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Umstrittene Sonne. Das FDJ-Symbol wurde im Westen einst verboten. Weil die DDR-Organisation überlebte, gibt’s Probleme.

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Brandenburg: Auf der Anklagebank

Das FDJ-Emblem hat ein Ost-West-Problem. Strafprozess gegen Mitglieder

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Berlin - Ihre Blauhemden waren schmucklos, als Michael W. und German L. auf den Saal 863 im Berliner Amtsgericht zusteuerten. Die 39 und 29 Jahre alten Männer wollten ein erneutes Aufsehen an der Sicherheitsschleuse des Hauses verhindern. Das hatte es vor neun Monaten gegeben. Die Aktivisten der Freien Deutschen Jugend (FDJ) mussten ihre umstrittenen Hemden mit dem Sonnen-Symbol am Ärmel alarmierten Polizisten überlassen. Diesmal ging es ohne Verlust. Das Wappen hefteten sie erst im Saal ans Hemd.

Es ist ein bizarrer Streit um ein Emblem, das mit einem „Ost-West-Problem“ behaftet ist. Die FDJ in Westdeutschland wurde 1951 verboten. Diese Entscheidung bestätigte drei Jahre später das Bundesverfassungsgericht. In der DDR dagegen wurde die FDJ zum Staatsjugendverband aufgebaut. Mit dem Ende der DDR verschwand auch die FDJ fast gänzlich. Von den mehr als zwei Millionen Mitgliedern blieb aber ein kleiner Trupp dem Blauhemd mit der aufgenähten aufgehenden Sonne stets treu oder schloss sich der Gruppe an. Verboten ist die FDJ-Ost nicht. Aber das Symbol der Freien Deutschen Jugend war in Ost und West zum Verwechseln ähnlich. Ist das Tragen nun illegal und strafbar?

Michael W. und German L. jedenfalls bekamen einen Strafbefehl. Der Vorwurf: Verwenden von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation. Je 2700 Euro Strafe sollten sie zahlen, weil sie im Blauhemd am 13. August 2012 vor der Gedenkstätte Berliner Mauer standen, während Teilnehmer einer Kundgebung Kränze ablegten. Ein älterer Herr empfand den Aufzug der FDJ-Aktivisten als unerträglich und alarmierte die Polizei.

„Was hat die FDJ verbrochen?“, fragte W. und hob zu einem politischen Statement an. Dutzende Sympathisanten auf den Zuhörerbänken applaudierten begeistert. Der Richter ertrug es mit Fassung. Die Verteidigerin sprang auf. „Ich wollte ein Rätsel aufgeben“, sagte sie und legte zwei Symbole vor. Ost, West oder West, Ost? Keiner konnte es sagen. Sie hätten ein Ost-Symbol getragen, erklärten die Angeklagten. „Es ist strafbar, weil es dem West-Wappen so ähnlich ist“, hielt der Staatsanwalt entgegen. Aber die FDJ-Ost ist erlaubt. „Ein logisches Problem“, konterte eine Verteidigerin. Der Richter sagte: „Es ist ein interessantes Problem.“

Einerseits gibt es die Verbotsverfügung von 1954, andererseits eine völlig legale Organisation, die ihr Symbol in der Öffentlichkeit zeigen möchte. „Wir sind in einem Dilemma“, stöhnte einer der Juristen. Dem Gesetz zufolge darf ein Symbol nicht getragen werden, wenn es den Eindruck erwecken könnte, dass es etwas Verbotenes sein könnte. Und wie geht man mit den Blauhemdenträgern um, die auf einer Ostalgie-Party tanzen?

Der Staatsanwalt sagte, er hänge die Sache „nicht hoch“. Die Verteidigung will ein Urteil. Am Ende wird es vermutlich in die nächste Instanz gehen.

Die Verhandlung wird am 15. April fortgesetzt. Kerstin Gehrke

Kerstin Gehrke

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