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Brandenburg: Bombardiers teure Billigkonkurrenz

Industriespion im Werk des größten Schienenfahrzeughersteller der Welt in Henningsdorf gefasst

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Industriespion im Werk des größten Schienenfahrzeughersteller der Welt in Henningsdorf gefasst Von Peter Tiede Potsdam - Beim Essen mit Kunden bekamen die Vertriebsleute von Bombardier schon seit mehr als zwei Jahren immer wieder diskrete Hinweise, dass es eine äußerst auffällige Konkurrenz für den Schienenfahrzeugbauer gibt. Eine andere Firma war bei Kunden wie der Deutschen Bahn aufgetreten und hatte Ersatzteile für Bombardier-Züge angeboten – billiger als die Teile aus Henningsdorf. „Aber technisch waren sie auffällig den von Bombardier entwickelten Teilen ähnlich“, berichtete gestern ein Fachmann den PNN. Seit dem 22. Juli kann sich Bombardier nun erklären, warum die Konkurrenz so billig sein konnte: Sie hatte sich, davon gehen das Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg und die Staatsanwaltschaft Neuruppin aus, schlicht die hohen Entwicklungskosten gespart und sich die technischen Unterlagen und Zeichnungen bei Bombardier stehlen lassen. Am Abend des 22. Juli, einem Freitag, beobachtete ein Mitarbeiter des Werkschutzes in Henningsdorf einen Mann, der ein Bürogebäude betrat. Um 21.28 Uhr stellten ihn die Wachschützer beim Verlassen des Hauses. Dieter M., ein ehemaliger Mitarbeiter von Bombardier, hatte technische Zeichnungen und andere Unterlagen bei sich. Bei einer am nächsten Tag in seiner Wohnung in Berlin-Reinickendorf durchgeführten Hausdurchsuchung wurde das LKA Brandenburg fündig: Es wurden weitere, wie es bei der Staatsanwaltschaft für Korruption in Neuruppin hieß, „eindeutig Bombardier gehörende Unterlagen“ – darunter auch Ausschreibungsmaterialien – gefunden. Dieter M. war am selben Tag vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten wegen Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft genommen worden. Gestern sei er wieder frei gelassen worden, da der Fall als weitgehend aufgeklärt gilt. Der 64-jährige Industriespion Dieter M. sei bis 1999 bei Bombardier in Henningsdorf „im technischen Bereich“ angestellt gewesen und habe einen sehr guten Ruf dort genossen, hieß es gestern aus dem Unternehmen. Nach seiner Zeit bei Bombardier heuerte er bei einer Firma aus Essen an – bei der Rohstoff- und Maschinenhandel RO-MA GmbH. Und, davon sind die Ermittler überzeugt, mit dem 58-jährigen RO-MA-Geschäftsführer Peter E. aus Mühlheim habe Dieter M. die Spionage ausgeheckt und betrieben, um als Zulieferer auf dem Bahnmarkt ins Geschäft zu kommen. Aus Ermittlerkreisen hieß es gestern, Dieter M. sei bei RO-MA angestellt gewesen. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin teilte mit, er habe von RO-MA beträchtliche Geldzahlungen für die gelieferten Unterlagen erhalten – angeblich im „fünfstelligen Bereich“. Bombardier Transportation – ein Tochterunternehmen des kanadischen Technologiekonzerns Bombardier – ist der weltweit größte Hersteller von Schienentechnik. Firmensitz ist Berlin. In der Hauptstadt und in Hennigsdorf hat das Unternehmen etwas 3000 Beschäftigte, wobei für Hennigsdorf im Frühjahr der Abbau von 535 Stellen vereinbart wurde. Neben kompletten Zugsystemen bietet Bombardier auch Ersatzteile an. Die Kunden führen bei Aufträgen für Ersatzteillieferungen Ausschreibungen durch, um einen möglichst günstigen Preis zu erzielen. Angesichts knapper Budgets der Bahnunternehmen ist der Wettbewerb hart – und die Zahl der Wettbewerber größer als bei kompletten Systemlösungen. RO-MA, ein nordrhein-westfälischer Mittelständler, hat nun offenbar Bombardier auch ausspionieren lassen, um Angebote des Konzerns zu unterbieten. Am 27. Juli waren auch die Wohn- und Geschäftsräume von RO-MA-Chef Peter E. in Mühlheim und Essen durchsucht worden. Auch dort, so hieß es gestern, seien die Ermittler fündig geworden. Firmenchef und Werksspion hätten die Taten „im Kern eingeräumt“ hieß es gestern. Über den Schaden, der Bombardier durch den Klau des geistigen Eigentums und die dadurch ermöglichte Billigkonkurrenz durch RO-MA entstanden ist, gab es gestern unterschiedlichen Angaben. Nach ersten Schätzungen liegt er aber bei etwa sieben Millionen Euro. Nach PNN-Informationen hatte Bombardier in den vergangenen zwei Jahren zunächst erfolglos betriebsintern versucht, dem Geheimnis der Billigkonkurrenz auf die Spur zu kommen. Für die Staatsanwaltschaft Neuruppin und für Bombardier ist nach PNN-Informationen die Firma RO-MA kein neuer Verdächtiger. Schon 2002 hatten die Staatsanwälte ein Verfahren gegen die Essener Firma geführt. Schon damals soll RO-MA Bauteile aus Henningsdorf kopiert und nachgebaut haben. Bewiesen werden konnte dies aber damals nicht.

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