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Kurzes Gastspiel. Das Altkennzeichen für Eisenhüttenstadt mit dem Kürzel EH wurde nur drei Jahre lang ausgegeben.

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Kfz-Kennzeichen: Auf Blech gestanztes Heimatgefühl

Ob die alten Autokennzeichen nach Brandenburg zurückkehren, ist noch nicht klar. In Eisenhüttenstadt sorgt das Thema für Streit

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Eisenhüttenstadt - Eigentlich sind die Messen im Landkreis Oder-Spree bereits gesungen, doch Siegfried Behrendt hofft trozdem noch auf die Unterstützung seines Landrates. Dieser solle sich doch bitte im auslaufenden Jubiläumsjahr zum 300. Geburtstag von Friedrich II. dessen Leitspruch zu eigen machen, und jeden nach seiner Fasson seelig werden lassen, meint der Eisenhüttenstädter Wirtschaftsförderer. Jetzt, wo der Bundesrat im September den Weg für die Wiedereinführung der sogenannten Altkennzeichen freigemacht hat, sollen sich auch die Eisenhüttenstädter wieder ihr altes EH-Nummernschild an ihr Auto schrauben dürfen, findet Behrendt. Bereits zweimal hätten sich die Einwohner dafür ausgesprochen. „Es würde ja keinem schaden“, findet der Wirtschaftsförder. Doch im 30 Kilometer entfernten Beeskow, dem Sitz der Kreisverwaltung, hat man offensichtlich wenig übrig für die Wünsche der Eisenhüttenstädter. Für ihn hänge die Seeligkeit nicht vom Pro oder Kontra beim Thema Altkennzeichen ab, lässt Oder-Spree-Landrat Manfred Zalenga (parteilos) auf Nachfrage mitteilen.

Besonders gut stehen die Chancen für die Eisenhüttenstädter also nicht, zumal Zalenga nach Auskunft seines persönlichen Referenten seinen Standpunkt bereits dem Land übermittelt hat. Laut Bundesratsbeschluss müssen die Länder beim Bund die gewünschten Altkennzeichen anmelden. Anfang November hat das brandenburgische Verkehrsministerium alle Landkreise angeschrieben, um das Interesse auszuloten. Noch aber seien nicht alle Stellungnahmen eingegangen, berichtet Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade. Dass das Thema auch bei ihm keinen Enthusiasmus entfacht, ist ihm anzuhören. „Wir rechnen mit einer äußerst geringen Resonanz“, sagt Schade weiter. Es glaube nicht, dass in Brandenburg die Verbundenheit zu den alten Kennzeichzen besonders groß ist, schließlich seien sie ja erst kurz nach der Wende eingeführt und mit der Gemeindegebietsreform Ende 1993 bereits wieder abgeschafft worden. „Das mag in Westdeutschland und in Thüringen oder Sachsen anders sein. In Brandenburg haben die Kreis-Kennzeichen mittlerweile eine viel höhere Indentifikationskraft, weil sie sich an historischen Regionen wie dem Barnim oder der Uckermark orientieren“, meint der Ministeriumssprecher.

In einigen brandenburgischen Städten jedoch scheint das Zugehörigkeitsgefühl zum jeweiligen Kreis geringer ausgeprägt zu sein als die Liebe zum eigenen Kennzeichen. Das zumindest zeigt eine bundesweite Umfrage der Hochschule Heilbronn in 211 deutschen Städten zwischen 2010 und 2012. Im Land Brandenburg wurden im Herbst des vergangenen Jahres 2500 Personen in zehn Städten nach ihrer Meinung gefragt, immerhin 68 Prozent der Befragten stimmten für die Altkennzeichen. Befragt worden seien allerdings nur die Bürger in jenen Städten, die früher auch ein eigenes Kennzeichen hatten, also zum Beispiel in Luckau, Finsterwalde, Eisenhüttenstadt, Wittstock und Senftenberg, räumt Professor Ralf Borchert von der baden-württembergischen Hochschule ein. „Besonders hoch war die Zustimmung in Senftenberg, Eisenhüttenstadt und in Wittstock“, berichtet Borchert.

Paul-Peter Humpert, Geschäftsführer des brandenburgischen Landkreistags, hält das Thema für überbewertet und die Umfrage der Hochschule für kaum repräsentativ, sondern „eher für eine Marktplatzbefragung“. Auch Humpert rechnet mit wenig Interesse an den alten Kennzeichen. „Außerdem gibt es noch eine ganze Reihe offener Fragen. Wer darf zum Beispiel das alte Kennzeichen für Rathenow, also RN, haben? Dürfen sich das nur die Einwohner der Stadt Rathenow anschrauben oder wie früher auch die Einwohner des Altkreises, die heute aber zu HVL gehören?“, fragt der Landkreistag-Chef.

Bundesweit sind bereits mehr als 100 alte Kürzel wieder gültig. Den Rekord hält Sachsen mit 45 Genehmigungen, gefolgt von Thüringen mit 20 und Nordrhein-Westfalen mit elf. In Brandenburg waren zwischen 1991 und Ende 1993 insgesamt 37 Altkennzeichen gültig.

Wirtschaftsförderer Behrendt spricht allerdings lieber von Heimatkennzeichen. Erst im Januar hatte die Stadt selbst ihre Bürger befragt – auf ihrer Internetseite. „Insgesamt 911 Einwohner haben mitgemacht. Eine gute Resonanz. Die Zustimmung fiel sogar noch höher aus als bei der Hochschulumfrage. 77 Prozent stimmten dafür“, berichtet der Stadtvermarkter. Das alte Kürzel sei eben ein Symbol der Verbundenheit. Zudem erhofft sich Behrendt einen zählbaren Effekt, „Impulse zum Beispiel für den Tourismus.“

In Beeskow gibt man sich unbeeindruckt, ist man vielleicht sogar beleidigt wegen des Wunsches nach Eigenständigkeit auf dem Nummernschild. „Wenn 600 Befragte in Eisenhüttenstadt von rund 30 000 Einwohnern eine signifikante Mehrheit darstellen sollen, ist wohl ein Zweifel angebracht“, lässt Landrat Zalenga ausrichten. Außerdem gebe es eventuell andere Hintergründe, „wenn bei manchen Eisenhüttenstädtern das Selbstbewusstsein von einem EH auf dem Nummerschild abhängt.“ Näher erläutern will man die Andeutung nicht.

In anderen Ecken Brandenburgs birgt das Thema weniger Sprengstoff. Mit Templin, Schwedt, Prenzlau und Angermünde gibt es gleich vier Städte in der Uckermark, die sich ihr altes Kennzeichen zurückwünschen könnten. Aber bei der KFZ-Zulassungsstelle des Kreises in Prenzlau sei die Nachfrage bisher äußerst gering, sagt Kreissprecherin Ramona Fischer. In Schwedt ebenfalls: „Auf Facebook ein oder zwei Sympathiebekundungen, aber keine direkten Nachfragen“, sagt die Pressesprecherin der Stadt, Corina Müller. „Wir stehen auf dem Standpunkt, man sollte den Bürgerwillen nicht einschränken. Allerdings sind es zwei Dinge, zum einen die Sympathie zu bekunden und zum anderen, sich tatsächlich auf den Weg nach Prenzlau zu machen und noch das Geld für ein neues Nummernschild hinzulegen.“ Matthias Matern

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