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Enquete-Kommission: Am Scheideweg

Verhärtete Fronten zwischen Rot-Rot und Opposition. Holzschuher antwortet Müller-Enbergs

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Potsdam - Die Zukunft der Enquete-Kommission des Landtags zur Aufarbeitung der Nachwendezeit wird immer fraglicher. Ab 10 Uhr befasst sich am heutigen Freitag die Kommission mit einem Gutachten zur Praxis bei der Stasi-Überprüfung im Landtag und in den Landesbehörden, über das Rot-Rot und Opposition seit nunmehr zwei Wochen heftig streiten. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser erwartet die schwierigste Sitzung seit Gründung der Kommission vor einem Jahr. Der Rückzug des Politikwissenschaftlers Wolfgang Merkel wegen des wissenschaftlichen Niveaus und der politischen Debatte müsse Anlass zum Innehalten und zur Selbstüberprüfung sein. Vertreter der Opposition müssten erklären, ob es ihnen „um unser Land Brandenburg“ gehe oder um „ein dämonisches Zerrbild“. Mitglieder der SPD-Fraktion denken bereits darüber nach, das Gremium platzen zu lassen.

Trotz Apellen für eine sachliche Debatte wie von Kommissionschefin Susanne Melior (SPD) sind die Fronten verhärtet. Rot-Rot und Opposition stehen sich unversöhnlich gegenüber. Melior sagte, die Kommission sollte nicht Stoff für politische Schaukämpfe liefern, sondern Vorschläge für den besseren Umgang mit der Vergangenheit erarbeiten. Meliors Vize, der CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski, sagte, der Appell gelte für die SPD-Fraktion selbst. Die öffentliche Aufregung sei durch sachfremde Bewertungen des SPD-Fraktionschefs Ralf Holzschuher entfacht worden, der nicht Mitglied der Kommission ist.

Holzschuher selbst griff das Enquete- Gutachten erneut an. In einem Antwortschreiben an den Wissenschaftler Helmut-Müller Enbergs, der als Enquete-Mitglied am 14.Juni in einem in den PNN veröffentlichen offenen Brief nach den Grundlagen für die polemischen Attacken gegen das Gutachten gefragt hatte, heißt es: „Die Häufung von unvollständig genutzten Fakten lässt aus meiner Sicht keinen anderen Schluss zu, als dass die Autoren der Studie ihre vorgefasste Meinung belegen wollten.“ Mit „sachlicher Aufarbeitung nach wissenschaftlichen Standards hat das nichts zu tun“. Dabei geht es in dem Papier am Rande auch um Ex-Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) und dessen Stasi-Vergangenheit, vor allem aber darum, dass es im Landtag und im Regierungsapparat eine systematische Stasi-Überprüfung ausblieb. „Solche Meinungsstudien tragen nicht dazu bei, dass die Arbeit der Enquete-Kommission zu einem positiven Abschluss kommen kann“, so Holzschuher. Er sei für Aufklärung, „aber auch für ein Klima, in dem Aufarbeitung oder gar Verzeihen möglich ist“.

Dem widersprach der Direktor des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF), Martin Sabrow. Voraussetzung für den Erfolg der Kommission sei, dass die Frage nach der historischen Wahrheit energischer von der Frage der politischen Befriedung und der moralischen Versöhnung getrennt werde. Die Kommission sei wegen der „öffentlich wieder einmal auf die MfS-Frage zugespitzten Diskussion“ in eine „auch selbst verschuldete Schieflage geraten“. In der Schärfe überrasche ihn der Konflikt. Die Kommission könne aber wichtige Impulse geben. Wichtig sei, „der gegenwärtigen Verengung auf den MfS-Komplex den Blick auf die Rolle des Parteiapparats in der SED-Diktatur wie in der Umbaugesellschaft der 90er Jahre entgegenzusetzen“. Die Seriosität der Gutachten sei „überaus unterschiedlich“. A. Fröhlich/Th. Metzner

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