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Von Udo Badelt: Am Roten Rathaus beginnt eine Zeitreise ins Mittelalter An Wowereits Amtssitz wollen Archäologen bald nach Ur-Berlinern graben

Funde in Mitte belegen, dass die Stadt weit älter ist als bisher gedacht

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Bauzäune, Gruben, flatternde Planen im Wind und darunter uraltes Mauerwerk – so könnte es schon bald vor dem Amtssitz von Klaus Wowereit aussehen. Dann nämlich, wenn die Archäologen vom Landesdenkmalamt anrücken, um auf dem Platz vor dem Roten Rathaus nach Zeugnissen der Geschichte Berlins zu graben.

Immer, wenn im historischen Zentrum der Stadt eine größere Baumaßnahme ansteht, dürfen zuerst die Archäologen ran. Vor dem Roten Rathaus ist es demnächst so weit, weil die U-Bahnlinie 5 zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor gebaut wird und hier ein Bahnhof entstehen wird. „Unter dem Rathaus liegen die Fundamente des mittelalterlichen und barocken Vorgängerbaus, und unter dem Platz davor befinden sich gotische Gewölbekeller. Die werden wir freilegen“, sagt Peter R. Fuchs, der im Moment die Ausgrabungen auf dem Gelände des ehemaligen Dominikanerklosters unmittelbar vor dem ehemaligen Staatsratsgebäude leitet.

Damit wird also noch eine weitere Grabungsstätte zu den bereits vorhanden hinzukommen. Im Moment wird auf dem Petriplatz, dem Schlossplatz und seit einigen Wochen auch am Alexanderplatz vor dem Haus des Lehrers gebuddelt. Und dabei finden sie immer wieder auch Relikte, die die Ursprünge Berlins ein Stückchen weiter zurück in die Vergangenheit verlegen. Das ist, wie berichtet, gerade jetzt erst wieder vor dem Staatsratsgebäude geschehen. Dort wurde bei Grabungen ein hölzerner Eckpfosten eines Kellers entdeckt; das Holz stammt aus dem Jahre 1183. Die Geburtsstunde der Doppelstadt Berlin- Cölln liegt also länger zurück als angenommen – für Historiker gilt nämlich 1237, das Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung.

Aber das ist noch nicht alles. Wahrscheinlich werden in den nächsten Jahren noch ältere Überreste gefunden. „Ich denke, wir werden noch bis 1170 zurückgehen“, meint der stellvertretende Grabungsleiter Arno Kose. Zu dieser Zeit haben die Askanier die Herrschaft in der Region übernommen, und im Zuge dieser Umwälzungen sind wohl auch die ersten Siedler aus dem Rheinland und aus Flandern an die Spree gekommen.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Historiker, die oft nur schriftliche Quellen gelten lassen, das Alter einer Stadt jünger ansetzen als Archäologen, die ältere Überreste in der Erde finden. Die Datierungsmethoden sind aber in den letzten Jahren so verfeinert worden, dass Historiker zunehmend auch die Funde der Archäologen als Quelle akzeptieren. „Zumal zwei Drittel der mittelalterlichen Urkunden gefälscht sind, um Herrschaftsansprüche zu legitimieren“, sagt Kose.

Doch irgendwann ist jede Ausgrabung abgeschlossen. Was geschieht dann mit den Stätten? Laut Karin Wagner, Leiterin der archäologischen Abteilung beim Landesdenkmalamt, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Manche bleiben als „archäologisches Fenster“ der Öffentlichkeit zugänglich, wie am Petriplatz, andere werden wieder verschüttet oder sogar neu bebaut. Und so blicken die U-Bahnfahrer am Roten Rathaus in naher Zukunft vielleicht auf die Fundamente uralter Vorgängerbauten.

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