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Platzhirsch. Seinen Chefplatz in der Schorfheide hat dieser Rothirsch bei Groß Schönebeck besetzt. Die Menschen haben mehr Probleme mit der rechten Stellenbesetzung im Reservat.

© Patrick Pleul/dpa

Von Thorsten Metzner: Besetzungsdrama in zwei Akten Linke-Umweltministerin Tack muss neuen Chef fürs Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin suchen, weil SPD-Vorgänger Dietmar Woidke die Stelle rechtswidrig besetzen ließ – ein Politikum

Potsdam - Die Personalie ist heikel für die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte rot-rote Regierung: Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) muss die Führung des zum Unesco-Welterbe gehörenden Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin neu besetzen – einen der wichtigsten Naturschutzposten im Land überhaupt, um den nun schon länger erbittert gefochten wird. Ein Fall, in dem der Regierungschef eingeschaltet ist.

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Potsdam - Die Personalie ist heikel für die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte rot-rote Regierung: Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) muss die Führung des zum Unesco-Welterbe gehörenden Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin neu besetzen – einen der wichtigsten Naturschutzposten im Land überhaupt, um den nun schon länger erbittert gefochten wird. Ein Fall, in dem der Regierungschef eingeschaltet ist. „Es ist ein schwieriges Thema. Ich will den Sommer nutzen, um die Angelegenheit endlich zu klären“, sagte Tacks Staatssekretär Heinrich-Daniel Rühmkorf den PNN. Es gebe deswegen nämlich, gesteht er offen ein, eine „unglaubliche Unruhe in und außerhalb des Hauses“.

Und die hat Gründe. Es geht um ein Politikum, um eine Altlast der Vorgängerregierung vor Rot-Rot. Das Arbeitsgericht Potsdam hat die Entscheidung aus der Amtszeit des damaligen Agrar- und Umweltministers Dietmar Woidke, heute immerhin Chef der SPD-Landtagsfraktion, den Naturschutz-Posten in der Schorfheide mit der fachfremden Forstbeamtin Constanze Knape zu besetzen, nämlich in einem Aufsehen erregenden Urteil gerade nachträglich gekippt. Und zwar wegen „eklatanter Verfahrensfehler“, wie es in der seit Juni 2010 vorliegenden Urteilsbegründung heißt. Danach hat es damals kein faires Besetzungsverfahren gegeben, drückte man Knape auf den Posten durch, obwohl es bessere Bewerber gab. Brandenburg habe gegen das Grundrecht der „Chancengleichheit beim Zugang von öffentlichen Ämtern verstoßen“, so das Urteil. Die Entscheidung zugunsten Knapes stand wohl schon vorher fest. Das Gericht rügt jedenfalls, dass der Vorschlag mit ihrem Namen bereits vor der Entscheidung der Auswahlkommission „an den Personalrat“ gegangen sei.

Das Urteil hat ein damals unterlegener Bewerber erstritten, ein profilierter Brandenburger Naturschutz-Experte, Martin Flade, langjähriger Referatsleiter für Naturparke in der Abteilung Großschutzgebiete im Landesumweltamt. Er war einer von mehreren Konkurrenten-Klägern gegen die symbolträchtige Knape-Personalie, die bei Naturschutzverbänden im Land als „Personalpolitik nach Gutsherrenart“ kritisiert und als Versuch gewertet worden war, den Einfluss des Naturschutzes immer weiter zurückzudrängen. Flade selbst war im Woidke-Ministerium zudem in Ungnade gefallen, weil er – anders als seine Vorgesetzten – nicht die Augen zudrücken wollte, als Hunderte uralte Eichen im Totalreservat Redernswalde durch die private Naturschutzstiftung eines einflussreichen Unternehmers gefällt wurden. Ein Skandal, der im märkischen Sande verlaufen war.

Wie es nach der Gerichts-Rüge mit der Besetzung des Direktorenpostens weitergeht, ist unklar. Linke-Ministerin Tack, die sich auf vermintem Terrain bewegt, gerät dabei von allen Seiten unter Druck, etwa von der Naturschutz-Lobby. So hat jetzt die renommierte Michael-Succow-Stiftung gemeinsam mit anderen Naturschutzstiftungen in einem Schreiben eindringlich an Platzeck appelliert, dass Brandenburg nun „umgehend handelt und die vakante Stelle so schnell als möglich mit einer geeigneten fachkompetenten Persönlichkeit nach ordentlichem Verfahren besetzt“. Dies sei vor allem „geboten angesichts der Unsicherheit und teilweisen Handlungsunfähigkeit der Biosphärenreservatsverwaltung“, die eine kommissarische Besetzung mit sich bringe. Die Unterzeichner – darunter mit dem ostdeutschen „Naturschutz-Papst“ Michael Succow und dem früheren Reservatsleiter und Ex-Umweltminister Eberhard Henne zwei vertraute Weggefährten von Platzeck, der selbst lange Umweltminister war – sehen sich sogar zur Mahnung veranlasst, dass die Entscheidung „nicht durch partei- oder kommunalpolitische Einzelinteressen beeinflusst wird“.

Zuvor hatten freilich Bürgermeister der Region ebenfalls in einem Brief an Platzeck offen für die kommissarisch amtierende Knape geworben, die „Akzeptanz findet () überall in der Region durch ihre hohe fachliche Kompetenz und Souveränität“ sowie ihrem „Eingehen auf die Menschen und Gemeinden“, „ohne jedoch den Umwelt- und Naturschutz dabei zu vernachlässigen“. Das Schreiben war pikanterweise auch von Parteifreunden Tacks unterschrieben, nämlich von den Landtagsabgeordneten Margitta Mächtig und Michael Luthardt, die jedoch inzwischen davon dem Vernehmen nach wieder abgerückt sind.

Bemerkenswert ist der regierungsamtliche Antwortbrief vom Mai, den für das Tack-Ministerium – stellvertretend für Platzeck – der gleiche Zentral-Abteilungsleiter schrieb, der bereits unter Woidke auf diesem Posten war und wegen der rigorosen Personalpolitik umstritten ist. Dieser verteidigt offen das damalige Vorgehen. Knape sei „im Ergebnis eines strukturierten Auswahlverfahrens“ für die Leitung des Biosphärenreservates „ausgewählt“ worden, heißt es in dem Schreiben. Er lasse „derzeit weitere rechtliche Schritte“ prüfen. Danach schließt man im Ministerium nicht aus, gegen Flade in Berufung zu gehen, womit sich freilich Tack die Entscheidung und das Verfahren ihres Vorgängers zu eigen machen würde. In der „grünen“ Szene Brandenburgs würde das als Affront gewertet. Dabei hat Tack dort bislang gepunktet, weil sie den jahrelang kurz gehaltenen Natur- und Umweltschutz stärkt. Staatssekretär Rühmkorf hält sich angesichts der Brisanz bedeckt: Man suche, sagt er knapp, „eher andere Lösungen“ als weitere Gerichtsprozesse.

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