Brandenburg: „Aus dem Chaos eine Chance machen“
Berliner SPD diskutiert über den Rückzug Münteferings. Als Nachfolger wäre Platzeck erste Wahl
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Berliner SPD diskutiert über den Rückzug Münteferings. Als Nachfolger wäre Platzeck erste Wahl Berlin - „Wir müssen jetzt aus dem Chaos eine Chance machen“, sagt Michael Arndt. Er führt in Steglitz-Zehlendorf den zweitgrößten SPD-Kreisverband in Berlin. Er ist entsetzt über den plötzlichen Rückzug Franz Münteferings – so wie fast alle Sozialdemokraten. „Ob es jetzt noch möglich ist, eine stabile Regierung zu bilden, bleibt abzuwarten.“ Um das zu schaffen, brauche man starke Akteure. Matthias Platzeck zum Beispiel, der brandenburgische Ministerpräsident, sei ein „hervorragender Mann“. Andere Funktionäre im Landesverband glauben eher, dass der Regierungschef von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, die besseren Chancen hat, neuer SPD-Chef zu werden. Aber wen man auch fragt – nur diese beiden Namen werden genannt: Platzeck und Beck. Wobei der Mann aus Brandenburg bei den Berliner Genossen natürlich die größeren Sympathien hat. „Seine Wahl zum Parteichef wäre doch eine schöne Stärkung der Region“, sagte gestern der neue Sprecher der Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten, Swen Schulz. Er sieht die SPD nicht in der Gefahr, handlungsunfähig zu werden und in der Katastrophe zu versinken. Voraussetzung sei aber eine rasche Klärung der Führungsfrage. „Der Generationswechsel kommt eben nicht erst 2009, sondern jetzt.“ Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der sich seit einiger Zeit bundesweit als Linker profiliert, wird in dieses personelle Revirement wohl nicht einbezogen. Das sagen jedenfalls alle, die man fragt. Ein Stellvertreterposten im SPD-Bundesvorstand wird für ihn auch dann nicht frei, wenn Platzeck an die Spitze rückt. Trotzdem mischt sich Wowereit unermüdlich in die Diskussion ein und hielt gestern wacker an Andrea Nahles als künftiger Generalsekretärin fest. Sie sei eine „herausragende Persönlichkeit“, sagte er dem TV-Sender N24. Nicht alle sind so wohlwollend – obwohl der Berliner SPD-Landesverband mehrheitlich links steht. Der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Christian Hanke kündigte „heftige Diskussionen“ an, nachdem die linken Parteifreunde „die Kandidatur von Nahles über Wochen forciert und Lunten gelegt haben“. Am nächsten Montag soll die unübersichtliche Lage auf einer Sondersitzung des SPD-Landesvorstandes besprochen werden. Auch Hanke, der dem Seeheimer Kreis, also der Parteirechten angehört, hält nun eine komplette Erneuerung des SPD-Bundesvorstands für nötig. Darin sind sich die Sozialdemokraten flügelübergreifend einig. Gespalten sind sie bei der Ursachenforschung. Mit der Nominierung von Nahles am Montag habe sich „der Parteivorstand blamiert“, sagte gestern der SPD-Rechte Karlheinz Nolte. „Wenn dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis“, sagte der Neuköllner SPD-Kreischef Fritz Felgentreu. Nein – das Votum des Bundesvorstands habe die Erwartungen der SPD-Basis abgebildet, konterte Frank Zimmermann, Sprecher der parlamentarischen Linken in Berlin. Das sei keine Frage von links oder rechts. „Das Ventil ist aufgesprungen.“ Die Partei brauche – über eine große Koalition hinaus – eine programmatische Perspektive. Aber auch das wurde gestern deutlich: Die SPD in Berlin, die das Regierungsbündnis mit der CDU in den 90er Jahren in denkbar schlechter Erinnerung hat, macht sich dennoch Sorgen um den Fortgang der Koalitionsgespräche auf Bundesebene. Ulrich Zawatka-Gerlach
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