Brandenburg: Altanschließer: Ministerium warnt Verbände
Sollten Kommunen nach dem Urteil aus Karlsruhe Beitragsrückzahlungen forcieren, könnte das eine Straftat sein
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Potsdam - Brandenburgs Innenministerium hat in der Altanschließer-Debatte die Zweckverbände und Kommunen vor der Rückzahlung bestandskräftiger Anschlussbeiträge gewarnt – und indirekt mit den Strafverfolgungsbehörden gedroht. Der für Kommunalangelegenheiten zuständige Abteilungsleiter des Innenministeriums, Rudolf Keseberg, sagte am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags: „Wenn durch Rückzahlung die Aufgabenträger in finanzielle Schieflage geraten, können die handelnden Organe sogar Straftatbestände begehen.“ Möglich wäre hier Untreue.
Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) pochte darauf, zu finanziellen Hilfen des Landes wegen der durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts unwirksam gewordenen Anschluss-Beitragsbescheide zunächst keine Entscheidungen zu treffen. Das Land werde in der kommenden Woche ein Rechtsgutachten in Auftrag geben. „Wir wollen das Ergebnis abwarten und nicht vorschnelle Entscheidungen treffen, die am Ende irreparabel sind“, sagte der Minister. Allerdings schloss Schröter nicht aus, dass einzelne Kommunen wegen möglicher finanzieller Notlagen der Zweckverbände durch das Altanschließer-Urteil mit Landesgeld gestützt werden. „Kommunale Selbstverwaltung ist auch das Recht, kommunale Fehler zu machen. Von diesem Recht haben die einen mehr, die anderen weniger Gebrauch gemacht“, sagte Schröter.
Das Bundesverfassungsgericht und danach das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hatten die Bescheide über vier- bis fünfstellige Beiträge für Abwasser-Anschlüsse aus DDR-Zeiten und bis Ende der 1990er-Jahre für unwirksam erklärt. Mit diesen Beiträgen wollten Abwasserverbände und Kommunen ihre Investitionen in die Kanalisation und oft überdimensionierte Klärwerke finanzieren. Der Städte- und Gemeindebund schätzt die Kosten für Rückerstattungen und durch Beitragsausfälle auf mindestens eine halbe Milliarde Euro.
Um eine Lösung zu finden, habe sich zudem in der vergangenen Wochen eine interministerielle Arbeitsgruppe konstituiert. Rein rechtlich stehe fest, dass die Vollstreckung von rechtskräftigen Bescheiden nicht möglich sei. Bislang war nur klar, dass von dem Urteil nur jene profitieren, die ihren Beitragsbescheiden widersprochen und nicht gezahlt haben. In einem Rundschreiben seien die Landkreise und Kommune im Januar darauf hingewiesen worden, dass bestandskräftige Bescheide nicht vollstreckt werden dürften.
Allerdings warnten Schröter und Keseberg davor, dass einzelne Zweckverbände auch bestandskräftig erhobene Beiträge zurückzahlen und damit neue rechtliche Fakten schaffen. Es gebe keinen Königsweg, wie nach dem Altanschließer-Urteil nun vorgegangen werden sollte. „Ich kann deswegen auch den Kommunen nur raten, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen“, erklärte er. „Geschossen wurde reichlich, getroffen aber nicht ins Schwarze, sondern glatt daneben“, sagte Schröter. Es gelte nun Verlässlichkeit vor Schnelligkeit. Die Landtagsabgeordnete Iris Schülzke (Freien Wähler) erklärte, es drohten neue Ungerechtigkeiten, wenn nun Verbände auf höhere Gebühren umstellen, um die Investitionen zu finanzieren. Denn viele Bürger hatten ihre Beiträge ohne Widerspruch gezahlt. „Diejenigen, die gezahlt haben, werden dann über Gebühren noch mal belastet“, sagte sie.
Schröter erklärte, es gebe eine Vielzahl rechtlicher Probleme und Fallkonstellationen. Einfache Lösungen seien nicht in Sicht. Ein Anhänger des Thüringer Modells ist Schröter nicht: Dort wurde Mitte der 2000er-Jahre die Beitragspraxis gestoppt und angeordnet, dass Alt-Beiträge unverzinst zurückgezahlt werden, allerdings nur für Wasseranschlüsse, nicht für Abwasser. Laut Keseberg hat das den Freistaat 1,5 Milliarde Euro gekostet. Effekt sei, „dass der Steuerzahler die Anschlüsse zahlt, nicht der Nutzer“. Auch Schröter hält nichts von einer Umstellung auf Gebühren. Es benachteilige die Mieter, sagte der Minister. „Die bezahlen dann die Wertsteigerung am Grundstück des Vermieters mit. Das kann nicht gerecht sein.“
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