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Brandenburg: Berlin-Brandenburgische Entfremdungen

Ernüchterung nach gemeinsamer Tagung der Bildungsausschüsse. Berlin will gegen Verbeamtungsausflüge nach Brandenburg vorgehen

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Berlin/Potsdam - Brandenburg und Berlin wollen Versetzungen von Lehrern zwischen beiden Bundesländern erschweren. Bildungsministerin Martina Münch reagierte am Donnerstag zustimmend auf eine Forderung der Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (beide SPD), gegen den sogenannten „Drehtüreffekt“ vorzugehen. In der Praxis verbirgt sich dahinter der Wechsel von Berliner Referendaren und jungen Lehrern ins benachbarte Brandenburg, um sich hier verbeamten zu lassen – und dann nach kurzer Zeit eine Rückversetzung in die Hauptstadt zu betreiben. In Berlin, das ist der Hintergrund, werden junge Lehrer nicht verbeamtet. Außerdem toben dort Arbeitskämpfe um die Vergütung der angestellten Lehrer.

„Dem Drehtüreffekt muss man einen Riegel vorschieben“, sagte Scheeres am Donnerstag auf einer Sitzung der Bildungsausschüsse beider Parlamente. Münch sagte dazu, es handle sich nach ihrer Einschätzung zwar um eine überschaubare Größenordnung, nämlich um „eine zweistellige Zahl“. In der Sache signalisierte die Bildungsministerin aber Unterstützung. „Mal kurz nach Brandenburg zu gehen halte ich auch gegenüber den Schülern für kein verantwortliches Vorgehen von Pädagogen.“

Von diesem Problem abgesehen sieht Berlin die Abwerbung von Lehrern durch Brandenburg derzeit gelassen. „Es ist alles im Rahmen“, sagte Senatorin Scheeres. Sie verwies darauf, dass die Hauptstadt bei der Ausbildung von Pädagogen an vier Berliner Hochschulen „ein Geberland“ in Deutschland sei. Münch verwies darauf, dass bisher bei Neueinstellungen 80 Prozent der Lehrer aus Brandenburg, 20 Prozent aus Berlin kämen. „Es wird vorwiegend aus dem eigenen Bereich rekrutiert.“ Das allerdings nicht mehr lange. Der Wettbewerb um junge Lehrer in der Hauptstadt-Region wird sich schon im kommenden Jahr massiv verschärfen. Wie berichtet will Brandenburg allein 2014 tausend junge Lehrer einstellen, so viel wie nie seit 1990. Doch nur 450 Referendare verlassen pro Jahr die Uni Potsdam, die einzige Pädagogenausbildungsstätte im Land. Bislang ist völlig unklar, wie die Lücke geschlossen werden soll. Berlins Hochschulen verlassen jährlich rund 1000 Pädagogen. Und auch Berlin stellt massiv Lehrer ein, in 2013 sind es 1400. Scheeres kündigte an, dass Berlin die Referendarplätze von derzeit 2200 auf 2700 aufstocken wird.

Das alles spielte aber kaum eine Rolle, obwohl es die erste gemeinsame Sitzung der Bildungsausschüsse beider Parlamente seit drei Jahren war. Berliner debattierten Berliner Probleme, Brandenburger die eigenen, das Wissen über den Nachbarn hielt sich jeweils in Grenzen, das Interesse füreinander auch. Der Tagesordnungspunkt hieß zwar „Gemeinsamer Arbeitsmarkt“ im Bildungswesen. „Den kann es aber gar nicht geben“, sagte der Berliner CDU-Abgeordnete Stefan Schlede. Schließlich seien die Strukturen und Probleme völlig andere: Brandenburg habe ländliche Regionen, Berlin Brennpunkte und Migration, Brandenburg verbeamte, Berlin nicht, in Brandenburg würden die Schülerzahlen sinken, in Berlin steigen. Schlede: „Jeder ist sich selbst der Nächste.“ Niemand widersprach. Es wird wohl für längere Zeit die letzte gemeinsame Sitzung gewesen sein. Berliner wie Brandenburger äußerten sich ernüchtert. „Mein Bedarf an einer Fortsetzung dieser Tradition ist gedeckt“, erklärte etwa der CDU-Abgeordnete Gordon Hofmann. Die Einzige, die ihm im Brandenburger Bildungsausschuss widersprach, war die Grüne Marie Luise von Halem: „Ich fand es auch ernüchternd. Meine Schlussfolgerung ist aber: Wir sollten uns öfter treffen.“

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