Brandenburg: Arme Schlucker mit Überschüssen
Brandenburg machte im ersten Halbjahr 2013 ein Plus von einer halben Milliarde Euro, Berlin noch mehr. Das ist Spitze, auch im Vergleich der Bundesländer. Und die künftige Woidke-Regierung kann trotz BER ruhiger ins Landtagswahljahr 2014 gehen
- Thorsten Metzner
- Ulrich Zawatka-Gerlach
Stand:
Potsdam/Berlin - Es ist eine nüchterne Aufstellung aus dem Hause von Wolfgang Schäuble. Doch nach der am Montag publik gewordenen aktuellen Erhebung des Bundesfinanzministeriums gehören Brandenburg und Berlin zu den einzigen sieben Ländern in Deutschland, die im ersten Halbjahr 2013 Überschüsse erwirtschaftet haben. Danach übertrafen in Brandenburg die Einnahmen die Ausgaben nach Kassenlage immerhin um 477,3 Millionen Euro. Das Land, dessen jährlicher Etat knapp 10 Milliarden umfasst, nahm in den ersten sechs Monaten 5,3 Milliarden Euro ein. Die bereinigten Ausgaben lagen bei knapp 4,9 Milliarden Euro. Nach PNN-Recherchen kann Brandenburgs Regierung immer mehr damit rechnen, mit gefüllten Kassen und damit einem Puffer ins Wahljahr 2014 zu gehen – und so womöglich notfalls selbst zusätzliche Kapitalspritzen in dreistelliger Millionenhöhe für den Pannen-Airport BER bewältigen zu können, ohne dass der Landeshaushalt des eher armen Ost-Bundeslandes gesprengt wird.
Zwar warnt das Finanzministerium, mit Helmuth Markov vom einzigen deutschen Finanzminister mit Linke-Parteibuch geführt, vor Euphorie und voreiligen Rückschlüssen auf den Abschluss 2013. „Aber der Trend, der ist schon positiv“, sagt Sprecherin Ingrid Mattern. Das zeigt sich um somehr in den Details. Rechnet man die Einnahmen je Einwohner um, dann kommt Brandenburg mit einem Überschuss von rund 191 Euro bundesweit auf Platz drei – zwar hinter Sachsen (229 Euro) und Berlin (208 Euro), aber vor Thüringen (190 Euro) und Bayern (145 Euro). Klara Geywitz, die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion und designierte Generalsekretärin des künftigen Brandenburger Regierungs- und SPD-Chefs Dietmar Woidke, verleitete das prompt zu einer gewagten These: „Brandenburg kann besser mit Geld umgehen als Bayern.“ Gleichwohl warnte Geywitz, die Gelder gedanklich bereits für umfangreiche Mehrausgaben zu reservieren: „Die gute Haushaltsentwicklung ist natürlich nur eine Momentaufnahme. Wir wissen nicht, welche Belastungen durch den Flughafen noch auftreten können. Abgerechnet wird am Jahresende.“
Die Trendwende, nachdem Brandenburg von 1990 bis 2011 einen Schuldenberg von rund 18,6 Milliarden Euro anhäufte, läuft aber schon seit etwa zwei Jahren ab. In bundesweiten Rankings bekommt das Land für seine Finanzpolitik gute Noten. Schon 2011 und 2012 war Brandenburg entgegen den Haushaltsplänen am Ende ohne neue Schulden ausgekommen, früher als erwartet, planmäßig sollen ab 2014 keine neuen Kredite mehr gemacht werden. Die Spielräume hatten es der rot-roten Regierung des nun scheidenden Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) in den letzten Monaten erlaubt, mit Blick auf das Landtagswahljahr 2014 Konflikte zu entschärfen. Die Polizeireform wurde abgemildert, mehr Lehrer eingestellt, die Beamten-Tarife angehoben, mehr Geld für die Hochschulen beschlossen.
Während Brandenburg seit 2011 ohne Kredite auskommt, peilt man in Berlin bisher 2015 an. Die Hauptstadt, die der SPD-Regierende Klaus Wowereit oft als „arm, aber sexy“ verkaufte, erhält zwar nach der Bevölkerungszählung – es gibt deutlich weniger Berliner – eine halbe Milliarde Euro weniger Länderfinanzausgleich. Nach den neuesten Zahlen steckt die Hauptstadt das aber offenbar gut weg. Nach einem kleinen Minus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum machte die Hauptstadt im ersten Halbjahr 2013 ein Plus von 730 Millionen Euro. Je Einwohner steht Berlin mit dem Überschuss von 222 Euro Plus pro Einwohner auf dem zweiten Platz, was die Debatten um den Länderfinanzausgleich prompt befeuert. Ob sich diese Tendenz im Jahresverlauf fortsetzt und verfestigt, ist allerdings alles andere als sicher. So belief sich das Plus der Länder im ersten Halbjahr 2008 auf 3,2 Milliarden Euro, bis Jahresende hatte es sich dann auf 730 Millionen Euro reduziert. Wie aus dem Bericht hervorgeht, rechnen die Länder für das Gesamtjahr 2013 bislang mit einem Defizit von 12,8 Milliarden Euro in ihren Kassen. Dennoch: Der Ehrgeiz scheint geweckt. Schon vor Wochen verabredeten Bund und Länder, das Gesamtdefizit auf etwa fünf Milliarden Euro zu begrenzen. Doch angesichts der Wirtschaftlage sieht es eher danach aus, dass es weniger wird.
Berlins Finanzplanung sieht bisher vor, erst im Jahr 2015 ohne neue Schulden auszukommen. Bis dahin sind für das laufende Jahr noch 485 Millionen Euro, für 2014 noch 154 Millionen Euro neue Schulden geplant. Unabhängig von der Entwicklung muss die Hauptstadt für den bereits angehäuften Schuldenberg von rund 63 Milliarden Euro mehr als jeden zehnten eingenommenen Euro für Zinsen wieder ausgeben.
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