Brandenburg: Alles teurer – auch die U-Bahn-Linie 5 Die Kalkulationsschwäche der öffentlichen Hand
Berlin/Potsdam - Die Kosten für die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 in Berlin vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor wird um weitere 92 Millionen Euro teurer. Gegenüber der ursprünglichen Kalkulation sogar noch mehr: von 700 Millionen auf 845 Millionen Euro.
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Berlin/Potsdam - Die Kosten für die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 in Berlin vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor wird um weitere 92 Millionen Euro teurer. Gegenüber der ursprünglichen Kalkulation sogar noch mehr: von 700 Millionen auf 845 Millionen Euro. Dahinter steckt ein System von unrealistischer Planung, unseriöser Kostenkalkulation und Lüge. Wäre die Politik von Anfang an ehrlich, blieben viele Projekte in den Schubladen. Oder es würde wenigstens darüber diskutiert – öffentlich und transparent. Berlin und Brandenburg, aber auch der Bund, gehen nicht selten mit schlechtem Beispiel voran. Beispiele:
PARLAMENTE VOM FEINSTEN
Wenigstens die Landesparlamente sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Aber als der damalige Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Jürgen Wohlrabe (CDU), Anfang der 90er-Jahre für den Umzug der Volksvertretung vom Rathaus Schöneberg in den ehemaligen Preußischen Landtag warb, sollten Sanierung und Umbau 40 Millionen Euro kosten. Am Ende waren es 162 Millionen Euro.
Auch die Kollegen in Brandenburg ließen sich nicht lumpen – wenn auch auf niedrigerem Niveau. Der kürzlich vollendete Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses als Landtag kostete letztlich 120 Millionen Euro. 2005 war noch von 80 Millionen Euro die Rede (allerdings ohne historische Fassade).
ICH BAU MIR EIN SCHLOSS
In das Berliner Stadtschloss, das bis 2019 rekonstruiert werden soll, wird zwar nicht der Bundestag oder das Abgeordnetenhaus einziehen. Aber die Baukosten explodieren trotzdem. Schon vor zwei Jahren musste der Bund die Obergrenze von 552 Millionen Euro auf 590 Millionen Euro erhöhen. Die Endabrechnung könnte, so Experten, bei 900 Millionen Euro liegen. Die aufwendige Fassadengestaltung und der schwierige, sowohl sumpfige wie auch sandige Untergrund sind finanzpolitisch gesehen die größten Risikofaktoren. Mit 30 Millionen Euro ist die Risikovorsorge äußerst knapp ausgelegt. Offen ist auch, ob die 80 Millionen Euro aus privaten Spenden zusammenkommen. Und weitere 15 Millionen Euro geplante Spenden für den Bau der Kuppel in historischer Gestalt.
GANZ SCHÖN AUFGEFLOGEN
Über den Flughafen BER mag man in diesem Zusammenhang gar nicht mehr reden. Am Bau- und Finanzdesaster sind der Bund, Berlin und Brandenburg gleichermaßen beteiligt. Zum Baubeginn 2006 kündigten die drei Gesellschafter an, dass der Hauptstadt-Airport für gute zwei Milliarden Euro zu haben sei. Aber dann wurde das Projekt immer größer, komplexer und finanziell gänzlich unkalkulierbar. Der offizielle Kostenrahmen liegt aktuell bei 4,6 Milliarden Euro. Wenn der Flughafen 2015/16 eröffnet wird, werden es voraussichtlich mehr als fünf Milliarden Euro sein. Davon 2,4 Milliarden Euro Kredite, den Rest trägt die öffentliche Hand.
KEIN SCHLAPPER HUT
Der Umzug des Bundesnachrichtendienstes (BND) von München-Pullach in die Hauptstadt wird voraussichtlich die Milliardengrenze weit überschreiten. Derzeit liegt die Kostenobergrenze, die vom Bundestag vor einem Jahr um weitere 100 Millionen Euro heraufgesetzt wurde, bei 912,5 Millionen Euro. Der bisherige Vorsitzende des Innenausschusses des Bundesparlaments, Wolfgang Bosbach (CDU), schätzt die Gesamtausgaben aber auf 1,5 bis zwei Milliarden Euro. Mehr als doppelt so viel wie die anfänglich avisierten 720 Millionen Euro.
TEUER GEBETTET
Im Vergleich zu Flughafen und BND sind die Mehrausgaben für das Bettenhochhaus der Berliner Charité ein Klacks. Die Grundsanierung sollte ursprünglich 160 Millionen Euro kosten. Dann genehmigte der Senat doch 185 Millionen Euro, fand dafür aber trotz europaweiter Ausschreibung keine Baufirma. Jetzt werden 202,5 Millionen Euro für die Sanierung veranschlagt.
AM ENDE DES TUNNELS
Wenn sich das Land Berlin finanziell beteiligt, ist der Bund angeblich bereit, für die Dresdner Bahn durch den Ortsteil Lichtenrade einen Tunnel zu bauen. Seit 15 Jahren fordern das die Anwohner. Das Verkehrsprojekt dürfte dadurch aber 100 bis 150 Millionen Euro teurer werden. Und erst weit nach 2020 fertig werden. Der Bau der Eisenbahnstrecke ohne Tunnel soll nach aktuellem Stand 560 Millionen Euro kosten. Es zahlt der Bund.
LUXURIÖSE KILOMETER
Die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn A 100 vom Dreieck Neukölln nach Treptow wird ein sündhaft teures Bauvorhaben. Zurzeit werden die Kosten vom Bundesverkehrsministerium auf 472,5 Millionen Euro veranschlagt. Das sind 148 Millionen Euro je Kilometer sechsspuriger Asphaltpiste; Ursprüngliche Kostenschätzung: 420 Millionen Euro. Ulrich Zawatka-Gerlach
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