Brandenburg: Auf die smarte Tour
Mit Oma an den Müggelsee, mit dem Kumpel ins Szenelokal: Wie man Berlin-Besucher an einem einzigen Tag schwer beeindruckt
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Wer in Potsdam und Berlin lebt, hat eines ziemlich sicher: Freunde und Verwandte, die zu Besuch kommen wollen und die Bundeshauptstadt erkunden wollen. Gerade jetzt in den Sommerferien. Aber was ist, wenn der Gast die Reichstagskuppel und das Brandenburger Tor schon kennt? Vier Vorschläge für maßgeschneiderte Touren durch Berlin.
FÜR BESUCH MIT KINDERN
Kindlicher Bewegungsdrang, sagen Fachmediziner, diene unter anderem der Ausbildung von Selbstbewusstsein und sei keinesfalls zu unterbinden. Wer sich auf Kinderbesuch einlässt, riskiert also eine Hetzerei, an deren Ende er kraftlos zusammensackt. Das muss nicht sein. Wer geschickt plant, hat, wenn die Kleinen schlafen, noch Muße für ein Feierabendbier – oder zum Aufräumen.
Ein guter Ort, um die Basis für frühabendliche Erschöpfungssymptome zu legen, ist die Kletterhalle „T-Hall“ in Neukölln. Eine riesige Halle, in der man Kunststoffwände hochkraxelt. Man leiht für die Kinder unbequeme Schuhe, dann werden sie in Sicherheitsgurte geschnallt. Ein Lehrer hält sie an einem Seil, während sie die senkrechten Wände bezwingen. Die einen kämpfen dabei um ihr Renommee, die anderen gegen die Schwerkraft, aber kämpfen müssen sie alle. Den dabei aufkommenden Hunger bezwingt man danach beim „Kreuzburger“ in Kreuzberg, wo es alles gibt, was Kinder mögen (Burger und Pommes), aber in Neuland-Qualität, was dem Gastgeber ein gutes Gefühl gibt.
Von der Theke weg geht es ins Prinzenbad. Schnell noch einen Ball gekauft und losgeplanscht, bis die Lippen blau anlaufen. Dann raus aus dem Becken, rauf aufs Blech: 21 Meter lang sind die Wippen am Potsdamer Platz – sie sind das Erste und Letzte an diesem Tag, was kein Geld kostet, und für mindestens eine halbe Stunde Spaß gut. Dann Durst löschen, Eis essen und ab ins Kino: entweder einen Naturfilm in 3-D-Animation im „Imax“ ansehen oder die 18-Uhr-Vorstellung eines Blockbusters. Wird danach der Ruf nach „mehr“ laut – schnell zur nächsten Videothek laufen und was leihen. Zum Film gibt es Nudeln mit Tomatensoße, danach geht es ratzfatz ins Bett. Hat bisher immer geklappt. Ariane Bemmer
T-Hall Kletteranlagen: Thiemannstraße 1 in Neukölln, Telefon 68 08 98 64, www.t-hallberlin.de; Sommerbad Kreuzberg: Prinzenstraße 113, Telefon 030/61 6 10 80; Kreuzburger: Oranienstraße 190, Telefon 030/80 57 53 98; Wippen: Tilla-Durieux-Platz; Imax: Potsdamer Straße 4, Telefon 030/26 06 64 00, www.cinestar-imax.de.
FÜR DIE GROSSELTERN
Wie gut für Oma und Opa, dass Berlins Straßen in den großen Ferien so leer sind und alle Ziele relativ entspannt mit dem Auto angefahren werden können. Wir starten unseren Tag im Centro Italia, einem italienischen Supermarkt im Industriegebiet von Marienfelde. Für den Ausflug decken wir uns mit San-Daniele- Schinken, riesigen Mortadellascheiben, Ciabatta-Brot, Oliven und Aranciata ein. Dann geht die große Fahrt – gut 25 Kilometer – durch die Stadt los. Unser erstes Ziel ist der Erholungspark Marzahn. Er bietet auf seinen 21 Hektar Abstecher in die Gärten der Welt. Wir bewundern balinesische, koreanische, chinesische, japanische und orientalische Gartenbaukunst. Auf einer gewöhnlichen Berliner Wiese verzehren wir dort unser italienisches Picknick; im „Berghaus zum Osmanthussaft“ gibt“s anschließend chinesischen Tee. Dann geht“s weiter. Zum Treptower Hafen, wo der Ausflugsdampfer wartet. Aber nicht für die übliche City-Brücken-Tour, die haben wir schon längst hinter uns gebracht. Wir wollen raus ins Grüne, Richtung Großer Müggelsee. Vorbei an Köpenicker Altstadt mit Schloss und Rathaus zur Anlegestelle Rübezahl und wieder retour. Schiffchenfahren ist immer angenehm; man sitzt einfach da und lässt die Landschaft an sich vorbeiziehen. Drei Stunden dauert die Tour.
Anschließend ist es Zeit, in die Stadt zurückzukehren. Zum Abendessen. Wir steuern die „Kleine Markthalle“ in Kreuzberg an. Die ist bekannt für knusprige Brathähnchen. Dazu schmeckt ein Kulmbacher Klosterschwarzbier, im Vorgarten sitzt es sich lauschig unter Bäumen. Wer sich traut, beendet den Abend mit einem Gläschen Danziger Goldwasser. Goldfädchen inklusive. Sigrid Kneist
Centro Italia: Großbeerenstraße 169
in Berlin-Marienfelde, Telefon 030/741 10 18; Erholungspark Marzahn: Eisenacher Straße 99, Telefon 030/700 90 66 99; Stern und Kreisschiffahrt: Tour zum Großen Müggelsee, Hafen Treptow, Abfahrt 10, 11, 13.30, 15 Uhr, Buchung unter Telefon 030/536 36 00; Zur Kleinen Markthalle: Legiendamm 32 in Kreuzberg, Telefon 030/614 23 56.
FÜR DIE BESTE FREUNDIN
Sie würde sich wahrscheinlich beschweren, weil sie lieber im „103“ an der Kastanienallee ein italienisches Frühstück essen und Maxim Biller anglotzen würde. Stattdessen muss sie in der Bäckerei „Bisquitte“ in der Schönhauser Allee sitzen und sich ein Mettbrötchen vom Tresen abholen – so wie alle anderen hier auch. Anschließend laufen wir nach Pankow. Zur „Kleingartenanlage Bornholm“. Dort gehen wir unter lila blühenden Bäumen spazieren und gucken uns die Reaktionen Pankower Kleingartenbesitzer an, wenn man zu lange vor ihrem Grundstück rumlungert. Den Nachmittag über muss die Freundin noch einen Keks im „Barcomi“s“ in der Bergmannstraße essen, sie muss im Bötchen über den guten alten Schlachtensee fahren und sich den Funkturm statt des Fernsehturms ansehen. Die Freundin meckert. Sie will jetzt auch mal irgendwohin, wo es cool ist. Also darf sie sich vor die „Bar Centrale“ in einen der aufgereihten Schalenstühle setzen und Leute angucken, die vorbeigehen. Wenn das noch nicht reicht, gehen wir zur „Kohlenquelle“. Das ist eine der Bars, die gewollt so aussehen, als wäre das Interieur den Restbeständen des Flohmarkts am Mauerpark entnommen. Wenn es bei mir zu Hause so aussehen würde, würde sich keiner dieser Menschen mit seinem Tannenzäpfle-Bier dort hinsetzen wollen. Trotzdem ist es hier schön, denn man kann sich auch einfach eine sehr große Sonnenbrille aufsetzen, auf Klappstühlen sitzen oder auf der Brücke nebenan stehen und runtergucken auf den S-Bahn-Ring. Wow. Die Freundin ist begeistert. Elena Senft
Café 103: Kastanienallee 49 in Mitte, Tel.: 48 49 26 51; Bisquitte: Schönhauser Allee 115 in Prenzlauer Berg, Tel.: 030/41 19 86 88; Barcomi“s: Bergmannstr. 21 in Kreuzberg, Tel.: 030/694 81 38, www.barcomis.de; Bar Centrale: Kopenhagener Str. 6 in Prenzlauer Berg, Tel.: 030/44 31 06 93; Kohlenquelle: Kopenhagener Str. 16 in Prenzlauer Berg.
FÜR DEN KUMPEL AUS DER KLEINSTADT
Das Ziel ist klar: Mein Gast soll sich wohlfühlen, aber bitte am Ende extrem neidisch darauf sein, dass ich in einer umwerfenden Stadt lebe und er bloß in Gummersbach oder Lingen oder Meckenheim. Wir starten nachmittags mit einem Spaziergang vom Alexanderplatz in die Münzstraße – zu „American Apparel“, dem angesagten Modelabel mit den knalligen Farben. Sollte der Kumpel bisher nichts von der Marke gehört haben, mache ich ihm den Laden schmackhaft: „In spätestens zwei Jahren kommt dieser Trend auch bei euch an.“
Danach stöbern wir durch die benachbarten Boutiquen, ich passe auf, dass er sich keine Winkekatze kauft, wir machen einen Abstecher zu „Herr von Eden“, dem schicken Retro-Anzugsdesigner. Zwischendurch erwähne ich beiläufig, dass sich Brad Pitt und Angelina Jolie hier fast mal eine Wohnung gekauft hätten. Der Spaziergang endet erst an den Hackeschen Höfen, in der Hinterhofkneipe „Eschloraque“. Wer hier rein will, muss erst gegen eine Eisentür klopfen. Und innen ist es düster. Sehr aufregend. Nach zwei Bier geht es weiter zum Anhalter Bahnhof, mit dem Aufzug hoch in den Club „Solar“ im 17. Stock. Da hat man einen spektakulären Ausblick auf die leuchtende Stadt – das perfekte Ambiente für ein wenig Understatement: „Ach, Berlin hat natürlich auch Nachteile. Zum Beispiel die vielen Kinos und Theater und Konzerte ... Wie soll man sich da entscheiden?“
Zur Krönung setzen wir uns nachts um drei ins Taxi und fahren rüber ins „Berghain“, den mit Abstand hippsten Technoclub Deutschlands, mit schrägen Typen und so szenig, dass Fotografieren im Gebäude strengstens verboten ist. Das einzige Problem ist der tätowierte Türsteher: Der lässt einen oft nicht rein. Wenn das passiert, schlage ich meinem Gast einen Nachtspaziergang an der Spree vor. Und lasse ihn wissen, dass es auf jeden Fall an ihm lag. Sebastian Leber
American Apparel: Münzstraße 19 in Mitte, Tel. 030/28 09 63 18. Herr von Eden: Alte Schönhauser Str. 14, Tel. 030/24 04 86 80; Eschloraque: Rosenthaler Straße 39, www.eschschloraque.de; Solar: Stresemannstr. 76 in Kreuzberg, Tel. 0163- 765 27 00; Berghain: Am Wriezener Bahnhof in Friedrichshain, www.berghain.de.
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