Von Alexander Fröhlich: Ankläger wollen Sextäter nach Haft wegsperren Mehrfach Vorbestrafter soll in Sicherungsverwahrung
Potsdam - Für das Landgericht Potsdam ist es ein schwieriger Fall. Seit Montag muss es darüber befinden, ob ein mehrfach wegen Vergewaltigung verurteilter Sexualstraftäter nach zehn Jahren Haft in nachträglicher Sicherungsverwahrung untergebracht wird.
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Potsdam - Für das Landgericht Potsdam ist es ein schwieriger Fall. Seit Montag muss es darüber befinden, ob ein mehrfach wegen Vergewaltigung verurteilter Sexualstraftäter nach zehn Jahren Haft in nachträglicher Sicherungsverwahrung untergebracht wird. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hält den 43-Jährigen weiter für gefährlich. Doch der gebürtige Thüringer wehrt sich dagegen. Er beruft sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg vom Dezember 2009, wonach die rückwirkende Verlängerung der Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechte verstoße.
Der bullige Mann mit eckiger Hornbrille und dicken Gläsern hatte sich für den Prozess vor der dritten Großen Strafkammer des Landesgerichts vorbereitet: Vor sich baute er das Strafgesetzbuch, Urteilsschriften, Verfahrensunterlagen und Notizen auf und verlas dann einen in Haft selbst verfassten Antrag samt Urteilen und Paragrafen. Der gelernte Chemiefacharbeiter forderte die Einstellung des Verfahrens, weil er für bereits geahndete Straftaten nicht erneut belangt werden könne.
Das ist für die Staatsanwaltschaft weniger von Belang, weil die Gefährlichkeit des 43-Jährigen schon in früheren Verfahren eine Rolle spielte. Immerhin sitzt E. mit kurzen Unterbrechungen seit 22 Jahren in Haft. Noch in der DDR verurteilte ihn ein Militärgericht in Dresden 1989 wegen versuchter Vergewaltigung und Nötigung. 1992 folgte in Leipzig ein Hafturteil über sechs Jahren wegen Vergewaltigung und Freiheitsberaubung, dann in Gera über zweieinhalb Jahre Gefängnis wegen besonders schweren Diebstahls. Am 21. März 2000 kam er frei. Wenige Tage später überfiel er in Seddin (Potsdam-Mittelmark) eine 20-jährige Frau, zwang sie mit Tritten und Schlägen in den Kofferraum eines gestohlenen Wagens und vergewaltigte sie. Die Polizei fasst ihn auf der Flucht. In dem anschließenden Prozess berichtete das Opfer von Todesangst.
Dieselbe Kammer, die nun über die Sicherungsverwahrung entscheidet, ging damals von verminderter Schuldfähigkeit aus – wegen eines Borderline-Syndroms mit paranoiden, antisozialen Zügen und impulsiven Aggressionen. Die Richter ordneten damals neben zehn Jahren Haft die Einweisung in den Maßregelvollzug an. Doch in der psychiatrischen Landesklinik Brandenburg/Havel konnten die Ärzte im Zuge einer Überprüfung aller Patienten keine psychische Krankheit feststellen. Seither saß E. in den Haftanstalten von Brandenburg/Havel, Cottbus und seit September 2008 in Berlin-Tegel ein. Der Chefarzt des Maßregelvollzugs sagte: „Er war kein angenehmer Mensch“ einer, der persönliche Fragen „abblockte“, „er hinterfragte sich nicht selbst“, habe „stets nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip“ selbst bei Therapien gehandelt, sei als „hochgradig gefährlich“ einstuft worden. E. hätte gesagt: „Brauche ich Geld, nehme ich Geld. Brauche ich eine Frau, nehme ich mir eine.“
Im Prozess schien nur durch, was mit E. in jungen Jahren geschehen war – Verbitterung über eine Frau, die ihn verlassen hatte, als er zum Wehrdienst musste. Der Psychologe sprach von einem „von Enttäuschung und Rachegefühlen dominierten sozialen Verhalten“. Einmal nötigte der Thüringer sogar die Anstaltsleiterin, warnte vor einem „grandiosen Abgang“. Auch in Cottbus und Tegel hatte E. Probleme, randalierte, demolierte das Inventar, wie mehrere Zeugen berichteten. Die Bediensteten hätten Angst vor E. gehabt.
Der 43-Jährige hingegen sagte, bei ihm habe in den vergangenen zwei Jahren ein Prozess des Umdenkens eingesetzt. Er habe bereits einen Platz für betreutes Wohnen eines Berliner Vereins zugesichert bekommen und Kontakt zu einem Therapeuten. Tatsächlich aber soll sich E. den Aussagen der Vertreter der Anstalten zufolge immer gegen therapeutische Hilfe gesperrt haben. Selbst mit den vom Gericht bestellten Gutachtern wollte er nicht sprechen, die am Donnerstag gehört werden sollen.
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