zum Hauptinhalt
Nicht durchdacht. So sieht der künftige Flughafen Berlin-Brandenburg in Schönefeld von oben aus. Wann er eröffnet wird, ist nach den jüngsten Entwicklungen wieder offen.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Alle schießen sich auf einen ein

Wird BER-Baustopp vor der Berlin-Wahl 2016 auch für Aufsichtsratschef Michael Müller zum Problem?

Stand:

In Berlin wird im Herbst 2016 ein neues Parlament gewählt: Es ist die erste Landtagswahl, die der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) selbst gewinnen müsste, um das Rote Rathaus weiter zu regieren. Und der Wahlkampf beginnt schon – und zwar um den BER-Flughafen, wo Müller der Chef des Aufsichtsrates ist. Der jüngste Baustopp am BER ließ am Montag selbst die CDU, den Koalitionspartner, auf Konfrontationskurs gehen. In ungewöhnlich scharfer Form kritisierte der CDU-Vize-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, Stefan Evers, den Regierenden. Er solle umgehend für einen reibungslosen Informationsfluss in der Flughafengesellschaft sorgen. Das Klima im rot-schwarzen Bündnis wird rauer.

„Seitdem Müller den Vorsitz des Aufsichtsrats übernommen hat, vermisse ich klare Akzente“, sagte Evers. Er sei nicht einmal dazu bereit gewesen, das Kontrollgremium „mit der fachlichen Expertise zu verstärken, die es in einer solchen Situation dringend bräuchte“. Der CDU-Politiker erwartet nun eine „ehrliche Aussage“, ob die Einhaltung des avisierten Eröffnungstermins in der zweiten Jahreshälfte 2017 vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen noch realistisch sei. Er habe da Zweifel, so Evers. „Die Geschichte verdrängter Probleme darf sich aber nicht wiederholen.“

Der Vize-Fraktionschef der Union nahm auch BER-Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld und Technikchef Jörg Marks aufs Korn. Sie würden offenbar nicht einmal mehr von den eigenen Leuten über den Zustand auf der Baustelle informiert. Dies gefährde das Vertrauen ins Flughafen-Management ganz erheblich. Evers bezog sich mit seiner Kritik darauf, dass der Geschäftsführung und dem Projektausschuss des Aufsichtsrats die Ergebnisse des Statik-Gutachtens und die folgende Teilsperrung des Daches erst mit großer Verspätung mitgeteilt wurden.

Die Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop sprach angesichts des Baustopps von einem „bisher nicht gekannten Tiefpunkt beim Flughafenbau“. Offenbar setze sich das „Wowereit’sche Chaos“ fort. Dessen Nachfolger, der Regierende Bürgermeister und BER-Aufsichtsratschef Michael Müller (SPD) bekomme die Lage wohl auch nicht in den Griff. Müller müsse dem Abgeordnetenhaus erklären, wie es weitergehe, forderte Pop. Der Fraktionschef der Piraten, Martin Delius, nannte den Flughafen ein „gescheitertes Projekt“ und forderte den Senat auf, ein „realistisches Ausstiegsszenario“ zu entwickeln.

In Brandenburg erklärte Grünen-Oppositionschef Axel Vogel: ,,Das Bekanntwerden dieses neuerlichen schweren technischen Problems zeigt einmal mehr, dass die Flughafengesellschaft weder das Know-how, noch die Erfahrung besitzt, ein solches Großprojekt zu stemmen.“ Nach seinen Worten hätte die Flughafengesellschaft FBB nie mit dem Bau des Terminals beauftragt werden dürfen. „Es doch zu tun, war ein schwerwiegender Fehler.“ Zudem zeige sich, „wie indiskutabel die Informationspolitik der FBB ist.“ Es werde klar, „wie richtig das Herangehen einer gründlichen Fehleranalyse des früheren Technikchefs Horst Amann war und wie falsch der von Hartmut Mehdorn praktizierte Weiterbau im Sprinttempo ohne Rücksicht auf Verluste." Der Baustopp wirft den Zeitplan für die eine Eröffnung bis Ende 2017 weiter zurück. Am Freitag tagt der Aufsichtsrat. Eigentlich sollte es dort vorrangig um nötige Kapazitätserweiterungen am BER gehen, da der Flughafen, wie er jetzt errichtet ist, zum Start nur 22 Millionen Passagiere abfertigen kann. In Tegel und Schönefeld/Alt werden aber schon 2015 29,4 Millionen Passagiere abgefertigt, 2017 werden 33,8 Millionen Passagiere erwartet.

Immerhin erweisen sich dafür die knapp 40 Millionen Euro für den ewigen Berliner Großflughafen Tegel urplötzlich als weitsichtige Investition. Nachdem zunächst unter anderem neue Kältemaschinen für die Klimaanlage in das Terminal eingebaut wurden, steckt die Flughafengesellschaft zurzeit rund 19 Millionen Euro in die Aufrechterhaltung der Betriebssicherheit des Airports.

Davon fließen drei Millionen Euro für einen neuen „Anti-Skid-Belag“ auf der südlichen Start- und Landebahn. Der Belag verbessert die Griffigkeit vor allem bei schlechtem Wetter. Er hält rund vier Jahre – und so viel Zeit könnte angesichts der neuen Probleme beim BER bis zu dessen Inbetriebnahme durchaus verstreichen. Außerdem will der Flughafen noch die Gepäckfördertechnik ertüchtigen, das Langstreckengate im Terminal A erweitern, die automatischen Bordkartenkontrollen ausweiten und den internen Funkverkehr modernisieren. Außerdem sollen das Leitungs- und Kanalsystem erneuert sowie neue Asphaltflächen an der Zufahrt zum Haupteingang gebaut werden.

Im Sommer 2016 soll das Gesamtprogramm abgeschlossen sein. Auch ins alte Terminal in Schönefeld, das die Flughafengesellschaft mindestens fünf Jahre weiterbetreiben will, muss kräftig investiert werden, unter anderem in die Gepäcktechnik. Außerdem wird für Ryanair eine provisorische Abfertigungshalle gebaut.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })