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Kehrtwende in der Schulpolitik: Brandenburg schult Kinder später ein als Berlin
Bildungsministerin Martina Münch will ab 2015/2016 nur noch sechsjährige Erstklässler. Mit dieser Ankündigung wird Berlin als Früheinschulungs-Insel isoliert.
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Potsdam - In Brandenburg sollen künftig wie in der Vergangenheit nur noch sechsjährige Kinder eingeschult werden. Das hat Bildungsministerin Martina Münch (SPD) am Montag in Potsdam angekündigt. Ihre Berliner Amtskollegin Sandra Scheeres (SPD) hält bislang hingegen strikt an der Früheinschulung von Fünfjährigen fest, die Berlin intensiver praktiziert als bisher Brandenburg. „Es ist kein Alleingang“, betonte Münch. Man sei damit auf einer Linie mit Bremen, Hamburg, Hessen, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein. Allerdings entfernt sich Brandenburg damit noch weiter von Berlin. Münch will über diese Thematik – und andere länderübergreifenden Probleme in der Bildungspolitik – mit Scheeres demnächst ein Gespräch führen. Brandenburg hat jüngst bereits das gemeinsame Zentralabitur mit Berlin gekündigt, um eigene Abiturienten nicht zu benachteiligen.
Mit Münchs Kurs würde in der Hauptstadtregion die schon jetzt deutliche Kluft beim Einschulungsalter noch größer. Deutschlandweit werden Kinder nirgends so früh in die Schule geschickt wie in der Hauptstadt, was in Berlin inzwischen hochumstritten ist. Zum obligatorischen Schulbeginn im August werden sie auch eingeschult, wenn sie fünf Jahre alt sind, aber noch im selben Jahr ihren sechsten Geburtstag feiern. So radikal war Brandenburg nie, dort ist der 30. September der Stichtag, sodass spätestens nach dem ersten Schulmonat jeder Erstklässler sechs ist. Obwohl es damit im Vergleich zu Berlin weniger Früheingeschulte gibt, will Münch den 30. Juni als Stichtag wieder einführen. Dadurch würde kein Kind mehr im Alter von fünf Jahren eingeschult. Es gebe dafür gute Gründe, sagt Münch. Die Absenkung des Einschulungsalters, die in vielen Ländern um die Jahre 2005/2006 vorgenommen wurde, sei „nicht angemessen“ gewesen. Man sehe das daran, dass später die Rückstellungsquote von 6,8 Prozent auf mehr als zehn Prozent gestiegen sei. „Das kann nicht der Sinn der Sache sein.“ Ziel sei, dass das neue Einschulungsalter in Brandenburg ab Schuljahr 2015/2016 gelte.
Münch setzt damit Bildungssenatorin Scheeres weiter unter Druck, die selbst die Einführung der bisherigen Brandenburger Regelung ablehnt. So droht in der „gemeinsamen Bildungsregion“, die offiziell noch immer propagiert wird, ab 2015/2016 folgendes Gefälle: Lebt ein fünfeinhalbjähriges Kind in Zehlendorf, wird es eingeschult, nebanean in Kleinmachnow wäre es ein Jahr später dran.
Die Rücknahme soll laut Münch Bestandteil der noch für diese Legislatur geplanten Schulgesetz-Novelle sein. Außerdem will die Bildungsministerin die umstrittene Reform der Schulämter, also die Bildung einer Landesschulagentur samt vier Außenstellen statt der bisher fünf staatlichen Schulämter, besiegeln. Gleichzeitig verteidigte sie ihren Kurs, angesichts des massiven Unmuts an den Schulen Konflikte zu entschärfen, sich etwa bei der Integration bisheriger Förderschüler in reguläre Schulen – dem Auftakt für Inklusion im Land - etwas länger Zeit zu nehmen. Auch die vor einigen Jahren als Hürde für die Aufnahme an Gymnasien eingeführte Zentrale Vergleichsarbeit für die Sechstklässler (ZVA 6) wird abgeschafft. „Sie bedeutet für alle Stress, bringt aber nichts“, sagte Münch. Denn für die Zeugnis-Note, die für die Aufnahme ans Gymnasium wichtig ist, spiele sie inzwischen kaum noch eine Rolle.
Scharfe Kritik kam von CDU-Bildungssprecher Gordon Hoffmann, der Münch „blanken Aktionismus“ vorwarf. Mit der Abschaffung der Vergleichsarbeiten, dem Abschaffen der Chance, eine Klasse zu wiederholen, und dem Anheben des Einschulungsalters wolle die Ministerin „vom Totalversagen ablenken.“
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