Brandenburg: Biermann verschärft Kritik, Rot-Rot zeigt sich versöhnlich
In seiner Dankesrede attackierte Berlins neuer Ehrenbürger erneut die PDS Deren Führung und Laudator Klaus Wowereit lassen sich nicht provozieren
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Berlin - Souverän, sachlich aber auch enttäuscht haben Vertreter der rot-roten Koalition auf die erneuten Angriffe reagiert, mit denen der Liedermacher Wolf Biermann gestern seine Dankesrede zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde Berlins garnierte. „Das sind Vereinfachungen, die Berlin längst überwunden hat“, sagte die Fraktionschefin der Linkspartei/PDS im Abgeordnetenhaus, Carola Bluhm, nach Biermanns Ehrung im Roten Rathaus. Zuvor hatten Bluhm und andere Politiker ihrer Partei gemeinsam mit 300 Gästen aus Politik und Kultur die einstündige Rede Biermanns verfolgt, in der er die SED- Nachfolgepartei mehrfach scharf attackierte und ihr absprach, sich in der Zeit nach dem Mauerfall geändert zu haben. Er halte es weiterhin für „verbrecherisch“, wie sich Klaus Wowereit und die SPD „mit den Erben der DDR-Nomenklatura“ eingelassen hätten, sagte Biermann, der 1976 aus der DDR ausgebürgert worden war. Mit Blick darauf sei „verbrecherisch“ noch eine „starke Untertreibung“ für die rot-rote Koalition, legte Biermann nach – „Es ist viel schlimmer: Es war ein Fehler“.
Linkspartei-Fraktionschefin Bluhm und ihre Genossen, die nach der Rede den Empfang für Biermann von einem Stehtisch aus verfolgten, waren sich einig: „Inakzeptabel“ sei seine Kritik, „er zementiert Feindbilder, für die wir nicht taugen“, sagt der Linkspartei-Abgeordnete Carl Wechselberg, der aus Ostfriesland stammt, 1991 in die PDS eintrat und sich schon deswegen nicht von Biermanns SED-Rundumschlag gemeint fühlt. „Ich habe mich persönlich nicht angesprochen gefühlt“, sagt auch Fraktionschefin Bluhm. Wechselberg empfindet mit Biermann vor allem „Mitleid“, sagt er. „Ihm ist das Trauma anzumerken, dass ihn das Unrecht, was ihm in der DDR widerfuhr, bis heute zeichnet – aber er hat nicht die Größe, zur Versöhnung und zur Einheit Berlins beizutragen.“ Der Linkspartei- Wissenschaftspolitiker Wolfgang Albers, ebenfalls aus Westdeutschland nach Berlin gekommen und lange nach dem Ende der DDR zur PDS gestoßen, findet es enttäuschend, „dass Biermann gegen Geister kämpft, die wir schon lange in die Flasche gesteckt haben.“ Er hofft, dass mit der gestrigen Ehrung die Debatte über Biermanns Bewertung der Linkspartei vorbei sei: „Jetzt machen wir wieder Politik.“
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der persönlich lange gegen die Ehrung war, hatte den Liedermacher zuvor in einer bemerkenswert versöhnlichen Rede gepriesen. „Berlin ist stolz, Sie einen Bürger dieser Stadt nennen zu dürfen“, sagt er. Biermanns jüngste Attacken der letzten Tage wies Wowereit zurück. „Diese Regierung ist demokratisch gewählt, und es bleibt jedem unbenommen, für einen Regierungswechsel zu kämpfen.“ Die Bezeichnung „verbrecherisch“ gehe jedoch zu weit. In seiner Rede reichte Wowereit Biermann symbolisch die Hand. Der Dichter und Sänger könne „in einem Vers eine ganze Welt aufschreien lassen oder eine Diktatur beerdigen – beides hat er mit Lust getan und tut es bis heute.“ Der Regierende Bürgermeister pries Biermann als einen Vorkämpfer der DDR-Bürgerrechtsbewegung, der nichts von seinem Biss verloren habe: „Und ist sein Bart auch grau, so hat dieser Wolf doch Zähne, und die trägt er im Gesicht“, sagte er. „Manchmal beißt er auch zu und freut sich über die Reaktion.“ Biermann habe nun mal ein überschäumendes Temperament, „das ihn manchmal aus der Kurve zu tragen scheint“.
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