Brandenburg: Am Scheideweg
In Schweden könnte sich heute die Zukunft der Lausitz entscheiden – und Brandenburgs Klimabilanz
Stand:
Potsdam - Die Energiepolitik in Brandenburg steht am Scheideweg – und damit auch die Lausitz. Am heutigen Montag will die Spitze des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall in Stockholm über die Zukunft der Braunkohle-Sparte entscheiden, ein Verkauf ist im Gespräch. Die Zukunft der Lausitz hängt zwar auch maßgeblich vom Ausgang der Reichstagswahlen am gestrigen Sonntag ab. Doch es gibt bereits eine Direktive der schwedischen Regierung an den Konzern. Der soll von klimaschädlichen Verstromung der Braunkohle im Ausland abrücken und stattdessen stärker auf erneuerbare Energie setzen.
Bislang setzt die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte rot-rote Landesregierung in Brandenburg auf Braunkohle als heimischem Energieträger. Sie soll als Brückentechnologie den Weg ins Zeitalter der Komplettversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien eben. Bis 2020 soll der Anteil am Primärenergieverbrauch von 14 auf 20 Prozent steigen.
In der Landesregierung herrscht nun helle Aufregung. Seit Monaten arbeiten Experten an der Neufassung der Energiestrategie des Landes. Das Papier soll erst Ende März 2011 vorliegen. Sollte Vattenfall tatsächlich ernst machen, müsste die Strategie komplett neu ausgerichtet werden.
Bislang hieß es in der 2006 vom Landtag beschlossenen Fassung, „Brandenburg bekennt sich zu einer effizienten und CO2-armen Verstromung von Braunkohle. Das ist die Zukunft der Braunkohle in unserem Land.“ Als einziger wettbewerbsfähiger heimischer Energieträger trage die Kohle zur Versorgungssicherheit und zur wirtschaftlichen Grundlaststromerzeugung weit über Brandenburg hinaus bei. Voraussetzung für die langfristige Nutzung seien aber CO2-armer Kraftwerke sowie die sichere Speicherung des Klimagases mittels CCS-Technologie.
Der Energieriese will in Jänschwalde für 1,5 Milliarden Euro ein Demonstrationskraftwerk aufbauen. Dort soll das bei der Braunkohleverstromung anfallende klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) abgeschieden, verflüssigt und über Pipelines nach Ostbrandenburg geschafft und dort unterirdisch in Endlager verklappt werden.
Doch selbst dieses Projekt steht erheblich unter Druck. Felix Christian Matthes vom Öko-Institut hält CCS für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes zwar für wichtig. Für die bei Braunkohleverstromung – die klimaschädlichste Energiequelle überhaupt – anfallenden CO2-Mengen seien die Kapazitäten aber zu gering: „Wir haben auch ein Ressourcenproblem unter der Erde.“ Vielmehr sei CCS ein Thema für die energieintensive Industriezweige wie die Zement- und die Stahlproduzenten. Zugleich hat auch Vattenfall selbst bereits deutliche Änderungen am Entwurf der Bundesregierung für ein CCS-Gesetz gefordert. Die Vorgaben sind Vattenfall-Vorstand Hubertus Altmann zu restriktiv, der Zeitrahmen für Anträge zu eng. Ohne CCS dürfte der Braunkohlestrom zu teuer werden - ab 2013 werden die Zertifikate für die CO2-Emissionen deutlich teurer. Für Investoren wird die Braunkohle also reichlich unrentabel.
Rot-Rot hat sich jedenfalls festgelegt - CCS ist zwar eine Option, aber neue Kraftwerke sollen ab 2020 nur bei drastischer Reduktion des CO2-Ausstoßes genehmigt werden. Der soll bis 2020 um 40 Prozent bis 2020 und um weitere 35 Prozent bis 2035 gegenüber dem Niveau von 1990 sinken. Ob Vattenfall selbst oder ein Käufer an dem umstrittenen CCS-Projekt festhalten, ist ungewiss. Und damit auch die Zukunft der Energiestandorte Schwarze Pumpe und Jänschwalde. Durch den drohenden Ausstieg Vattenfalls könnte der seit einigen Jahren sich verlangsame Kohleabbau gänzlich zum Erliegen kommen.
Es geht um fünf neue Tagebaue: Das laufende Braunkohleplanverfahren für Tagebau Welzow-Süd, Teilabschnitt II., sollte spätestens 2015 abgeschlossen sein. Mit einem Verfahren für Jänschwalde-Nord wird nicht vor 2015 gerechnet. Für Bagenz-Ost und Spremberg-Ost wollte Vattenfall bislang im selben Jahr einen Antrag zum Planverfahren beginnen.
Nun aber könnten Vattenfalls Ausstiegspläne den Ausbau erneuerbaren Energien enorm beschleunigen. Fast 60 Prozent des Strombedarfs in Brandenburg wird klimafreundlich hergestellt – mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2004. Verhagelt wird die Umwelt-Bilanz allerdings durch Brandenburgs Energie-Exporte – also Vattenfall. Braunkohlestrom macht immer noch 60 Prozent der gesamten Energiegewinnung aus.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: