Krebserkrankungen: Ärztemangel führt zu höheren Sterberaten
Eine frühzeitige Krebs-Diagnose ist nach Einschätzung des Potsdamer Krebsexperten Professor Georg Maschmeyer auf dem Land kaum zu leisten.
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Potsdam - Die teils lückenhafte medizinische Grundversorgung im Land Brandenburg könnte nach Einschätzung von Experten für die vergleichsweise große Zahl von Sterbefällen bei Krebserkrankungen verantwortlich sein. Etwa bei Darm- und Kehlkopfkrebs weise Brandenburg eine höhere Sterblichkeit auf als andere westeuropäische Länder, berichtet der bundesweit anerkannte Krebsexperte des Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikums, Professor Georg Maschmeyer. „Vielleicht ist anderswo einfach die Behandlung besser oder es liegt daran, dass im ländlichen Raum wegen der Hausärzteknappheit oft die Diagnose zu spät erstellt wird“, meint Maschmeyer.
Sowohl in Berlin als auch in Brandenburg ist Darmkrebs die am dritthäufigsten festgestellte Krebsart. Dem Gemeinsamen Krebsregister der Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg zufolge erkrankten in der Mark zwischen 2007 und 2009 im Schnitt 1980 Personen an Darmkrebs. Bei Kehlkopfkrebs waren es lediglich 131 Personen.
Auch innerhalb Brandenburgs weist das Krebsregister eine durchschnittlich höhere Sterberate im ländlichen Raum aus. Allerdings, so Krebsexperte Georg Maschmeyer, sei die Datenlage schwer einzuschätzen. Krebserkrankungen seien in Deutschland nicht meldepflichtig und bedürfen des Einverständnisses der Patienten. Zudem ist der Aufwand im Vergleich zur Bezahlung so groß, dass manche Ärzte wohl einfach darauf verzichten würden, meint der Chefarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin am Bergmann-Klinikum. „Wenn an einer Stelle ungewöhnlich mehr Erkrankungen gemeldet werden, dann liegt das schlichtweg daran, dass dort besonders sorgfältig und fleißig gemeldet wird.“
Wie berichtet will die Bundesregierung die Voraussetzungen für die Krebs-Früherkennung verbessern. Erst vor Kurzem verabschiedete das schwarz-gelbe Kabinett in Berlin deshalb einen Gesetzesentwurf, mit dem die gesetzlichen Leistungen etwa für die Vorsorge von Gebärmutterhalskrebs oder Darmkrebs ausgebaut werden sollen. Zudem sollen die Länder verpflichtet werden, in allen Krankenhäusern Krebsregister einzurichten. Vor allem in den westdeutschen Bundesländern gibt es beim Meldewesen noch erhebliche Defizite. Das Krebsregister der fünf neuen Bundesländer dagegen basiert auf der bereits 1953 eingerichteten nationalen Erfassung der DDR.
Vor allem im ländlichen Raum ist die frühzeitige Erkennung von Krebserkrankungen eine Herausforderung. Das zumindest zeigen die Erfahrungen von Maschmeyer in Potsdam. Einige Patienten, die an seine Klinik überwiesen werden, machten einen regelrecht verwahrlosten Eindruck. „Da fragen wir uns, wie kann das sein, dass derjenige so lange mit seiner offensichtlichen Erkrankungen herumlaufen konnte, ohne dass ihn jemand zum Arzt geschickt hat.“
Eine Hilfe wäre es schon, wenn es genügend Hausärzte geben würde, meint der Experte. „In einigen Regionen ist die medizinische Versorgung einfach nicht mehr gewährleistet.“ Ließe sich das Hausarzt-Problem lösen, wäre das Thema Krebs-Früherkennung zweitrangig, ist sich Maschmeyer sicher. Für die Ansiedlung von Fachärzten im ländlichen Raum zu werben sei dagegen nicht sinnvoll. „Dort hätten sie zu wenig Patienten und wären nach kurzer Zeit pleite.“
Bedarf im ländlichen Raum sieht der Mediziner, den das Magazin Focus vor zwei Jahren auf die Liste deutscher Top-Krebsspezialisten setzte, bei der psychologischen Nachbetreuung. „Selbsthilfegruppen sind etwas, was auf dem Land völlig fehlt.“ Oft seien dort Patienten deshalb auf die sozialen Netzwerke im Internet angewiesen. „Dort aber stehen oft viele ungeprüfte Halbwahrheiten drin“, warnt Maschmeyer.
Zumindest der Mangel an Hausärzten lässt sich seiner Meinung nach durch eine eigenen medizinische Ausbildung mildern. „Wir sind das einzige Bundesland, in dem es keine akademische Medizinerausbildung gibt“, kritisiert der Potsdamer Chefarzt. Es gehe nicht darum, Top-Mediziner auszubilden, sondern gute Hausärzte. Eine eigene zentrale Ausbildungseinrichtung biete aber die Möglichkeit, junge Ärzte länger an das Land zu binden, ihnen über ein landesweites Netzwerk aus Praxen und Kliniken berufliche Perspektiven aufzuzeigen, glaubt Georg Maschmeyer.
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