Atterwasch: An der Front für die Energiewende
In der Lausitz sollen Dörfer für die Braunkohle abgebaggert werden – der Widerstand formiert sich
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Atterwasch - Am Ende des Schreibens stand „Glück auf“, der Gruß der Bergmänner. Der Brief landete im Jahr 2007 im Briefkasten von Monika Schulz-Höpfner. Seit 30 Jahren wohnt sie in dem kleinen Lausitzer Dorf Atterwasch (Spree- Neiße), 240 Menschen leben hier. Doch plötzlich, mit diesem Brief, war es für die 57-Jährige und all die anderen Menschen im Dorf vorbei mit dem Glück. „Im ersten Moment war ich sprachlos, damit habe ich nicht mehr gerechnet“, sagt die CDU-Landtagsabgeordnete. Der Energiekonzern teilte den Menschen in Atterwasch mit, dass der Ort für den Braunkohletagebau abgebaggert werden soll, genauso wie die Nachbardörfer Grabko und Kerkwitz. 900 Menschen sind dort betroffen. Bedroht sind auch Teile von Welzow und das Dorf Proschim durch den Tagebau Welzow-Süd.
Fünf Jahre später steht Schulz-Höpfner vor der Feldsteinkirche von Atterwasch mit 350 anderen Menschen und organisiert den Widerstand – gegen die Abbaggerung von Dörfern, die Zerstörung ganzer Landstriche, gegen die Braunkohle und für die Energiewende. Vor einem Jahr hatte sich hier in der Kirche von Atterwasch das Bündnis „Für Heimat und Zukunft in Brandenburg“ gegründet, unter den 80 Erstunterzeichnern des Gründungsaufrufs waren Landtagsabgeordnete von CDU, Linke und Grünen in Bundestag und Landtag, etliche Kommunalpolitiker aus ganz Brandenburg, Kirchenvertreter, wie die Potsdamer Generalsuperintendentin Heilgard Asmus, Unternehmen, Agrar- und Wirtschaftsverbände. Es sind nicht mehr nur die Öko-Aktivisten und Menschen der Region, sagt Reinhard Jung vom Bauernbund. Inzwischen sind es fast 600 Unterstützer. Schulz-Höpfer hatte dem früheren Ministerpräsidenten Brandenburgs, Manfred Stolpe (SPD), geglaubt. Der hatte einst gesagt, das 2005 geräumte Horno werde das letzte Dorf in Brandenburg sein, das der Braunkohle geopfert wird. Selbst die Baubeschränkungen für Atterwasch wurden nach der Wende aufgehoben. Nichts deutete darauf hin, dass es wie Horno enden sollte, das deutschlandweit zum Symbol für den Widerstand gegen die Braunkohle wurde.
Seit fünf Jahren aber sorgen Vattenfall-Pläne für den neuen Tagebau Jänschwalde-Nord, der ab 2027 Kohle für die Kraftwerke und damit Strom liefern soll, in den Dörfern vor allem für eines, sagt die CDU-Politikerin. Verunsicherung nämlich. Die Älteren schotten sich ab, die Jüngeren sehen für sich keine Zukunft mehr. Schulz-Höpfner kennt es aus ihrer Familie. Die Enkelin ist 18 Jahre alt, in der Lehre und will Landwirtin werden – und den Hof der Familie übernehmen. „Aber so, wie es aussieht, geht sie dann wohl woanders hin“, sagte Schulz-Höpfner. „Der Tagebau gibt noch einen Schub für die Abwanderung, dabei gibt es viele Junge, die zurückkommen wollen.“
Die 57-Jährige aber will kämpfen. „Wir brauchen die Braunkohle doch gar nicht mehr“, sagt sie. Und die Menschen im Dorf würden sich nicht auseinanderbringen lassen, auf keine Angebote von Vattenfall einlassen. Sie wollen hart bleiben, eine Front bilden. „Die Energiewende entscheidet sich hier“, sagt Schulz-Höpfner.
Alexander Fröhlich
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