Brandenburg: Amanns lange Liste der Schande
Der Technik-Chef startete furios. Doch losbauen konnte er nicht, er fand immer neue Mängel und Probleme
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Schönefeld - Über die BER-Baustelle hat der Mann klare Worte gefunden. Doch hinsichtlich eines Zeitplanes für die Flughafeneröffnung will sich der für den Bau zuständige Geschäftsführer Horst Amann ganz und gar nicht festlegen. „Die Probleme sind leider Gottes nach dem, was wir jetzt wissen und was wir sehr mühevoll in den letzten Monaten aufgedeckt haben, heftig, sehr heftig. Und zwar so gravierend, fast grauenhaft, dass die Maßnahmen, die wir jetzt ergriffen haben, notwendig waren“, sagte Amann am Dienstagmorgen seinem früheren Heimatradiosender, dem Hessischen Rundfunk.
Der bauliche Zustand der Brandschutzanlage habe sein Team „in der Tat überrascht, da gibt es heute zum Teil noch Überraschungen“, sagte Amann der Nachrichtenagentur dpa. Bei Rauchgasversuchen im Terminal vor Weihnachten habe sich gezeigt, dass die Entrauchungsanlage „nicht auf Anhieb funktioniert“ und zeitraubende Nacharbeiten nötig seien. Er habe die Reißleine ziehen müssen. In Teilbereichen der Brandschutzanlage müsse nun geprüft werden, ob nicht ein Umbau „der schnellere Weg“ wäre, um die Genehmigung der Baubehörde zu bekommen, als eine Nachsteuerung der bisherigen Anlage. „Das muss nicht sehr lange dauern, aber heute ist das nicht möglich“, so Amann. Der Zeitplan könne auch nicht eingehalten werden, weil die Mängel im Verborgenen liegen, „und wir beispielsweise nicht mehrere Hunderttausend Quadratmeter Decken aufreißen konnten“, sagte Amann. Keiner könne ihn zwingen, sich jetzt auf einen neuen Eröffnungstermin einzulassen. Erst müsse die Wahrheit schonungslos auf den Tisch. Danach müsse man in Abstimmung mit den Behörden sehen, was „planerisch und baulich“ notwendig sei. Dies dauere ungefähr ein halbes Jahr.
Amanns Liste über dieWahrheit auf der BER-Baustelle, über das Grauen wurde nach seinem furiosen Start immer länger – und das abgesehen von der Brandschutzanlage, bei der die Anlagenteile von Siemens und Bosch nicht miteinander kompatibel sind. Schon im November warnte das für die Brandschutzplanung zuständige Ingenieurbüro hhp, der Eröffnungstermin sei kritisch. Nötige Umbauten und die Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde im Landkreis würden mehr Zeit als geplant beanspruchen.
Amann konnte die Bauarbeiten kaum voranbringen, sondern fand immer neue Mängel: Es wurde abweichend von der Baugehmigung gebaut, die Frischluftzufuhr funktioniert nicht, für einige Teile ist die Betriebszulassung schon wieder abgelaufen. Abweichend von den Vorgaben wurden statt Schließzylindern elektronische Schlösser eingebaut. Die Brandschutzbeschichtung von Stahlträgern ist fehlerhaft, Probleme gibt es bei der Sprinkleranlage. Bei 60 Kilometer Kühlleitungen fehlt die Dämmung, teilweise sind die Leitungen in Mauerwerk verlegt worden. Auch das Datenübertragungsnetzwerk, über das die ganzen Abläufe vom Check-In bis zum Flugfeld gesteuert werden, funktioniert nicht recht.
Wie viel Zeit Amann haben wird, um das alles zu beheben, kann sich am nächsten Mittwoch entscheiden. Wenn, wie erwartet, der bisherige Sprecher der Geschäftsführung, Rainer Schwarz, vom Aufsichtsrat entlassen wird, müsste Amann, der Tiefbauer ohne kaufmännische Erfahren, auch diesen Job übernehmen, falls das Gremium nicht noch einen anderen Kandidaten präsentiert. Gespräche gibt es nach PNN-Informationen immerhin. So soll auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Fraport AG, der Betreibergesellschaft des Flughafens in Frankfurt am Main, Wilhelm Bender, im Rennen sein. Auch eine Frau oder ein Mann fürs Finanzielle wird gesucht. Wird man fündig, könnte auch der Finanzier die Sprecherrolle übernehmen und Amann entlasten.
Kaum vorstellbar ist, dass die strauchelnde Flughafengesellschaft über einen längeren Zeitraum allein von Amann geführt werden könnte. Es gab Zeiten, da waren es drei Geschäftsführer. Doch der Bund hat bereits den Antrag eingebracht, Schwarz auf der nächsten Sitzung des Aufsichtsrats am 16. Januar abzulösen. Die Vertreter Brandenburgs, die bisher im Gremium wie die Berliner dagegen waren, wollen nach PNN-Informationen zustimmen, und auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat inzwischen zu erkennen gegeben, dass Schwarz nicht mehr zu halten ist. Um Schwarz abzulösen reicht eine einfache Mehrheit im Aufsichtsrat.
Dabei nimmt man auch in Kauf, dass Schwarz eine hohe Abfindung erhalten wird, denn sein Vertrag läuft noch bis 2016. Angesichts der mindestens 1,2 Milliarden Euro Mehrkosten, die es bis jetzt gibt, sei dies zu verschmerzen, heißt es bei den Verantwortlichen. Schwarz sei jedenfalls nicht mehr zu halten, auch wenn er versucht habe, die Verantwortung fürs Desaster stets auf andere abzuwälzen.
In der Verantwortung steht jetzt auch Amann. Er war es, der am Freitag die Briefe mit der Botschaft, dass der Eröffnungstermin im Oktober nicht mehr zu schaffen ist, an die Gesellschafter geschickt hatte. Im Mai, als nicht mehr zu verheimlichen war, dass der damalige Eröffnungstermin im Juni 2012 platzen würde, rief Schwarz noch direkt bei Wowereit an. Amann war noch in Frankfurt. Als Machertyp, redegewandt und humorvoll, wenn es die Situation erlaubt, erschien Amann auf der Berliner Bühne – gekommen vom Flughafen in Frankfurt am Main. Dort war er für den Bau der vierten Landebahn zuständig. Beim BER wurde er als der Retter verkauft, der Aufsichtsrat konnte sich hinter ihm und seinem Ruf verstecken. Jetzt zog Amann die Notbremse.
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