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Brandenburg: Blühende Landschaften
Die ungewisse Zukunft im Kohlerevier macht den Cottbusern Sorgen. Nun wollen sie sich für die Bundesgartenschau 2025 bewerben
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Cottbus - „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windräder.“ Irgendjemand hatte das klassische Sprichwort im Frühjahr 1995 an ein Eingangstor im Stadion der Freundschaft geklebt. Es beschrieb ein Lebensgefühl, das die Menschen in Cottbus vor 20 Jahren zum Erstaunen vieler anderer Ostdeutscher entwickelt hatten. Denn trotz massiver Deindustrialisierung, Massenarbeitslosigkeit und Abwanderung war ausgerechnet am östlichsten Rand Deutschlands die Vision von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl wahr geworden: Cottbus hatte nur viereinhalb Jahre nach der Wiedervereinigung blühende Landschaften geschaffen.
Weil die Bundesgartenschau 1995 (Buga) so erfolgreich war – vor allem für Infrastruktur, Image und die Stimmung in der zweitgrößten Stadt Brandenburgs – mehren sich derzeit in Cottbus Stimmen für eine erneute Bewerbung. Nachdem viele Unternehmer den damaligen Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt darauf angesprochen hatten, wandte dieser sich mit einem entsprechenden Vorschlag an den jetzigen Oberbürgermeister Holger Kelch. Der fand das interessant – nicht etwa, weil beide Männer in der CDU sind, sondern weil auch Kelch weiß, welch deutlichen Aufschwung die Stadt durch die Buga nahm.
„Noch heute bekommen alle – bis auf Roland Kaiser – leuchtende Augen, wenn sie an die Eröffnungsveranstaltung der Bundesgartenschau denken“, sagt Wolfgang Tamm. Er arbeitete 1995 als Büroleiter des damaligen Cottbuser Oberbürgermeisters und koordinierte die meisten Buga-Veranstaltungen.
Roland Kaiser sollte am Schluss der live übertragenen Eröffnung singen, erzählt er schmunzelnd. „Ich habe bei der Rede des Oberbürgermeisters peinlich genau auf die Einhaltung des Zeitplans – er hatte eineinhalb Minuten – geachtet. Leider hatte ich nicht damit gerechnet, dass die Cottbuser nach jedem Satz so lange applaudierten. Weil das auch bei den anderen Rednern so war, konnte Roland Kaiser zwar singen, aber die Live-Sendung im Fernsehen war da schon vorbei.“
So viel Applaus haben die Cottbuser Stadtväter niemals wieder bekommen. So viel Energie haben die Einwohner auch niemals wieder entwickelt. Viele andere Städte hatten abgewinkt, als Berlin sich 1991 für die Olympischen Sommerspiele 2000 bewarb und deshalb auf die Ausrichtung der Buga 1995 verzichtete. Doch der Cottbuser Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt war der Ansicht: „Wir schaffen das.“ Und er überzeugte nicht nur seine Stadtverordneten, sondern auch Politiker und Unternehmer. 130 Millionen Mark wurden in die Schau investiert, 95 Millionen davon waren Fördermittel von Land und Bund. Etwa eine Milliarde D-Mark aber legten private Investoren im Vorfeld der Buga an: Es entstanden Hotels, Gaststätten und die Messehallen, in denen bis heute viele Tagungen und Ausstellungen stattfinden.
Anders als frühere Gartenschauen, bei denen das komplette Areal danach wieder abgerissen wurde, setzten die Cottbuser von Beginn an auf nachhaltige Nutzung. Das Buga-Gelände, der heutige Spreeauen-Park, schloss die Lücke zwischen den Parkanlagen in der City und dem berühmten Branitzer Park des Fürsten Pückler, einem englischen Landschaftsgarten aus dem 19. Jahrhundert. Das Stadion der Freundschaft, wo Bundespräsident Roman Herzog am 29. April 1995 die Schau vor 12 000 Besuchern eröffnete, wurde auf Vordermann gebracht. Prompt stieg Cottbus wenige Jahre später in die Bundesliga auf. Hinzu kam die Sanierung der historischen Altstadt und der Ausbau des Bahnhofs sowie der bis dahin einspurigen Autobahn. Mindestens ebenso wichtig war der Stolz, den die Cottbuser, die 2,5 Millionen Besucher begrüßten, auf ihre Stadt entwickelten.
Aber während nach anfänglichen Schwierigkeiten fast alle Parks, Hotels und andere Einrichtungen weiter genutzt werden, während im Forster Rosengarten sogar noch die vom damaligen Bundeskanzler auf seinen Namen „Dr. Helmut Kohl“ getaufte Rose blüht, ist die Stimmung in Cottbus lange nicht so optimistisch wie vor 20 Jahren.
Die ungewisse Zukunft im Kohlerevier, der Zoff um die Brandenburgische Technische Universität, die neue Strukturreform mit dem drohenden Verlust des Status als kreisfreie Stadt – das alles trübt die Stimmung, meint Alt-Oberbürgermeister Kleinschmidt. „Wir brauchen wieder etwas Positives, Mut, Selbstvertrauen.“ Da die Bundesgartenschauen bis 2023 vergeben sind, schlug Kleinschmidt vor, sich für die Ausrichtung der Buga 2025 zu bewerben. Dann soll der aus einem alten Tagebau entstehende Ostsee fertig sein, mit 1900 Hektar der größte künstliche Binnensee Deutschlands. „Der verbindet die Stadt mit den umliegenden Gemeinden“, sagt Kleinschmidt. „Die könnte man genau wie unsere polnischen Nachbarn in die Buga miteinbeziehen.“
Der Ostsee steht für Kleinschmidt auch für den Strukturwandel im Kohlerevier. Da, wo mehr als hundert Jahre lang Bagger die Erde aufrissen, soll durch die Flutung vieler Tagebauseen eine El Dorado für Touristen und Wassersportler entstehen. „Wenn man das mit einer grenzüberschreitenden Landschaftsgestaltung und dem Aufbau einer auch von der Uni geförderten Informationsindustrie verbindet, muss man um die Zukunft keine Angst haben“, sagt Kleinschmidt.
Der jetzige Oberbürgermeister Holger Kelch sieht das ähnlich. Er hat die Abgeordneten aufgefordert, sich eine Meinung zur Ostsee-Buga 2025 zu bilden. Es ist ihm klar, dass es viele Bedenken gibt. Auch und gerade im Kohlerevier wollen nicht alle Windmühlen bauen, wenn der Wind der Veränderung weht. S. Dassler
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