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Von Alexander Fröhlich: Bombodrom: Die Bundeswehr will weitermarschieren Verteidigungsministerium arbeitet nach der 25. Niederlage an Revision / Kritik an Wehrverwaltung

Berlin/Potsdam - Das Bundesverteidigungsministerium hält am Luft-Boden-Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide fest und will dafür weiter klagen. Nach Recherchen der PNN zieht das Ministerium aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Revision vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, vor einer Woche hatte es eine herbe Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) einstecken müssen.

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Berlin/Potsdam - Das Bundesverteidigungsministerium hält am Luft-Boden-Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide fest und will dafür weiter klagen. Nach Recherchen der PNN zieht das Ministerium aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Revision vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, vor einer Woche hatte es eine herbe Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) einstecken müssen. Die Rechtsabteilung des Hauses arbeite nun bereits an den Vorbereitungen für den nächsten Schritt, hieß es am Freitag. Sprecher Dietmar Birkeneder wollte dies gestern auf Nachfrage der PNN weder bestätigen, noch dementieren. Vorerst solle der Eingang der schriftlichen Urteilsbegründung abgewartet werden, erklärte er.

Zumindest rechnen aber die Gegner des sogenannten Bombodroms und deren Anwalt Reiner Geulen mit einer Revisionsklage. „Freie Heide“-Sprecher Benedikt Schirge forderte daher gestern erneut eine politische Lösung, ein weiteres Verfahren ziehe sich über Jahre hin. Diese Ungewissheit sei der Region nicht zuzumuten.

Das OVG hatte die Berufungsklage des Bundeswehr abgewiesen und damit die Aufnahme des Flugbetriebs auf dem Bombodrom bei Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) wegen erheblicher Planungsmängel untersagt – wie schon zuvor das Verwaltungsgericht Potsdam im Jahr 2003. Das Ministerium hatte sich bei seinen Plänen für das 14 000 Hektar große Areal auf das Landbeschaffungsgesetz aus den 1950er Jahren berufen und vor Gericht auf die Sonderstellung von verteidigungspolitischen Belangen im Grundgesetz verwiesen. Der Bundestag habe es bislang versäumt, der Bundeswehr eine gesetzliche Grundlage für solche Vorhaben – etwa nach dem Vorbild für den Flugverkehr – zu schaffen, hieß es. Dennoch hätten aus Sicht des OVG betroffene Anwohner und Unternehmen in einem ordentlichen Verfahren – wie etwa beim BBI Schönefeld – angehört werden müssen. Auch sei der Lärmschutz nur unzureichend untersucht worden. Allein aus der höchstrichterlichen Rechtssprechung seit den 1970er Jahren ergebe sich, dass bei derartigen Vorhaben umfassenden Planungs- und Abwägungsverfahren nötig sind, dies sei inzwischen „materielles Recht“.

In dieser Frage sei das Bundesverwaltungsgericht noch weitaus strenger, hatte das OVG in der vergangenen Woche betont und der Bundeswehr nur geringe Chance für eine mögliche Revision vorhergesagt. Prozessbeobachter hielten den Gang in die nächste Instanz zudem für riskant, dabei könne sich das Verteidigungsministerium nur blamieren. Äußerungen von Ministerialdirektorin Alice Greyer-Wieninger gaben Anlass zu Spekulationen, die Bundeswehr ziehe nun ein richtiges und mehrere Jahre dauerndes Planungsverfahren in Betracht.

Über die schlampige Vorbereitung der zuständigen Bonner Wehrverwaltung seien selbst die Spitze des Ministeriums und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) verärgert, hieß es. Aus militärischer Sicht sei der Flugbetrieb auf dem früheren sowjetischen Truppenübungsplatz alternativlos. Dieses Argument bringt die Bundeswehr seit Jahren an und verweist auf die einmaligen Bedingungen auf dem Bombodrom. Bis zu 8500 Tiefflüge und komplexe Einsatzszenarien mit Bodentruppen waren dort geplant.

Bei den Militärs herrsche auch Unmut über Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), hieß es. Der Ex-General wisse um die Notwendigkeit des Standortes, spreche sich aber unter dem öffentlichen Druck aus taktischen Gründen gegen das Projekt aus. Erst in dieser Woche hatte sich SPD und CDU in Brandenburg einen Schlagabtausch über mangelnde Gegnerschaft zum Bombodrom geliefert. Im Bundestag sehen inzwischen auch die Verteidigungspolitiker beider Parteien das Bombodrom skeptisch. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte, seine Fraktion stehe nun voll hinter dem Parteitagsbeschluss gegen den Übungsplatz.

So ist der Wahlkampf ums Bombodrom eröffnet – auch, wenn die Bundeswehr das Thema aber lieber heraushalten würde. Ministerialdirektorin Alice Greyer-Wieninger hatte nach dem OVG-Urteil schon mal vorsorglich gewarnt: „Politische Entscheidungen im Wahljahr sind nicht immer geeignet, tragfähige und langfristige Lösungen zu bringen.“

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