zum Hauptinhalt
Die Retter haben Vortritt. Am Donnerstag begann die Impfung für Berlins 3500 Feuerwehrleute. Danach sollen auch die Mitarbeiter der Polizei gegen die Schweinegrippe immunisiert werden. In Brandenburg wurde das Impfangebot für Personen in soegannten Schlüsselfunktionen erst nur zögerlich angenommen.

© Reuters/Bensch

Von H. Heine, M. Matern, J. Radke, R. Schönball und C. Stollowsky: Ansturm auf die Gesundheitsämter

Nach dem Tod eines 40-Jährigen H1N1-Patienten in Berlin wollen sich viele in der Region impfen lassen.

Stand:

Potsdam/Berlin - Die Infotelefone klingeln ununterbrochen: Seit bekannt wurde, dass am Montag im Urban-Krankenhaus in Berlin Kreuzberg der erste mit Schweinegrippe infizierte Berliner gestorben ist, fühlen sich mehr Brandenburger und Berliner denn je durch das H1N1-Virus bedroht. Am Donnerstag telefonierten sich Tausende durch die Auskunftsstellen der Gesundheitsdienste in beiden Ländern. In Brandenburg ließen verunsicherte Bürger die Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) heißlaufen. Mehrfach brach deren Server unter der Last der Nutzer zusammen. Die KV hatte mit Tagesbeginn auf ihrer Internetseite eine Liste mit Adressen von insgesamt 550 Praxen freigeschaltet, die sich ab kommender Woche an der Schutzimpfung beteiligen wollen. Noch Montag lag die Zahl bei nur 450 Ärzten. Unter dem Eindruck der jüngsten Entwicklung wollen unterdessen auch in Berlin mehr Praxen als bisher die Impfaktion unterstützen.

„Jetzt ist die Schweinegrippe auch im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen“, sagte der Vorsitzende des Berufsverbandes der Allgemeinärzte in Berlin und Brandenburg, Dr. Hans-Peter Hoffert. „Das wird sicherlich dazu führen, dass es einen Ansturm auf den Impfstoff gibt.“ Schon in den vergangenen Tagen sei bemerkbar gewesen, dass die Bereitschaft zur Impfung bei Ärzten und Patienten gestiegen sei. Bislang hätten die Praxen zwar noch keinen Impfstoff erhalten. Er gehe jedoch davon aus, dass wie geplant von kommender Woche an die Impfaktion erweitert und auch in Praxen vorgenommen werden könne.

In Brandenburg startet die Schutzimpfung für chronisch Kranke und andere Risikogruppen voraussichtlich am Mittwoch. „Ich gehe davon aus, dass die Apotheken Montag und Dienstag den Impfstoff geliefert bekommen“, sagte gestern KV-Sprecher Ralf Herre. Die Resonanz auf den Aufruf zur Teilnahme der Ärzte an der Impfaktion bezeichnete er als „Erfolg“. Außerdem gehe er davon aus, dass sich in den kommenden Tagen weitere Praxen bereit erklären, mitzumachen. „Wir haben knapp 2000 Mediziner angefragt.“ In der brandenburgischen Landeshauptstadt beteiligen sich mit Stand gestern 27 Praxen und drei Kinderärzte. Im weiteren Umfeld der Stadt sind es 20 Ärzte, darunter vier Kinderärzte.

Die Veröffentlichung der teilnehmenden Mediziner stieß bei den Brandenburgern gestern auf enormes Interesse. Aber auch in den Gesundheitsämtern der Landkreise klingelten am laufenden Band die Telefone. „Viele Anrufer wollen schnellst möglich geimpft werden“, berichtete gestern etwa Jörg Brämer aus der Verwaltung des Landkreises Uckermark.

Auch in anderen Kreisen häuften sich die Anfragen. Doch eigentlich sind die in den Ämtern vorhandenen Dosen für Personen in sogenannten Schlüsselfunktionen vorgesehen. Seit Anfang voriger Woche erhalten in einer ersten Phase medizinisches Personal, Angehörige der Feuerwehr, der Polizei, des Katastrophenschutzes und anderer Rettungskräfte den Impfstoff. Wie berichtet, nahmen in der ersten Woche aber nur wenige das Angebot in Anspruch.

Mittlerweile jedoch scheinen die jüngsten Entwicklungen ihre Spuren zu hinterlassen. „Es ist deutlich mehr geworden. Wir haben jetzt zwischen 60 und 80 Personen pro Tag“, sagte gestern etwa Rüdiger Lehmann, Leiter des Sachgebietes Gesundheit in der Kreisverwaltung Teltow-Fläming.

Trotz zunehmender Impfbereitschaft sitzen viele Gesundheitsämter auf einem Überschuss an Impfstoff. In vielen Kreisen ist man deshalb dazu übergegangen auch Personen zu immunisieren, die nicht zu der ersten Zielgruppe gehören. „Wir sind aber gehalten, uns nach den geplanten Phasen zu richten“, schränkt Johanna Aulich, Amtsärztin im Kreis Potsdam-Mittelmark, ein. In Einzelfällen würden aber auch in Potsdam-Mittelmark Personen geimpft, die nicht in Schlüsselfunktionen arbeiten. Im brandenburgischen Gesundheitsministerium wird diese Praxis gestützt. „In Einzelfällen ist das absolut in Ordnung“, bestätigte Ministeriumssprecherin Claudia Szczes. Zumal eine Abfrage bei den Kreisen ergeben habe, dass nirgendwo weiterer Impfstoff benötigt werde.

Im Berliner Abgeordnetenhaus wächst dagegen die Kritik am Krisenmanagement des Senats: „Aufgrund der schlechten Vorbereitung bezweifeln wir, dass Gesundheitssenatorin Lompscher der ansteigenden Nachfrage nach einer Immunisierung gegen die Schweinegrippe gerecht werden kann“, sagte Mario Czaja (CDU). Doch bereits bei der Impfung des Schlüsselpersonals liegt offensichtlich einiges im Argen. Der Sprecher der Ärztekammer Sascha Rudat sagte: „Viele Ärzte rufen hier an, weil sie nicht wissen, wo sie sich impfen lassen können.“ Die Gesundheitsämter seien überlastet. Von den Ämtern würden die Ärzte vertröstet und zu ihren eigenen Kollegen geschickt. „Dabei sollten sie wegen des Kontakts mit Infizierten zuerst geimpft werden.“ Vonseiten der niedergelassenen Ärzte wird der Pandemieplan des Senats scharf kritisiert. Die Aktion sei „dilettantisch“ und „bürokratisch“ organisiert, heißt es.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })