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Schönes Brandenburg: Doch ohne die finanzielle Unterstützung aus dem Länderfinanzausgleich würde es der Mark ungleich schlechter gehen. Allerdings gibt es gute Gründe dafür, dem Land zu helfen.

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LÄNDERFINANZEN: Brandenburg braucht Bayern

Ohne Gelder aus dem Länderfinanzausgleich ginge nichts mehr. Doch nun klagt Bayern gegen die Transferzahlungen. Und da ist noch der Tropf des Bundes.

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Potsdam/Berlin – Wenn Bayern nicht mehr zahlt, muss Brandenburg sich etwas einfallen lassen, denn dann wird es eng. Und Berlin kann den Laden dichtmachen. Auf diesen einfachen Nenner lässt sich der Streit um den Länderfinanzausgleich bringen, der in eine Klage des Freistaats vor dem Bundesverfassungsgericht und bis 2020 in eine Reform des bundesstaatlichen Finanzsystems münden wird. Vergangenes Jahr erhielt Brandenburg 413,2 Millionen aus dem Länderfinanzausgleich und 185,1 Millionen Euro vom Bund als Fehlbetrags-Ergänzungszuweisungen, um unterdurchschnittliche Einnahmen auszugleichen. Insgesamt waren es also knapp 600 Millionen Euro, in diesem Jahr sogar etwa knapp 650 Millionen Euro. Berlin ist das größte Nehmerland und erhielt 3,04 Milliarden Euro. Bayern zahlte als weitaus größtes Geberland 3,7 Milliarden Euro in das System ein.

Dabei handelt es sich nicht um Almosen. Der föderale Finanzausgleich dient der „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“. So steht es im Grundgesetz. Um das zu erreichen, muss die „unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen“ werden. Das Wohlstandsgefälle in Deutschland soll nicht so groß werden, dass die soziale, ökonomische und politische Einheit des Staates gefährdet wäre.

Übrigens war auch Bayern bis 1987 ein wirtschaftlich rückständiges Nehmerland. Heute strotzt es vor Kraft. Die Finanzkraft Bayerns, gemessen am Steueraufkommen je Einwohner, beträgt 128 Prozent des Bundesdurchschnitts. Die Finanzkraft Brandenburgs dagegen lag 2011 nur bei 90,4 Prozent, in diesem Jahr bei 90,7 Prozent. Die Finanzkraft Berlins liegt nur bei 85,5 Prozent.

Das mehrstufige System funktioniert so: Zunächst wird das gesamte Steueraufkommen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, anschließend führt eine gesonderte Verteilung der Umsatzsteuer zu einem ersten, behutsamen finanziellen Ausgleich. Danach nivelliert der Länderfinanzausgleich die unterschiedliche Finanzkraft der wohlhabenden und wirtschaftlich schwachen Länder. Die besonders leistungsschwachen Länder kommen zusätzlich in den Genuss von Ergänzungszuweisungen des Bundes.

So wird die Finanzkraft der ärmeren Länder auf mindestens 99,5 Prozent des Durchschnittes aufgestockt. Die Finanzkraft Bayerns verringerte sich in diesem Prozess von 127,9 auf 105,2 Prozent. Die Unterschiede werden also nicht vollständig glattgehobelt. Im Ergebnis leisteten Bayern, Hessen und Baden-Württemberg 7,3 Milliarden Euro an Ausgleichszahlungen. Hamburg trug 2011 als viertes Geberland einen symbolischen Beitrag von 62 Millionen Euro bei. Die übrigen zwölf Länder sind Zahlungsempfänger.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Es sprudeln noch weitere Quellen, um Brandenburg auf die Beine zu helfen. Dazu gehört die Bundesergänzungszuweisung „zur Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten und zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft“ (Solidarpakt), in deren Genuss alle ostdeutschen Länder kommen. Im vergangenen Jahr flossen daraus noch 1,15 Milliarden Euro in die Landeskasse, in diesem Jahr sind es noch 1,04 Milliarden Euro. Hinzu kommen Gelder aus dem „Korb 2“ des Solidarpakts für überproportionale Leistungen des Bundes insbesondere für Infrastruktur, 2010 waren das 616 Millionen Euro, die Zahlen für 2011 werden noch errechnet. Allerdings läuft der Solidarpakt bis 2020 schrittweise aus und wird in der anstehenden Reformdebatte zum bundesstaatlichen Finanzausgleich keine Rolle mehr spielen.

Allerdings zeigen die Zahlen auch, unter welchem Spardruck Brandenburg steht: Einem Haushalt von rund 10 Milliarden Euro stehen Zuschüsse aus Finanzausgleich, Ergänzungszuweisen und Solidarpaktmitteln von insgesamt mehr als zwei Milliarden Euro gegenüber. Allein die Gelder aus dem Finanzausgleich machen sechs Prozent des Landesetats aus.

Es gibt ein weiteres Problem: Die seit 1969 geltende Finanzverfassung Deutschlands, die nach der Vereinigung knarrte und ächzte, aber lebensfähig blieb, muss so reformiert werden, dass die vereinbarte Schuldenbremse funktioniert, wonach die Länder ab 2020 und der Bund ab 2016 nur noch äußerst begrenzt Schulden mehr aufnehmen dürfen. Bund und Länder, Städte und Gemeinden müssen in die Lage versetzt werden, dauerhaft ohne neue Schulden auszukommen. Es ist also kein Zufall, dass im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich auch über Schuldenberge diskutiert wird, die wegen der hohen Zinsbelastung eine Haushaltskonsolidierung erschweren. Auch hier der direkte Vergleich: In Brandenburg lag die Verschuldung 2011 je Einwohner bei 7 469 Euro, in Berlin bei 17 700 Euro, in Bayern bei 3 600 Euro. Forderungen nach einem Abbau der Altschulden in besonders belasteten Ländern verhallten ungehört. Denn durch den Schuldenabbau werden Zinsausgabe gespart, weshalb geringere Zuschüsse aus dem Länderfinanzausgleich nötig wären. Brandenburg hatte Ende 2011 einen Schuldenberg von 18,7 Milliarden Euro, Berlin sogar 63 Milliarden Euro. Andere Vorschläge, den Nehmerländern aus der Patsche zu helfen, dürften weniger zielführend sein. Dazu gehört eine Fusion der Stadtstaaten mit ihrem Umland, doch Berlin und Brandenburg wären gemeinsam noch kein wohlhabendes Bundesland. Ulrich Zawatka-Gerlach/

Alexander Fröhlich

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