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Brandenburg: Am Steuer eine Kurznachricht vom Tod

Smartphones lenken Fahrer zunehmend ab. Doch die Polizei erfasst das nicht eigens als Unfallursache

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Potsdam/Berlin - Noch schnell eine SMS versenden, mal kurz die Neuigkeiten auf der Facebook-App auf dem Smartphone durchgehen oder just das Foto über Whatsapp verschicken – und all das womöglich während der Autofahrt mit einer Hand am Steuer. Für viele gehört diese Art von „Multitasking“ dazu – doch sie kann tödlich enden und sprichwörtlich von einer Sekunde zur nächsten unfassbares Leid bringen. Doch nicht nur in den USA, wo gerade Werner Herzogs bewegender Dokumentarfilm („From One Second To The Next“) über die Gefahren des SMS-Schreibens am Steuer an Schulen gezeigt werden soll, ist dies ein Problem.

Auch hierzulande entstehen immer mehr Unfälle, weil die Fahrer durch ihr Smartphone abgelenkt sind oder das Herumfummeln am Handy zumindest mit eine Ursache dafür ist, dass sie eine Gefahr zu spät erkennen.

Auch in Brandenburg und Berlin gehen die Verkehrsexperten davon aus, dass die Ablenkung durch Handys am Steuer sehr hoch ist. Doch statistisch lässt sich das nur in einem kleinem Rahmen dokumentieren, nämlich anhand der beweisbaren Fälle. Hier seien die Zahlen in den vergangenen sechs Jahren gestiegen, hieß es im Berlin Polizeipräsidium. Waren es 2007 neun Verstöße, wurden 2010 zwölf registriert und 2011 schon 28. Dies sind wohlgemerkt nur die bewiesenen Fälle – beispielsweise wenn es Zeugen gibt oder der Verursacher selbst die Handynutzung zugibt, erklärt der stellvertretende Chef der Verkehrspolizei, Andreas Tschisch. Die Dunkelziffer hingegen sei extrem hoch. Experten gehen von bis zu 98 Prozent aus. Denn wer gibt schon freiwillig an, dass das Tippen am Handy der Grund für die Ablenkung war, als es krachte? „Ein Nachweis ist für uns in der Regel sehr schwer“, sagt Tschisch.

In Brandenburg gibt es erst gar keine Zahlen. „Das ist schwierig zu erfassen und belegen“, sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums in Potsdam. Es gebe keine konkreten Angaben zum SMS-Schreiben im Zusammenhang mit Unfallzahlen. „Das wird auch nicht gesondert erfasst“, sagt Keck.

Und so taucht das SMS-Tippen auch nicht in der Unfallstatistik auf. Bei den insgesamt rund 130 000 Verkehrsunfällen in Berlin und 80 654 Verkehrsunfällen in Brandenburg im vergangenen Jahr werden als Hauptursachen zu hohe Geschwindigkeit, falsches Abbiegen und Vorfahrtmissachten, aber auch Baumunfälle aufgeführt.

Doch nicht nur Autofahrer müssen sich in Acht nehmen, wenn sie beim Herumspielen am Smartphone während der Fahrt von der Polizei erwischt werden, was 40 Euro und einen Punkt im Zentralregister in Flensburg zur Folge hat. Auch Radfahrer scheinen immer häufiger die Zeit, während sie in die Pedalen treten, zum digitalen Austausch mit anderen nutzen zu wollen. Fahrradzubehör-Händler verkaufen immer mehr „Handy-Halterungen“ für Räder. „Ein sehr nachgefragter Artikel in der letzten Zeit“, wie etwa ein Verkäufer von „The Bike Store“ im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg sagt. „Durch die verschiedenen Funktionen auf den Smartphones wird das Telefon auch immer mehr als Navi genutzt“, sagt er. Doch hier warnt die Polizei: Auch das Eintippen von Daten, wenn das Handy als Navi fungiert, sei verboten, weil der Radler dadurch abgelenkt werde. 25 Euro kostet das.

In den USA hat das Thema schon vor drei Jahren große mediale Aufmerksamkeit erhalten, nachdem die Telefongesellschaft „AT&T“ in mehreren Werbespots die Opfer und Angehörige von Verkehrsunfällen, die durch SMS am Steuer verursacht wurden, zeigte. Kürzlich machte sich US-Teenie-Star Justin Bieber für eine Kampagne gegen das SMS-Schreiben am Steuer stark. Partner ist eine Software-Firma, die eine App entwickelt hat, mit der die SMS- und Mail-Funktion unterdrückt wird, sobald man in einem Auto sitzt, das eine bestimmte Geschwindigkeit hat.

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