
© T. Rückeis
Brandenburg: Ankunft in der Kaserne
Die Zentrale Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt ist zu klein, deshalb plant Brandenburg eine zweite – im sanierten Sowjetareal in Wünsdorf. Die Stadt vor den Toren Berlins hieß früher „Klein Moskau“
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Wünsdorf - Im Land Brandenburg sollen jetzt Behörden umgesiedelt werden, um Flüchtlinge unterzubringen. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) prüft eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 1200 Asylbewerber in der Waldstadt Wünsdorf, ein einst von den sowjetischen Streitkräften genutztes Militärareal. Es gehört als Ortsteil zur Stadt Zossen, bislang sind dort Landesbehörden untergebracht. Auf den ersten Blick überraschend, hat Schröter die Pläne am Wochenende bekannt gegeben.
Die Pläne sind nicht ohne Brisanz, da Zossen als eine Hochburg der rechtsextremen Szene gilt. So gab es dort 2010 einen Brandanschlag von Neonazis auf das „Haus der Demokratie“ und 2009 mehrere antisemitische Aktionen, worauf sich die Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ gründete. Deren Sprecher Jörg Wanke sagte den PNN, dass man in Zossen allerdings keineswegs überrascht von Schröters Plänen ist. Im Gegenteil: „Gerüchte, dass hier eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung entstehen soll, gibt es in Zossen schon seit Wochen. Angeblich räumen die Mitarbeiter mehrerer Behörden bereits ihre Schreibtische.“
Die Bürgerinitiative hat deshalb Anfang vergangener Woche einen Brief an den Innenminister geschrieben. Darin heißt es, dass die Diskussion unter den Bürgern wegen der Gerüchte „einen zunehmend populistischen und fremdenfeindlichen Charakter“ angenommen habe. Auch aufgrund ihrer Erfahrungen bittet die Initiative, die Bürger frühzeitig zu informieren. „Nichts stößt auf mehr Ablehnung als Intransparenz“, heißt es.
„Ohne Informationen müssen wir den Rechten das Feld überlassen“, so Wanke. Er ist überzeugt, dass Schröter auch wegen des Briefes endlich seine Pläne öffentlich gemacht hat. Die Notwendigkeit einer weiteren Erstaufnahmestätte begründet der Innenminister mit weiter steigenden Flüchtlingszahlen. 2015 erwartet das Land 9200 Asylbewerber, 2013 waren es 3300. Und die Zentrale Erstaufnahmestätte in Eisenhüttenstadt (ZAST) ist überfüllt. Dort werden Flüchtlinge einige Wochen lang untergebracht, ehe sie auf die Landkreise verteilt werden. Zwar sind bereits Außenstellen eingerichtet worden oder in Planung, etwa in Ferch oder in einer früheren Bundeswehrkaserne in Doberlug-Kirchhain, wo es ebenfalls heftige Kritik an der späten Informationspolitik gab. Aber diese Außenstellen reichen nicht aus und sind zu klein, so der Innenminister: „Wir benötigen für die Erstaufnahme auch größere Einrichtungen, weil sich die notwendigen Abläufe bei der Antragstellung, der medizinischen Untersuchung und der Versorgung der Menschen sonst nicht sinnvoll gestalten lassen.“ Daher geriet Wünsdorf ins Blickfeld.
Schröter hatte Zossens Bürgermeisterin Michaela Schreiber von der Wählerinitiative Plan B angeblich letzte Woche über die eingeleiteten Prüfungen informiert. Wenn diese, voraussichtlich in einigen Wochen, abgeschlossen seien, solle es eine Anwohnerversammlung geben. Konkret geht es um den sogenannten „Verwaltungskomplex B“ in der Hauptallee der Waldstadt Wünsdorf, einem weiträumigen Areal, das bis 1945 Sitz des Heereskommandos der deutschen Wehrmacht war und dann bis 1994 das Oberkommando der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte beherbergte.
35 000 Soldaten und ihre Familien lebten damals in „Klein Moskau“, wie es im Volksmund hieß. Danach wollte der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) daraus ein Behördenzentrum und Wohngebiet machen, was kaum gelang. In den jetzt für die Flüchtlingsunterkunft vorgesehenen Gebäuden sitzen bisher unter anderem der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes und der Landesbetrieb für Straßenwesen.
Nach den Planungen könnten in der neuen Außenstelle ab Anfang 2016 etwa 500 Menschen untergebracht werden. Bis Mitte 2017 könnte der Ausbau für etwa 1200 Plätze abgeschlossen sein. Allerdings sind dafür Umbauten und der Umzug der Landesbehörden nach Zossen erforderlich. Mit Spannung wird auch erwartet, wie Zossens Bürgermeisterin, um deren Führungsstil es seit Jahren Konflikte gibt, mit den Plänen und möglichen Bevölkerungsprotesten umgeht.
Die mittlerweile rund 50 Mitstreiter der Bürgerinitiative haben dem Innenminister ihre Unterstützung angeboten. „Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn die neue Aufnahmestelle nicht so weit von Berlin entfernt ist“, so Wanke. „Eine anständige Infrastruktur gibt es auch und die Flüchtlinge ziehen ja nicht in alte, marode Kasernen. Im Gegenteil: Die Gebäude sind sehr solide und nachhaltig saniert.“ Allerdings funktioniere das nur mit einer ehrlichen und offensiven Informationspolitik. S. Dassler / T. Metzner
Das Flüchtlingsunglück im Mittelmeer: Seite 2
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