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Brandenburg: Berliner Bestenauslese mit märkischem Schuss

Die umstrittene Auswahl der Berliner Generalstaatsanwältin geht nun vor Gericht. Eine Brandenburger Ministerialbeamtin klagt

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Berlin/Potsdam - Das Erwartete ist eingetreten: Gegen die Entscheidung des Berliner Senats, dass die Vize-Polizeipräsidentin Margarete Koppers neue Generalstaatsanwältin werden soll, hat die unterlegene Bewerberin Susanne Hoffmann Klage eingereicht. Das teilte sie dieser Zeitung am Freitag mit. Jetzt muss das Verwaltungsgericht über die umstrittene Personalauswahl entscheiden – ob Koppers zur Chefin des größten Staatsanwaltschaft der Bundesrepublik ernannt werden kann. Aus der Sicht von Hoffmann, derzeit Abteilungsleiterin im brandenburgischen Justizministerium, ist das Auswahlverfahren mit schweren Fehlern behaftet.

Die Klage von Hoffmann, die in Brandenburg sogar zeitweilig stellvertretende Generalstaatsanwältin war, trifft politisch vor allem Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Er ist wegen seines Vorgehens ohnehin angeschlagen. Sollte Hoffmanns Klage Erfolg haben, stünde er selbst in Frage. Was bei strittigen Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst trockenes Verwaltungsrecht ist, wird in diesem Fall zum Politikum.

Im öffentlichen Dienst, bei Beamten, gilt das im Grundgesetz verankerte Gebot der Bestenauslese, entscheiden sollen Eignung, Befähigung, fachliche Leistung. Und derlei Verfahren müssen anhand nachvollziehbarer Regeln und Standards überprüfbar sein. Aus Sicht der Klägerin ist genau das nicht der Fall. Folgen die Richter der Argumentation, dürfte für Behrendt und Koppers am Ende nicht viel übrig bleiben. Die Gefahr dabei: Der Posten des Chefermittlers in Berlin droht, über Monate, Jahre unbesetzt zu bleiben. Angesichts der Probleme wie Terrorgefahr ein heikles Unterfangen – und das in der Bundeshauptstadt. Offenbar will Behrendt versuchen, den langjährigen Amtsinhaber Ralf Rother trotz bereits um ein Jahr verschobener Pension weiter im Amt zu halten, obwohl Rother eigentlich schon im Ruhestand ist. Falls er dazu nicht bereit ist, wird voraussichtlich sein Stellvertreter Dirk Feuerberg einspringen. Der aber ist voll mit Terrorermittlungen gebunden.

Zurück zu Koppers und Hoffmann. Was könnte schief gelaufen sein? Ex-Justizsenator Thomas Heilmann, bis Spätherbst 2016 im Amt, ließ die Stelle am 13. November 2015 ausschreiben. Die Justizsenatsverwaltung entschied: Koppers und Hoffmann liegen im Rennen gleichauf. Heilmann rief eine Auswahlkommission ins Leben. Die lud Koppers und Hoffmann mehrfach zu Auswahlgesprächen: August, September, Oktober. Jedes Mal war Koppers krankgeschrieben, dauerhaft, seit Juli 2016. Schließlich gab es doch noch ein Gespräch am 24. Januar 2017. Behrendt aber, der im Dezember 2017 Justizsenator wurde, tauschte die Kommission komplett aus. Kritiker vermuten eine bestellte Auswahl für Koppers.

Drei Tage nach den Auswahlgespräch, am 27. Januar, wurden die Bewerberinnen informiert: Beide seien geeignet, ein knappes Rennen sei es gewesen. In einem zwei Wochen nach dem Auswahlgespräch, Mitte Februar, erstellten Protokoll hält die Kommission fest, dass Koppers in dem Gespräch mit einem geringen, aber dennoch deutlichen Vorsprung besser war. Wie deutlich kann ein geringer Vorsprung aber sein?

Erst eineinhalb Monate nach den Gesprächen wurde ein Auswahlvermerk erstellt. Darin heißt es über Koppers’ Dauererkrankung: Es seien keine nennenswerten Erkrankungszeiten festzustellen, sie habe schnell wieder ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Dabei soll Koppers erst wenige Tage vor dem Auswahlgespräch wieder gesundgeschrieben worden sein. Jedenfalls befand die Kommission, Hoffmann sei als Staatsanwältin fachlich besser, Koppers aber bei anderen Kompetenzen: Persönlichkeit, Soziales, Führung. Sie sei orientiert an den Mitarbeitern, Partizipation.

Der Gesamtstaatsanwaltsrat, eine Art Personalvertretung, zeigte sich dann Mitte April entsetzt über die Vorgänge: über den Austausch der Auswahlkommission, über die Einschätzung, dass Koppers wieder voll leistungsfähig sei. Über Widersprüche in der Bewertung. Weil Koppers fehlende Erfahrung in einer Staatsanwaltschaft für die Auswahlkommission offenbar keine Rolle spielte.

Bleiben noch die Ermittlungen gegen Koppers in der Schießstandaffäre. Sie wird als Beschuldigte geführt wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung durch Unterlassen im Amt. Jedem anderen einfachen Polizeibeamten blieben bei Strafermittlungen Beförderungen verwehrt. Im Auswahlvermerk vom März spielte all das noch keine Rolle. Für Koppers ließ Justizsenator Behrendt nachträglich, erst Mitte Juni, bei der Staatsanwaltschaft und bei Polizeipräsident Klaus Kandt nachfragen. Die Staatsanwaltschaft teilte Behrendt Ende Juni mit, es läge ein ausreichender Verdacht dafür vor, dass Koppers von den katastrophalen Zuständen in den Schießanlagen wusste. Und Kandt erklärte dem Justizsenator: Gegen Koppers läuft kein Disziplinarverfahren. Jeder einfache Beamte dürfte sich dabei die Augen reiben. Denn bei Strafermittlungen müssen in der Regel automatisch Disziplinarverstöße geprüft werden, jeder Aufstieg ist dann blockiert. Behrendt jedoch stellte Anfang Juli fest, dass all das Koppers Eignung für den Posten des Chefanklägers nicht in Frage stelle, vielmehr das öffentliche Interesse an der baldigen Besetzung des Postens schwerer wiege. Am 11. Juli nahm der Senat den Vorschlag des Justizsenators ohne Aussprache zur Kenntnis.

Grüne und Linke in Berlin zeigten sich dennoch zuversichtlich, dass die Gerichte zugunsten Koppers entscheiden werden. Skeptischer äußerte sich der Rechtsexperte der SPD-Fraktion im Abgeordentenhaus, Sven Kohlmeier. „Meine Erwartungshaltung ist, dass Justizsenator Behrendt diese wichtige Stelle schnellstmöglich und juristisch einwandfrei besetzt“, sagte er. Gerade bei so einer Stelle dürfe nicht der geringste Zweifel bestehen, „dass gemauschelt wurde“. Ansonsten sollte Behrendt eine Neuausschreibung starten. „Wir haben das Interesse, dass das Amt nicht beschädigt wird.“ Nach Einschätzung des CDU-Fraktionsgeschäftsführers Sven Rissmann ist „der Fall Koppers nun zum Fall Behrendt geworden“. FDP und AfD forderte einen Neustart per Neuausschreibung. A. Fröhlich/U. Zawatka-Gerlach

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