Brandenburg: Bombodrom-Unheil für die SPD
Generalsekretär Hubertus Heil erteilt ziviler Nutzung vorerst eine Absage – und gibt der CDU die Schuld
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Berlin/Wittstock - Neben den großen Glaubwürdigkeitsproblemen der SPD ist ein neues, aus Sicht der Bundespartei kleineres, im Nordwesten Brandenburgs wieder aufgetaucht: Das sogenannte Bombodrom bei Wittstock. Denn trotz des Parteitagsbeschlusses vom Oktober 2007 zum Verzicht auf eine militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner sieht der Generalsekretär der Bundes-SPD, Hubertus Heil, derzeit keine Möglichkeit dies durchzusetzen. Als Regierungspartei müsse die SPD Kompromisse mit der Union eingehen, schreibt Heil in ein Brief an die Bürgerinitiative „Freier Himmel“ in Mecklenburg-Vorpommern, der den PNN vorliegt. „Würden wir allein regieren, sähe die Sachlage anders aus“, heißt es darin weiter.
Mit heftiger Kritik reagierten Bombodrom-Gegner vor Ort gestern auf Heils Äußerungen. Gerhard Schneider, Sprecher der Initiative „Freier Himmel“, warf ihm Unglaubwürdigkeit vor. Die SPD verbaue sich damit jeglichen Verhandlungsweg. Heil habe sich und seiner Partei ein Armutszeugnis ausgestellt. „Es ist doch kaum wahrscheinlich, dass die Sozialdemokraten nach der nächsten Wahl eine Alleinregierung stellen“, so Schneider. Tatsächlich habe die SPD in der Regierungskoalition mit Bündnis 90/Die Grünen jahrelang einen Verzicht auf den Luft-Boden-Schießplatz verhindert. Unter zwei SPD-Verteidigungsministern sei die militärische Nutzung des Bombodroms gar weiter forciert worden – von Minister Peter Struck und zuvor von Rudolf Scharping, der als Kanzlerkandidat einst gar den Verzicht auf das Areal versprochen hatte. Nun der Union die Verantwortung zuschieben zu wollen, sei „eine echte Frechheit“, Schneider.
Auch Benedikt Schirge von der Initiative Freie Heide reagierte enttäuscht. Der Hamburger Parteitagsbeschluss habe hohe Erwartung geschürt, die nun nicht erfüllt werden. Die SPD müsse mit ihrem Gewicht als Regierungspartei als Handlungsspielräume nutzen. Nach 16 Jahren Rechtsstreit mit der Bundeswehr sei die Zeit für eine politische Lösung reif, so Schirge.
Tatsächlich ist von den Gerichten vorerst keine abschließende Entscheidung zu erwarten. Vor einem Jahr hatte das Verwaltungsgericht Potsdam eine Betriebserlaubnis für den Schießplatz kassiert. Die Berufung der Bundeswehr dagegen wurde vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg im Mai zugelassen. Mit einer Entscheidung über die Berufung wird für Mitte kommenden Jahres gerechnet. Bis dahin darf die Bundeswehr das Areal vorerst nicht militärisch nutzen.
In der Union löste Heil Verwunderung aus. Als „nicht besonders glaubwürdig“ bezeichnete Michael Stübgen, Vorsitzender der brandenburgischen CDU- Landesgruppe im Bundestag, Heils Darstellung. Die SPD-Fraktion im Bundestag habe keineswegs eine einheitliche Meinung zum Bombodrom. Weder in der Fraktion, noch im Bundeskabinett würde die SPD Initiativen gegen die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide einleiten. Vielmehr sei ein Beschluss zur zivilen Nutzung der Heide nicht mehrheitsfähig, so Stübgen, der gemeinsam mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Danckert die Chancen in der Koalition ausgelotet hat. Konkret hatte die SPD auf ihrem Parteitag im Herbst in Hamburg beschlossen, Verteidigungsminister Franz Joseph Jung (CDU) zum Verzicht auf den geplanten Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide aufzufordern.
Geschehen ist bislang aber offenbar nichts. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, räumte gegenüber den PNN ein, dass die Fraktion über das Bombodrom noch nicht einmal „vertieft beraten“ habe. Bislang habe es nur Gruppenanträge einzelner Abgeordneter gegeben.
In einem Brief an die Initiative „Freier Himmel“ betonte Arnold mit Blick auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr zudem die besondere Verantwortung der Verteidigungspolitiker in sicherheitspolitischen Fragen. Allerdings dürfe sich das Verfahren zum Bombodrom nicht mehr ewig hinziehen. Ähnlich äußerte sich der CDU-Abgeordnete Stübgen.
Eine Hinhaltetaktik warf Gerhard Schneiber von der Initiative „Freier Himmel“ beiden Koalitionsparteien vor und berief sich auf ein Schreiben der CDU-Abgeordneten Susanne Jaffke-Witt aus Ost-Vorpommern. Demnach bleibt auch der kritische Bericht des Bundesrechnungshofs zur Auslastung der Übungsplätze vorerst folgenlos. Der Rechnungsprüfungsausschuss im Bundestag will sich demnach erst damit befassen, wenn ein Urteil im Berufungsverfahren vorliegt. Der Rechnungshof zieht wie berichtet in Zweifel, ob angesichts der sinkenden Auslastung der vorhandenen Schießplätze ein weiterer bei Wittstock überhaupt notwendig ist.
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