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Die Linke in Brandenburg: Angriff von links
Die Brandenburger Linke will 2018 erstmals Kitabeiträge abschaffen – und die vermurkste Kreisreform retten. Eine Partei, die seit 2009 das Land mitregiert, am Umfragetief und Affären leidet, will es plötzlich wissen.
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Potsdam - Eltern in Brandenburg warten schon lange darauf. Nach dem Willen der Linken, Juniorpartner in der rot-roten Koalition, sollen wie in Berlin auch hier Eltern keine Beiträge mehr für die Betreuung ihrer Kinder zahlen müssen. Zunächst für das erste Kitajahr, ab August 2018. So steht es in einem Beschluss, den ein Landesparteitag der Linken am Sonntag in Potsdam fasste. Einreicher war der von Parteichef Christian Görke – er ist zugleich Finanzminister – geführte Landesvorstand der Linken. „Wir wollen den Einstieg in die beitragsfreie Kita mit dem landesweiten Erlass von Elternbeiträgen für alle Kinder im ersten Kitajahr (also das erste Jahr, in dem ein Kind in die Kita geht) ab August 2018“, so der Beschlusstext. In seiner Rede bekräftigte Görke das Ziel der Linken, dass „jedes Kind in Brandenburg eine Kita besuchen kann, und das kostenfrei“. Dies wollen die Linken „mittelfristig“ durchsetzen.
Der Linke-Beschluss setzt die SPD unter Ministerpräsident und Parteichef Dietmar Woidke (SPD) unter Druck. Auch bei den Sozialdemokraten gibt es beitragsfreie Kitas als Ziel. Ein SPD-Parteitag hatte eine Kommission eingesetzt, die bis 2018 Vorschläge für einen Einstieg in beitragsfreie Kitas auch in Brandenburg erarbeiten soll. Solange könne man nicht mehr waren, „die Kinder sind jetzt da“, sagte Görke. Er begründete den Vorstoß in der Rede auch mit dem Flickenteppich in puncto Kitabeiträge im Land. „In Zehdenick zahlt eine Familie mit drei Kindern und einem Familieneinkommen von gerade einmal 4500 Euro im Monat 1577 Euro für die Kitabetreuung!“, rechnete er vor. Das sei „nicht mehr familienfreundlich“.
Kitabetreuung in Berlin ab 2018 komplett beitragsfrei - und in Brandenburg?
Diese Zahlen stellte Görke den Verhältnissen anderswo gegenüber. „In Potsdam zahlt man mit einem Jahresnettoeinkommen von fast 150 000 Euro nur 584 Euro Kitabeitrag für sein Kind, während man beispielsweise in Mühlenbeck schon bei einem Familiennettoeinkommen von 54 000 Euro rund 670 Euro zu berappen hat.“ Diese gravierenden Unterschiede seien „weder erklärbar, noch sind sie sozial gerecht“. In Berlin wird ab 2018 die Kitabetreuung komplett beitragsfrei sein. Das beitragsfreie erste Kitajahr würde das Land jährlich etwa 35 Millionen Euro kosten. Für einen möglichen Einstieg in Entlastungen der Eltern sind im Haushalt 2018 bereits fünf Millionen Euro, 2019 dann 15 Millionen Euro vorgesehen. Für Görke kann Brandenburg den Einstieg in beitragsfreie Kitas tragen. „Ich werde auch als Finanzminister alles dafür tun, dass das finanziert wird.“
Schon der Einstieg der Rede war eine Kampfansage, und zwar an Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Der hatte vor einem Jahr Linke-Parteichef Christian Görke einen „Leichtmatrosen“ genannt, weil er einen behutsameren Kurs bei der Kreisgebietsreform gefordert hatte. Nun antwortet Görke so: „Ich hatte meinem Kollegen damals geantwortet: ,Wer nicht begreift, dass man bei wenig Wasser unterm Kiel Sandbänken oder Klippen ausweichen sollte, taugt nicht für schwere See’.“ Und: „Dieses Zitat sollte sich bewahrheiten.“
Görke für Korrekturen bei der neuen Kreis-Landkarte
Tatsächlich könnte aktuell die See, für die Schröter nach Ansicht des Linke-Chefs nicht taugt, für Rot-Rot wegen der Kreisgebietsreform mit 130 000 Unterschriften der Volksinitiative kaum stürmischer sein. Und nun? Wie Görke verkündete, will die rot-rote Koalition Konsequenzen aus der „berechtigten Kritik“ an den bisherigen Plänen ziehen. „Eine erste Schlussfolgerung wird es geben, Kapitän und erster Offizier werden jetzt übernehmen und eine bessere Navigation suchen.“ Übersetzt heißt das, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die Kreisreform offensichtlich zur Chefsache machen will. Das hatte sich seit Wochen abgezeichnet. Dem Vernehmen nach wird erwogen, eine Stabstelle in der Staatskanzlei einzurichten, um angesichts des Volksbegehrens und des kaum noch abzuwendenden Volksentscheids wenigstens weitere Pannen abzuwenden. Inhaltlich sprach sich Görke für Nachbesserungen an der bisher geplanten neuen Kreis-Landkarte aus, bei der aus 18 Gebietskörperschaften zehn werden sollten. Er sagte auch, über welche Korrekturen man nachdenkt.
„Die Kritik zur Größe des Lausitzkreises ist angekommen“, sagte er. Das heißt, es wird nicht einen Megakreis, sondern zwei Kreise – statt bisher vier – Kreise in der Lausitz geben. „Wir schauen uns auch noch einmal die Flughafenkreise Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming genauer an.“ Beide sollten bislang fusionieren. Beide gehören zu den wirtschaftsstärksten in Deutschland. Man prüfe nun, so Görke, ob sie auch 2030 noch eigene Kreisverwaltungen finanzieren können – was klar ist. Bei der Fusion der kreisfreien Städte Brandenburg, Cottbus und Frankfurt (Oder) mit den Umlandkreisen soll es aber bleiben. Da gebe es „keine sinnvolle Alternative“, so Görke. Und er sprach sich für einen neuen Investitionsfonds für benachteiligte Regionen aus, „einen Nordwest- und Lausitzfonds“, der Regionen unterstützt, „die keine direkte Berlinanbindung haben“.
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