Brandenburg: BER schlecht für Notfall gerüstet
Ärztekammer kritisiert medizinische Versorgung am Hauptstadtflughafen als erschreckend mangelhaft
Stand:
Schönefeld - Nach den Rettungsärzten schlägt jetzt auch die Berliner Ärztekammer Alarm: Der BER ist aus ihrer Sicht nicht ausreichend auf medizinische Notfälle vorbereitet. In der Versorgung von Fluggästen und Angestellten drohten massive Lücken. Die bisherige Planung für die medizinische Versorgung am BER sei erschreckend, kritisierte Kammerpräsident Günther Jonitz. Wie berichtet ist auf „Europas modernstem Flughafen“ im Gegensatz zu anderen Flughäfen kein Notarztzentrum, keine eigene Rettungsstelle samt Ärzten geplant – bei 20 000 Angestellten und 75 000 Fluggästen täglich. Zuvor hatte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin, Leo Latasch, selbst seit 20 Jahren Bereitschaftsarzt auf dem Flughafen Frankfurt am Main, gegenüber den PNN die Pläne als unverantwortlich bezeichnet. „Ich verstehe nicht, wie man so etwas machen kann. Wer das entscheidet, wird dafür die Verantwortung tragen müssen“, sagte er.
In Frankfurt am Main gibt es laut Latasch täglich 80 bis 90 Patienten, Passagiere und Mitarbeiter, die in der Flughafenklinik versorgt werden. Zudem sind ständig drei bis vier Rettungswagen vor Ort. Auf dem Flughafengelände in Schönefeld dagegen wird bei der Flughafenfeuerwehr nur ein Rettungswagen samt Rettungsassistent stationiert sein. Patienten dürfen damit aber nicht in ein Krankenhaus gebracht werden. Denn nach dem brandenburgischen Feuerwehrgesetz dürfen Flughafen-Rettungswagen nicht am Rettungsdienst des Landes teilnehmen. Daher ist ein umständliches Prozedere vorgesehen: Bei einem Notfall etwa im Terminal muss der 112-Notruf in der Leitstelle Berlin oder Cottbus eingehen, dann rücken zunächst Rettungssanitäter der BER-Flughafenfeuerwehr an – und parallel muss der alarmierte Notarzt aus der einige Kilometer entfernten Rettungsstelle in der Gemeinde Schönefeld kommen.
Noch drastischer sind die Probleme im Katastrophenfall wie der Notlandung eines Flugzeugs mit mehr als 20 Verletzten. Dann müsste die zuständige Regionalleitstelle in Cottbus mindestens 16 Rettungswagen losschicken. Allerdings verfügt der Landkreis Dahme-Spreewald nur über 15 Fahrzeuge. Über Amtshilfe müssten weitere Rettungswagen angefordert werden. In diesem Fall ist verabredet, dass die Berliner Feuerwehr vier Rettungswagen und zwei Notarzteinsatzfahrzeuge schickt – aber nur, wenn diese frei sind. „Für den Katastrophenfall mit vielen Verletzten ist diese Regelung absolut unzureichend“, sagt Berlins Ärztekammerpräsident Jonitz. „Durch lange Anfahrtswege und verteilte Kompetenzen könnten Menschenleben gefährdet werden.“ Die Eigentümer des Flughafens, Berlin, Brandenburg und der Bund, müssten schnell Sonderregelungen treffen, fordert Wyrwich.
Landkreis und Flughafengesellschaft versicherten bisher hingegen, dass alle gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt werden und innerhalb der vorgeschriebenen 15-Minuten-Frist die Erstversorgung gewährleistet ist. Flughafen-Sprecher Ralf Kunkel wies die Vorwürfe zurück. „Das ist Unfug. Hier versucht sich jemand auf Kosten der Flughafengesellschaft zu profilieren, um Schlagzeilen zu machen.“ In einem mit den Behörden abgestimmten Flughafennotfallplan seien alle erdenklichen Notfälle erfasst, Alarmierungsverfahren und -checklisten festgelegt sowie Notfallverfahren zur Behandlung der Notfälle beschrieben. Doch Ärztekammer und auch Rettungsärzte halten die Vorschriften für Flughäfen nicht für ausreichend.
Denn auch im Seuchenfall, für den der BER laut Ärztekammer als sogenannter Sanitätsflughafen besonders gerüstet sein soll, wenn eine Maschine mit infizierten Passagieren landet, drohen Engpässe. Dann müssten Mitarbeiter des Gesundheitsamtes aus Lübben nach Schönefeld eilen. Denn ein Tropenmediziner ist auf dem Flughafen bislang nicht vorgesehen. (mit dpa/thm)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: