Eichenprozessionsspinner: Brandenburg und Bund streiten über giftige Raupen
Der Einsatz des wirksamsten Mittels gegen den Eichenprozessionsspinner ist nicht zulässig - zu Unrecht, findet Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger. Die Raupen fressen landesweit die Bäume kahl.
- Matthias Matern
- Katharina Wiechers
Stand:
Potsdam/Berlin - Weil sich Brandenburg und der Bund nicht auf ein abgestimmtes Vorgehen gegen den Eichenprozessionsspinner einigen können, werden wohl auch in diesem Jahr landesweit wieder Kinderspielplätze, Parkanlagen und Waldgebiete wegen des Befalls mit den giftigen Raupen gesperrt werden müssen. Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) warf am Dienstag dem Bund vor, eine wirksame Bekämpfung zu blockieren, weil ein flächendeckender Einsatz des wirksamen und trotzdem umweltverträglichen Insektengifts Dipel ES aus der Luft noch nicht genehmigt wurde. Potsdams CDU-Chefin und Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche, dagegen kritisierte, Vogelsänger sei wie so oft „auf diesem Gebiet schlicht uninformiert“, so nutze eine eigens erlassene Notfallverordnung nicht.
Reiche zufolge ermöglicht es eine am 14. März erlassene Notfallverordnung, künftig auch Gebiete wie den Park Sanssouci oder den Park Babelsberg bei Befall mit Dipel ES aus der Luft zu besprühen. Bislang war ein Lufteinsatz mit dem biologischen Präparat nur mit Genehmigung in Forsten und mit deutlichem Abstand zu Siedlungsgebieten möglich. Innerorts darf das Mittel lediglich vom Boden aus gesprüht werden.
Gefürchtet sind die Falterraupen wegen ihrer giftigen Brennhaare, die bei Menschen schwere allergische Reaktionen auslösen können. Zudem werden ganze Eichenbestände von den Raupen kahl gefressen. Angaben der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten zufolge zufolge waren allein in den Parks rund um Potsdams Schlösser im vergangenen Jahr 70 Prozent aller Bäume befallen.
Um eine Genehmigung für die Parks zu bekommen, müsse Brandenburg nur auf Grundlage der Notfallverordnung eine Antrag stellen und die Anlagen als zusammenhängende Waldgebiete definieren. Die zuständigen Behörden seien so gebrieft, dass sie einen entsprechenden Antrag auch genehmigen würden, sagte Reiche am Dienstag den PNN. Die Länder seien über die Notfallverordnung informierte worden. Eine Mitarbeiterin aus dem brandenburgischen Agrarministerium sei bei den Gesprächen sogar dabei gewesen. Am heutigen Mittwoch will Reiche ihr Konzept in Berlin vorstellen.
Vogelsänger, der am Dienstag die Strategie Brandenburgs vorstellte, sagte auf PNN-Nachfrage, eine solche Notfallverordnung kenne er nicht. Eine Umwidmung der Parks sei gar nicht möglich und keine Lösung. Bislang liege Brandenburg lediglich eine Genehmigung für Wälder vor. „Eine Antwort auf unseren Antrag für Alleen und Siedlungsgebiete steht noch aus“, so der Minister. Er rechne allerdings nicht mit einer Genehmigung. Stattdessen empfehle der Bund den Bodeneinsatz des als krebserregend geltenden Mittels Dimilin. Dagegen sei Dipel ES gesundheitlich unbedenklich und die letzte Chance, die Ausbreitung des Schädlings zu verhindern. Er könne sich nicht erklären, warum der Bund das anders sehe. Zumal die Zeit dränge: Wirksam ließen sich die Raupen nur zwischen Ende April und Anfang Mai bekämpfen.
Experten gehen unterdessen von einer weiteren Verbreitung der Eichenprozessionspinner aus. Laut Ministerium waren 2012 brandenburgweit knapp 6000 Hektar der insgesamt 57 000 Hektar Eichenwälder befallen. 2011 seien es nur knapp 4000 Hektar gewesen. Unter anderem hatte die Raupen nahezu alle Eichen an der B 96 im Norden des Landes kahl gefressen. Zudem musste im Havelland ein Ferienlager abgebrochen werden. 2012 seien insgesamt 3673 Personen nach Kontakt mit den Brennhaaren erkrankt, teilte Vogelsänger mit. 2011 waren es 2033.
HINTERGRUND
DIpel ES
Das Gift des Bacillus thuringiensis wirkt im Darm der Insektenlarven und wird über die Nahrung aufgenommen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) rät bei der Anwendung des Bakteriums das Tragen von Schutzkleidung, da Dipel ES bei Hautkontakt als reizend gilt. Das Mittel wird allerdings auch als giftig für andere Insekten eingestuft.
Dimilin
Dabei handelt es sich um einen Häutungshemmer, der auch über die Nahrung aufgenommen wird. Er verhindert, dass sich die Raupen weiterentwickeln. Das Mittel ist laut BVL auch für Fische giftig. Laut Landesumweltministerium bildet Dimilin krebserregende Stoffe aus. Das Betreten behandelter Flächen ist laut BVL frühestens nach 24 Stunden ratsam und auch dann nur in Schutzausrüstung.
Margosa
Der Wirkstoff Azadirachtin ist ein natürlicher Extrakt aus dem in den Tropen heimischen Niembaum. Wie Dipel ES und Dimilin wird auch Azadirachtin beim Fressen aufgenommen. Margosa führt laut des Instituts für Schädlingskunde bei den Raupen zu einem Fraßstop. Nach rund einer Woche sterben die Tiere ab. Für den Menschen ist Azadirachtin weitgehend ungefährlich. mat
- Alois Rainer
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