werden, ist ein Flop. Man findet dort selbst Zipfelmützen-Schlafanzüge oder Büroutensilien für den Schreibtisch samt der Werbung: „Die ganz besonderen Accessoires für den täglichen Gebrauch im Büro wurden im Eigenbetrieb Metallverarbeitung der JVA Brandenburg a.d.H. entwickelt. Das augenfällige Dessin dieser robusten Serie ist geprägt von einer typischen Gitterstruktur und ergänzt das Büro auf besondere Weise.“ Für den Rechnungshof ist entscheidend, dass 280 Artikel, 57 Prozent des Warenbestandes, im Online-Portal bislang „nicht ein einziges Mal verkauft“ worden. Wenn allein der Verkauf der derzeit vorrätigen 514 Kochhosen im bisherigen Tempo weitergeht, so dauert er laut Rechnunghof „einige hundert Jahre, bis ins Jahr 2268.“ In der JVA Brandenburg an der Havel schaffte man für 17 158,34 Euro eine Brikettierpresse an, um Späne zu verwerten. Die Briketts dürfen aber wegen Bindemittelrückständen gar nicht verbrannt werden, sondern „müssen als Sondermüll kostenpflichtig entsorgt werden“, sagte Apelt. Überhaupt hat sich in der JVA offenbar ein Eigenleben entwickelt. Die Autowerkstatt dort etwa war extra neu gebaut worden, für 3,7 Millionen Euro, samt einer im Boden versenkbaren LKW-Hebebühne und „einer computergesteuerten Achsmessanlage.“ Die blieb bislang unbenutzt. Und Nutznießer der Autowerkstatt waren nicht die Bevölkerung oder Landesbetriebe, sondern zu 70 Prozent JVA-Bedienstete, die nur Spottpreise zahlen müssen: Für eine umfassende Innen- und Außenpflege der Privatwagen waren 16 Euro zu entrichten, laut Hof weniger als ein Siebtel des Marktpreises, in einem Fall seien für eine Autoreparatur einer Bediensteten 36,55 Euro statt 327,15 Euro berechnet worden. Die Beschaffung nötiger Ersatzteile sei mit einer „unerlaubten privaten Handkasse“ erfolgt. Die JVA-Bediensteten finanzierten die Ersatzteile vor, die Kunden erstatten dies bei Abholung - samt Trinkgeld für die JVA-Bediensteten, wie die Prüfer feststellten. Die Übergabe sei, so steht es im Bericht, mit den Worten „Stimmt so!“ erfolgt.
Sommerfest der Landesregierung
Der Rechnungshof rügt das intransparente Sponsoring beim brandenburgischen Sommerfest, das vom Land und einem Verein veranstaltet wird. Zwar trage die Staatskanzlei mit 25 000 Euro nur 10 Prozent der Kosten, habe aber maßgeblichen Einfluss auf das Event, heißt es. Die Konstruktion ermögliche es dem Verein, das öffentliche Vergaberecht nicht anwenden zu müssen und der Staatskanzlei, dass sie keinen Nachweis über die Sponsoring–Leistungen erbringen musste. Nach der Rüge sollen die Geldgeber aus der Wirtschaft der Region nun im jährlichen Sponsoring-Bericht der Landesregierung ausgewiesen werden.
Freie Kulturszene – Newcomer ohne Chance
Es ist einer Dauerklage der freien Kultur-Szene im Land Brandenburg, dass sie unterfinanziert ist. Das Wissenschafts- und Kulturministerium fördert Einrichtungen der Soziokultur und freie Theater mit jährlich rund 1,1 Millionen Euro, für ein Flächenland wie Brandenburg nicht viel. In seinem Jahresbericht rügt der Rechnungshof nun, dass es auch hier inzwischen Pfründe gibt, dass immer die gleichen Empfänger das Geld bekommen. „Eine gültige Förderrichtlinie gab es nicht“, heißt es. Die letzte sei seit 2008 außer Kraft. „Fördermittel erhielten über Jahre hinweg dieselben Zuwendungsempfänger und dies annähernd in gleicher Höhe.“ Empfänger sind vier Projekte und drei Landesverbände in der Soziokultur, die 410 000 Euro bekommen, sowie sechs freie Theater und ein Landesverband, die 671 000 Euro bekommen. Die Folge beschrieb Rechnungshof-Präsident Thomas Apelt drastisch: „Der Fördermodus führt dazu, dass innovative neue Vorhaben keine Chance haben.“ Die etablierte freie Szene im Bündnis mit dem Mangel verwaltenden Ministerium für neue Initiativen keinen Raum. Der Rechnungshof mahnt an, „dass der Erfolg der Förderung besser überprüft und dokumentiert wird. Die ihm zur Verfügung gestellten Akten ließen eine aussagekräftige Erfolgskontrolle nicht erkennen.“ Das Ministerium ist dabei, die Kulturförderung neu auszurichten.
Frühpensionierungen und Derivatgeschäfte Im Bericht werden weitere Einzelfälle aufgelistet, wo der Rechnungshof Mängel sieht - etwa bei unwirtschaftlichen Gästehäusern der Hochschulen, der Förderung der Verbraucherzentrale und des Naturschutzfonds Brandenburg, der Millionen auf Festgeldkonten liegen hat. Doch es gibt auch Hinweise auf teure strukturelle Defizite, so im Personalmanagement bei den Landesdienern und bei Finanzmarkt-Geschäften in Milliardenhöhe. Zum ersten geht jeder vierte Beamte Brandenburgs, wenn er in den Ruhestand geht, vorzeitig - wegen von Amtsärzten attestierter Dienstunfähigkeit, Polizisten, Lehrer, Strafvollzugsbedienstete, krank, ausgebrannt, im Alter zwischen 49 und 51 Jahren. In keinem ostdeutschen Bundesland ist die Quote der Frühpensionierungen höher als in Brandenburg (24,3 Prozent), nur Berlin mit 32,4 Prozent ist schlechter. Das treibt die Versorgungslasten in die Höhe - die Mindestversorgung beträgt monatlich 1330 Euro. Der Rechnungshof fordert Aktivitäten, um die hohe Zahl der Frühpensionierungen zu verringern. „Das sollte Priorität haben.“ Noch gravierender ist die Rüge zu Derivatgeschäften des Landes, bei denen „mehr Transparenz“ überfällig sei, sagte Apelt. Der Gesamtbestand der Papiere habe ein Volumen von 14,6 Milliarden Euro, allein 2010 machte das Ministerium Derivatgeschäfte über 1,7 Milliarden Euro. Der Hof fordert, dass das Finanzministerium Käufe und Verkäufe detailliert veröffentlicht - und nicht mehr saldiert in den Zinsausgaben des Landes im Haushalt versteckt. Dies sei auch für die Kontrolle durch das Parlament geboten, sagte Apelt. In einem konkreten Fall nimmt der Hof Anstoß, dass sich das Ministerium auf Grundlage mündlicher Absprachen bei den Kosten für eine „Roadshow“, einer Präsentation vor Finanzinvestoren im Ausland, an der zwei Mitarbeiter teilnahmen, teilweise von einer Investmentbank aushalten ließ, mit der man wiederum 2011 Derivatgeschäfte machte, und zwar mit einem Volumen von 4,275 Milliarden Euro, einem Vielfachen der Jahre zuvor. „Das Ministerium hat den Vorwurf zurückgewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Roadshow und den Derivatgeschäften gibt“, sagte Apelt dazu. „Wir haben den Vorwurf gar nicht erhoben.“ Das Ministerium selbst habe „unnötig bösen Anschein“ erzeugt.
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